zum Hauptinhalt
Lisa Pathfinder

© Abb.: ESA/C.Carreau

Lisa Pathfinder: Forscher: Gravitationswellendetektor im All ist machbar

Der Prototyp für einen Detektor übertrifft die Erwartungen der Wissenschaftler. Nun wollen sie ein richtiges Observatorium ins All bringen. 2034 könnte es gelingen.

Ein Gravitationswellendetektor im All – seit Jahren arbeiten Forscher an einem Konzept, um die von Albert Einstein vorhergesagten Stauchungen der Raumzeit im Weltraum messen zu können. Auf diesem Weg sind sie nun einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Die Tests mit dem Satelliten  „Lisa Pathfinder“, der im Dezember gestartet worden war, verliefen besser als erwartet. Davon berichten Forscher jetzt im Fachblatt „Physical Review Letters“.

Die Technologie ist prinzipiell geeignet, um Gravitationswellen, die etwa bei der Kollision von extrem  massereichen Schwarzen Löchern abgestrahlt werden, zu messen. Das soll mit dem Observatorium „Lisa“ (Laser Interferometer Space Antenna) gelingen, das die europäische Raumfahrtagentur 2034  ins All schicken will.

Nachhall vom Crash extrem massereicher Schwarzer Löcher

Das Observatorium funktioniert wie der Gravitationswellendetektor „Ligo“, wo im September 2015 erstmals solche Wellen erfasst wurden. Die Idee: Man misst den Abstand zwischen zwei Punkten mit Hilfe von Lasertechnik extrem genau. Sobald eine ausreichend starke Gravitationswelle durch diesen Teil des Detektors läuft, wird der Abstand minimal verändert. Und zwar wirklich minimal: Eine einen Kilometer lange Strecke wird lediglich um den Tausendstel Durchmesser eines Protons (10 hoch minus 18 Meter) gestaucht.

Mit Ligo gelang der Nachweis auf der Erde, mit Lisa soll es im All gelingen. Dort sollen die „Arme“ des Detektors aber nicht nur wenige Kilometer lang sein, sondern einige Millionen Kilometer. Auf diese Weise können niederfrequente Gravitationswellen erfasst werden, die auf der Erde nicht nachweisbar sind. Solche Wellen entstehen beispielsweise beim Verschmelzen von extrem massereichen Schwarzen Löchern - also solchen Schwerkraftmonstern, die millionenfach mehr Masse haben als die Sonne und auch ein Vielfaches der Masse jener Schwarzen Löcher, denen Ligo auf die Spur gekommen war.

Die Gewichtskraft eines Virus auf der Erde

Ob das technisch überhaupt machbar ist, soll die Sonde „Lisa Pathfinder“ aufklären. Forscher, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und Potsdam (MPI), haben dazu zwei Testmassen in einen Satelliten eingebaut: zwei Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung, je zwei Kilo schwer. Seit Februar kreist die Sonde um den sogenannten „Lagrangepunkt 1“, anderthalb Millionen Kilometer von uns entfernt. Dort heben sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde auf, die beiden Würfel in der Sonde sollten also perfekt frei fallen. Kleine Düsen an der Außenhülle werden immer wieder gezündet, um zu verhindern, dass die Würfel an die Hülle anstoßen, der ganze Satellit folgt der Bahn der beiden Würfel. Derweil misst ein Laserinterferometer kontinuierlich den Abstand zwischen den beiden Testmassen und ihre Ausrichtung zueinander – so wie es in rund 20 Jahren auch im Großen funktionieren soll.

Zumindest im Kleinen arbeitet die Technologie hervorragend, berichten die Wissenschaftler. Demnach schweben die beiden Testmassen im Abstand von 38 Zentimetern nahezu bewegungslos nebeneinander. Die relative Beschleunigung beträgt weniger als ein Teil in zehn Millionen von einem Milliardstel der Erdbeschleunigung, teilt das MPI mit. Für Physiker: Weniger als ein Femto-g. Für alle anderen: Das entspricht etwa der Gewichtskraft eines Virus‘ auf der Erde.

Der ruhigste Ort, den man sich denken kann

„Mit Lisa-Pathfinder haben wir den ruhigsten der Menschheit bekannten Ort geschaffen“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am MPI laut einer Mitteilung. „Die Leistung der Mission ist spektakulär und übertrifft alle Erwartungen bei weitem.“ Die Ergebnisse zeigen, dass die Testmassen frei im Weltall fallen und nur dem Einfluss der Schwerkraft unterliegen. "Die Testmassen schweben extrem ruhig", sagt Alvaro Giménez, Esa-Direktor für die Sparte Wissenschaft. Dieses Maß an Kontrolle sei nötig, um niederfrequente Gravitationswellen künftig mit einem Observatorium im Weltall zu detektieren.

Danzmann zufolge hat Lisa Pathfinder demonstriert, dass die Schlüsseltechnologien für einen solchen Detektor verfügbar sind. Damit scheint der Bau eines Gravitationswellenobservatoriums machbar zu sein. Geld und politischen Willen vorausgesetzt, könnte es schon morgen losgehen, zitiert die "Deutsche Welle" den MPI-Direktor. Allerdings steht sein Vorhaben in Konkurrenz zu anderen Weltraumprojekten. Als nächste große Mission ist "Athena" ausgewählt. Dabei soll ab 2028 Hochenergie-Astrophysik betrieben werden, um beispielsweise heiße Gaswolken und Schwarze Löcher genauer zu erforschen. Die Gravitationsphysiker rechnen damit, dass die Esa im Lauf dieses Jahres entsprechende Missionskonzepte für Lisa anfordert und 2020 darüber entscheidet.

Lisa Pathfinder wird noch mindestens drei Monate weiter arbeiten. Nachdem das Technologie-Paket getestet wurde, soll in den nächsten drei Monaten das „Disturbance Reduction System“ des Jet Propulsion Laboratory der Nasa getestet werden.

Zur Startseite