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Auf die Studienplätze. Nur 23 Prozent der Berliner Studierenden sind an einer Fachhochschule eingeschrieben.

© imago/Schöning

Masse, aber klasse: Was Berliner Hochschulen leisten

Berlins Unis schultern einen Studierendenrekord und sind stark in der Forschung, trotz knapper Kassen. Das geht aus dem aktuellen Leistungsbericht hervor

Knut Nevermann, Staatssekretär in der Berliner Wissenschaftsverwaltung, ist voll des Lobes für die Berliner Hochschulen: „Sie haben sich ungeheuer ins Zeug gelegt“, sagte er am Mittwoch im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Dort befragten die Abgeordneten einige Hochschulvertreter zur Lage. Anlass waren die Leistungsberichte über die Hochschulen, die der Senat dem Parlament regelmäßig vorlegt.

Das aktuell berichtete Jahr ist das Jahr 2012. Es stand im Zeichen des Exzellenzwettbewerbs, in dem die Humboldt-Uni „Exzellenzuni“ wurde und der an die Hochschulen strömenden doppelten Abiturjahrgänge, wie Nevermann sagte. Auch wurde 2012 erstmals das vom früheren Senator Jürgen Zöllner (SPD) eingeführte leistungsbasierte Finanzierungsmodell für die Hochschulen wirksam.

Studierende: mehr und jünger

Schon im Jahr 2012 war mit 160 220 Studierenden in Berlin ein Rekord erreicht. Der damalige Spitzenwert ist inzwischen aber deutlich überboten: In diesem Semester sind in Berlin 171 274 Studierende eingeschrieben, die Masse an staatlichen Hochschulen. Die privaten Hochschulen haben einen Anteil von neun Prozent, die konfessionellen von drei Prozent. Der Anteil der Studierenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist leicht gestiegen, auf 18 Prozent. Bei den Professoren sind es zehn Prozent.

Weil sich die Schulzeit bis zum Abitur verkürzt hat und die Wehrpflicht ausgesetzt ist, verjüngt sich die Studierendenschaft. In Berlin sind inzwischen 19 Prozent der Studierenden unter 19 Jahre alt – im Jahr 2005 traf das nur auf zwei Prozent zu. Die Zahl der minderjährigen Studierenden stieg von 17 auf 248.

Die vielen zusätzlichen Studierenden schultern vor allem die Fachhochschulen. Die Zahl ihrer Studierenden stieg seit 2005 von 26 000 um 40 Prozent auf 36 382. An den Universitäten waren dagegen nur 1536 Studierende mehr eingeschrieben als im Jahr 2005 – insgesamt 94477. – An den Berliner Unis sind demnach 63 Prozent aller Studierenden eingeschrieben, an den Fachhochschulen nur 23 Prozent. Der Wissenschaftsrat kritisiert dieses bundesweit herrschende Verhältnis seit vielen Jahren und würde es gerne zugunsten der Fachhochschulen umgedreht sehen – glaubt aber inzwischen selbst nicht mehr daran, dass dies jemals geschehen wird. In Berlin gibt es dafür jedenfalls keine Anzeichen.

Nicht alle Studierenden spielen Geld ein

Trotz der Zuwächse: Die Berliner Hochschulen konnten die Vorgaben des Senats, die Zahl der Studienanfänger bis zum Jahr 2012 um 6000 zu steigern, nur zu 90 Prozent erfüllen, die FHs verfehlten das Ziel um 20 Prozent. Also gibt es weniger Geld vom Land. Klaus Semlinger, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft, kritisierte den Mechanismus.

Der Senat berücksichtigt bei seinen Vorgaben ausschließlich Studierende im ersten Hochschulsemester. Die vielen Studierenden, die die Hochschulen erst nach ihrem ersten Hochschulsemester aufnehmen, werden nicht mitgezählt. Dabei dürfen die Hochschulen sie bei der Zulassung nicht „diskriminieren“, wie Semlinger sagte. Also müssten die Hochschulen ihre Plätze „dramatisch überbuchen“, um ihre Halteverpflichtung zu erfüllen. An den Fachhochschulen, wo schon Anfänger in Projekten und Laboren arbeiten sollen, sei das ein Problem. Lasse man die Kurse trotzdem überlaufen, sei die Erfolgsquote bei den Abschlüssen gefährdet – was der Senat über die Finanzierung ebenfalls sanktioniert. Auch die FU sieht in dem System „ein massives Problem“, teilte ihr Sprecher Goran Krstin auf Anfrage mit. Nur durch „eine erhebliche Überlast“ sei die Halteverpflichtung zu erfüllen. Die FU müsse 1,5 Studierende immatrikulieren, um einen Studenten abrechnen zu können.

Berlins Hochschulen hoffen auf ein Sanierungsprogramm

Stau beim Bau

Die Hochschulen haben ihren Sanierungs- und Baustau schon vor zwei Jahren auf zwei Milliarden Euro beziffert – die Senatsverwaltung für Wissenschaft erkennt den Bedarf an. Im Jahr 2012 flossen keine Mittel mehr aus dem Konjunkturprogramm, sondern nur noch gut 44 Millionen Euro vom Land. Semlinger sagte, die Hochschulen müssten das große Loch durch ständige Quersubventionierungen aus den Personalmitteln stopfen. Die Hochschulen hoffen, dass Berlin wenigstens die frei werdenden Bafög-Millionen, die der Bund übernimmt – nämlich 65 bis 85 Millionen – in ein Sanierungsprogramm steckt.

