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Zwei Mädchen sitzen im Homeschooling vor ihren Computern.

© imago images/Jochen Tack

Lernhilfen und Leistungsanalysen: Kritischer Blick auf KI in der Schule

Skepsis gegenüber Versprechen von Künstlicher Intelligenz in der Bildung: Eine aktuelle Studie untersucht Risiken und Chancen der KI beim Lernen und Fördern.

Schulen stehen vor zahlreichen Herausforderungen: Lehrkräftemangel, mehr Aufwand in der Schulorganisation, eine heterogene Schülerschaft und nun auch noch die Pandemie, die Schulen besonders hart getroffen hat. Doch KI-gestützte Technologien, die auf Machine Learning, Educational Data Mining oder Learning Analytics basieren, können erhebliche Erleichterungen bringen.

Zu diesem Ergebnis kommt die am Donnerstag veröffentlichte Trendstudie „KI@Bildung“, die im Auftrag der Deutschen Telekom-Stiftung vom mmb Institut Gesellschaft für Medien und Kompetenzforschung in Essen durchgeführt wurde. Beteiligt waren auch Wissenschaftler vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation DIFP.

KI-Technologien bieten in allen Bereichen der schulischen Bildung „erhebliche Potenziale“, konstatieren die Autor:innen. Auf der Ebene der Schulorganisation könnten KI-basierte Managementsysteme für Entlastungen sorgen und zum Beispiel Fehl-, Ausfall- und Vertretungszeiten dokumentieren und analysieren. Was den Unterricht selbst angeht, seien durch die Technologien zum Beispiel neue Prüfungs- und Benotungsformen möglich. Und schließlich eröffneten KI-gestützte Technologien gerade beim individuellen Lernen zahlreiche neue Möglichkeiten.

Die meisten Technologien konzentrierten sich auf das Selbstlernen: Rund die Hälfte der insgesamt 99 deutsch- und englischsprachigen Anwendungen, die für die Studie erfasst wurden, sollen die Schüler:innen beim individuellen Lernen unterstützen und eine Alternative zur klassischen Nachhilfe sein. Dabei dominieren Anwendungen für MINT-Fächer und Fremdsprachen.

Von Lernplattformen über Erfolgsprognosen bis Schulorganisation

Besonders in den USA und in China werden KI-gestützte Technologien für den Schulbereich entwickelt – mehr als die Hälfte der recherchierten Anwendungen sind dort zu verorten. Europa, so die Autor:innen, hinke hinterher – obwohl Deutschland mit insgesamt 13 Anwendungen auf dem dritten Platz landet. Doch weil nur Lösungen in deutscher und englischer Sprache recherchiert wurden, ist dieses Ergebnis verzerrt. So wird zum Beispiel der starke skandinavische Markt komplett ausgeklammert.

Auch wenn sich noch rund ein Drittel der Anwendungen im Entwicklungsstadium befinden, ist die Bandbreite vielfältig. Es gibt Lernplattformen und Kollaborationsnetzwerke, die das Lernverhalten der Schüler:innen beobachten und analysieren, Lernschwächen feststellen und Erfolgsprognosen geben können. Daneben werden Sprach-Assistenzsysteme angeboten, die als Tutor agieren, Lehrer:innen unterstützen und Interventionsempfehlungen geben können – und Organisationsplattformen für die Stundenplanung. Für die Schulorganisation ist die Zahl der Anwendungen noch gering.

Das Potenzial der Technologien sei groß – und teilweise noch ungenutzt, schreiben die Autor:innen. So könnten sie helfen, Schüler:innen mit besonderem Förderbedarf zu unterstützen. Gerade, weil die Schülerschaft immer heterogener werden, was Leistungs- und Sprachniveaus, Förderbedarf, soziokulturelle Unterschiede oder den Nachholbedarf durch die Coronakrise angehe.

Eine Schülerin nutzt auf einem Tablet-Computer die Schul-Cloud Brandenburg.
In den Schulen angekommen sind Lernplattformen und Schul-Clouds - wie hier in Brandenburg.

© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Technologien wie Learning Analytics oder Educational Data Mining könnten individuelle Ansprüche erkennen und vorhersagen. Außerdem sei durch die Systeme jederzeit ein Tutor verfügbar. Die Systeme könnten zudem Lehrer:innen entlasten und unterstützen. So könnten (teil-)automatisierte Assessments und intelligente Prüfungssysteme den Aufwand für Bewertung und Benotung reduzieren. Schulmanagement-Systeme könnten bei der Organisation entlasten und so mehr Zeit für die Betreuung der Kinder schaffen.

