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Kratzer. Das Muster in der Gorham-Höhle ist mehr als 39 000 Jahre alt.

© dpa

Kunst im Karst: Auch die Neandertaler ritzten bereits Muster in Felsen

In einer Höhle in Gibraltar haben Forscher erstmals Felsgravuren der Neandertaler entdeckt. Solche Muster waren bisher nur von modernen Menschen bekannt. Offenbar wurden die geistigen Fähigkeiten der Frühmenschen unterschätzt.

In einer Karsthöhle in Gibraltar fanden sie kreuzförmige Einkerbungen, die mindestens 39 000 Jahre alt sind. Höhlenkunst wurde bislang nur dem modernen Menschen (Homo sapiens) eindeutig zugeschrieben. Der neue Fund zeige, dass offenbar auch Neandertaler dazu in der Lage waren, schreibt das Team um Ruth Blasco und Clive Finlayson vom Gibraltar-Museum im Fachjournal „PNAS“. Die Autoren machen deutlich, dass die geistigen Fähigkeiten dieser Frühmenschen in der Vergangenheit womöglich unterschätzt wurden.

Die Zeichen sind mindestens 39.000 Jahre alt

Die Gorham-Höhle in Gibraltar mit Blick aufs Meer ist seit langem als Behausung von Neandertalern bekannt. Die Forscher entdeckten die Gravuren auf einer etwa einen Quadratmeter großen natürlichen Plattform, die rund 40 Zentimeter über dem Niveau des damaligen Höhlenbodens lag. Die unterste Deckschicht über der Gravur datierten sie mit chemischen Analysen auf ein Alter von 39 000 Jahren. Die Symbole selbst müssen also älter sein. Zu der Zeit sei der moderne Mensch noch nicht in dieser Gegend angekommen, schreibt das Team. Die in der Deckschicht gefundenen Werkzeuge werden der „Moustérien-Kultur“ und damit dem Neandertaler zugeordnet.

Fundort. Die Gorham-Höhle in Gibraltar. Hier lebten einst Neandertaler und schufen offenbar auch Kratzmuster im Kalkgestein.
Fundort. Die Gorham-Höhle in Gibraltar. Hier lebten einst Neandertaler und schufen offenbar auch Kratzmuster im Kalkgestein.

© dpa/The Gibraltar Museum/Clive Finlayson

Die Forscher machten selbst Versuche mit Kalkstein, wie er am Boden der Höhle vorliegt. So zerschnitten sie darauf mit spitzen oder klingenförmigen Steinen die Haut eines Schweins. Die dabei entstandenen Rillen unterschieden sich deutlich von den gefundenen Felsgravuren. Diese stellen somit keine Gebrauchsspuren dar, sondern dekorative Muster.

In vollem Bewusstsein: Die Muster sollten offenbar auch andere Bewohner wahrnehmen

Um die tiefsten Rillen zu erzeugen, brauchten die Wissenschaftler mindestens 54 Schläge. Für die acht größeren und fünf kleineren Rillen der Felszeichnung kalkulieren sie insgesamt zwischen 188 und 317 Schläge. „Wir folgern, dass diese Gravuren ein absichtliches Muster darstellen, erdacht, um von seinem Neandertaler-Schöpfer gesehen zu werden und – unter Berücksichtigung seiner Größe und Lage – auch von den anderen in der Höhle“, schreibt das Team.

Der gravierte Kalkstein war überdeckt von Schichten aus Sand und Ton. Den Erkenntnissen der Forscher zufolge wanderten Phosphor- und Manganionen aus der Deckschicht in die oberste Schicht des Kalksteins. Aus dem tieferen Kalk selbst gelangten Magnesium und Kalzium an die Oberfläche. Diese mineralische Härtung des Gesteins habe die Felsgravuren besonders gut konserviert. (dpa)

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