Noch mehr Geld aus Drittmitteln

Im Jahr 2012 wurden rund 1, 2 Milliarden Euro über die Hochschulverträge verteilt (ohne Mittel für Baumaßnahmen). Zu den Unis flossen davon 63 Prozent, an die Charite 15 Prozent, an die Fachhochschulen 14 Prozent und an die künstlerischen Hochschulen acht Prozent.

Die Zuschüsse des Landes an die Hochschulen wachsen nur langsam. Aber Berlins Professorinnen und Professoren werben inzwischen doppelt so viele Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus Bund-Länder-Programmen ein wie noch im Jahr 2005, nämlich fast 318 Millionen Euro (ohne Charité).

Also sinkt der Finanzierungsanteil des Landes: Im Jahr 2005 lag er noch bei 76 Prozent aller Einnahmen, 2012 nur noch bei 62 Prozent. Der Anteil des Personals, das aus Drittmitteln finanziert wird, liegt bei den Universitäten bei 47 Prozent – also doppelt so hoch wie im Vergleichsjahr 2005. Der Bericht kritisiert die wachsende Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Auch inhaltlich sei die Fixierung auf Drittmittel ein Problem: Was erforscht werde, werde immer stärker von der Projektförderung bestimmt.

Wolfgang Abramowski, Kanzler der UdK, lenkte das Augenmerk der Abgeordneten auf die umstrittene neue Berliner Professorenbesoldung. Sie schwäche den Standort bei den Berufungen. Lars Oberg von der SPD wollte dies mit Beispielen belegt wissen. HTW-Präsident Semlinger berichtete daraufhin von Fällen, in denen Hochschulen in Bayern oder Baden-Württemberg interessante Kandidaten mit einem um 1000 Euro höheren Einstiegsgehalt und einer Zusage über 100 000 Euro für die Laborausstattung abgeworben hätten.

Professoren privilegieren den Master

An den Unis sind 68 Prozent der Studierenden im Bachelor eingeschrieben und 21 Prozent im Master. Trotzdem gibt es deutlich weniger Bachelorstudiengänge (nämlich 333) als Masterstudiengänge (nämlich 409 konsekutive, 87 weiterbildende Masterstudiengänge). Der Bericht kritisiert: „Die Diversifizierung des Lehrangebots hat aus Sicht der Kapazitätsplanung bereits ein kritisches Maß erreicht.“ Mit anderen Worten: Viel Personal wird für wenige Studierende im Master gebunden – die Professoren bevorzugen nun einmal fortgeschrittene Studierende. Gleichzeitig klagen sie allerdings regelmäßig über die Überlast im Bachelor. Der Student Philipp Bahrt, der für die Landes-Astenkonferenz sprach, sagte, im Bachelor gebe es wegen des gut ausgebauten Masters weniger Angebote zur Auswahl und größere Gruppen.

Die Senatsverwaltung schätzt, dass 58 Prozent der Berliner Bachelorabsolventen ins Masterstudium ihrer eigenen Uni wechseln (bei den FHs 29 Prozent).

Professorinnen haben höhere Chancen auf schlechter ausgestattete Stellen

FH-Studierende sind schneller fertig

Studierende an FHs kommen im Schnitt weit schneller zum Abschluss: 62 Prozent bleiben im Bachelor in der Regelstudienzeit (Master: 57 Prozent). An den Unis beenden nur 30 Prozent den Bachelor (wie auch den Master) in der Regelstudienzeit – unter den Lehramts-Bachelors schaffen das immerhin 40 Prozent (im Master 42 Prozent). Innerhalb der Regelstudienzeit plus zwei Semester kommen an den Unis 78 Prozent zum Abschluss, an den FHs aber 93 Prozent. Der Student Bahrt sieht die Ursachen nicht zuletzt in der „schleppenden Verwaltung“. Studierende könnten Fristen dann oft nicht einhalten.

Professorinnen: Seltener berufen, schlechter ausgestattet, häufiger befristet

Trotz mancher Anreize der Berliner Politik wurden wieder weniger Frauen auf Lebenszeit-Professuren berufen: Im Jahr 2012 lag ihr Anteil an den Berufenen an Unis bei 29 Prozent – deutlich unter dem im Vergleichsjahr 2005: 38 Prozent. An die Charité wurde 2012 keine einzige Professorin berufen. Höhere Chancen haben Frauen auf befristete Professuren: Hier lag ihr Anteil bei 43 Prozent.

Insgesamt ist der Anteil von Frauen bei den schlechter dotierten und schlechter ausgestatteten Professuren W2/C3 höher (30 Prozent) als an den besser ausgestatteten W3/C4 -Professuren (20 Prozent). „Alle Maßnahmen zur Chancengleichheit müssen deshalb künftig stärker als bisher darauf abzielen, Frauen auf W3/W2-Lebenszeitprofessuren zu berufen“, heißt es in dem Bericht.

Insgesamt kommt die Senatsverwaltung zu dem Schluss, es gelte, „die gute Entwicklung“ „fortzuführen“.

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