Keine belastbare Studie, ob KI das Lernen besser macht

Dennoch gibt es für die Autor:innen noch viele unbeantwortete Fragen beim Einsatz von KI-gestützter Technologie im Bildungsbereich. So gibt es bisher zum Beispiel keine belastbare Studie darüber, ob KI-Technologien das Lernen wirklich „besser“ machen. Auch die Frage der Übertragbarkeit der Anwendungen zwischen einzelnen Bildungssystemen ist nicht geklärt.

Und natürlich spielt auch und besonders im Schulbereich die Frage der Datensicherheit und des Datenschutzes eine große Rolle. Zwar würden Daten, die Basis aller KI-Anwendungen, auf allen Ebenen des schulischen Handelns in großer Menge entstehen. Allerdings stelle sich immer dieselbe Frage: „Welche Daten werden überhaupt gesammelt und wie werden diese algorithmisch verarbeitet, analysiert, ausgewertet, transferiert und interpretiert?“ Auch offene Punkte in Hinblick auf Datenethik und Alogrithmen-Bias müssten diskutiert und geklärt werden.

Letzteres könnte dazu führen, dass Minderheiten durch datengetriebene KI-Verfahren diskriminiert werden. Wenn die Minderheiten in den Datensätzen, mit denen das System trainiert wird, nicht ausreichend repräsentiert sind, würden sie nicht oder nur unzureichend davon profitieren können.

Systeme könnten überholte didaktische Konzepte fördern

Und schließlich fürchten die für die Studie befragten 49 Expert:innen auch, dass KI-Systeme didaktische Konzepte fördern könnten, die aus pädagogischer Sicht eigentlich kritisch zu beurteilen sind, weil sie auf tradierten Wissensvermittlungsmodellen der Vergangenheit basieren. So sei es bei einem Kind, das schon früh sehr gut sprechen kann, eigentlich besser, das Wissen mündlich und nicht textlich zu vermitteln. Eine textbasierte KI ist dann wenig effektiv.

Obwohl 74 Prozent der befragten Expert:innen den Einsatz von KI in der Schule begrüßen, äußern sie sich zurückhaltend. Denn Versprechungen der entwickelnden Unternehmen und Realität würden zu weit auseinanderliegen. Dennoch denken 78 Prozent, dass Lehrkräfte durch die Systeme entlastet würden. Ganze 95 Prozent wünschen sich KI-Unterstützung bei administrativen Aufgaben.

Als wenig wahrscheinlich aber wünschenswert stufen die Expert:innen zentrale KI-Versprechungen wie personalisiertes Lernen, sprachbasierte Assistenzsysteme und automatisches Korrigieren ein. Skeptisch sehen sie KI-basierte Erfolgs- oder Leistungsprognosen – sowohl was die Wahrscheinlichkeit wie auch was die pädagogische Wünschbarkeit angeht.

Expert:innen fordern mehr KI-Modellschulen

Aus ihren Forschungen leiten die Autorinnen etliche Handlungsempfehlungen ab: Es brauche mehr Raum zum Experimentieren, in Erforschung und Entwicklung der Technologien müsse mehr investiert und Räume für ihre praktische Erprobung geschaffen werden, durch die auch wissenschaftliche Evidenz generiert werden könnte. Eine Möglichkeit, zentrale Empfehlungen umzusetzen, wären KI-Innovationsschulen. Erste Ansätze dazu gibt es bereits in Schleswig-Holstein oder Dresden.

Darüber hinaus fordern die Expert:innen, Co-Teaching und Assisted Learning als Leitbilder in den Schulen zu etablieren. KI-Systeme sollten niemals eine ersetzende, sondern nur eine ergänzende Funktion haben, denn überall, wo diese Funktion zum Tragen komme, werde KI angenommen.

Das heiße aber auch, dass die künftige Rolle der Lehrkraft im „engeren Zusammenspiel mit digitalen Technologien“ neu zu definieren sein wird. Wichtig sei, sich nicht von Visionen, sondern konkreten Bedarfen leiten zu lassen.

KI braucht vor allem ausreichende sichere Datenressourcen, nur so können die Anwendungen entwickelt werden. Als möglichen Weg sehen die Autor:innen sogenannte Data Lakes mit anonymisierten und pseudonymisierten Test-Datenbeständen.

In Anbetracht der internationalen Entwicklung gebe es zwei technologische Schwerpunkte, für deren Entwicklung viele Daten benötigt werden: eine intelligente Lerncloud als Infrastruktur und einen Learning Companion als permanent zugänglichen Lern-Assistenten. Um international nicht weiter hinterherzuhinken, brauche es ausreichend Daten, um diese Technologien auch hier zu entwickeln.

Katharina Schneider

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