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Der Maya-Kalender.

© AFP/TSP

Maya-Kalender: Alles zurück auf null

Der 21. Dezember ist ein wichtiger Tag im Maya-Kalender. Auch wenn die Welt vermutlich nicht untergehen wird, lohnt sich ein Blick auf die Zeitrechnung der alten Völker. Sie zeigt, wie weit entwickelt diese Kultur einst war.

Der 21. Dezember dieses Jahres wird von vielen als Schicksalstag erachtet. Manche fürchten, die Welt werde untergehen. Sie berufen sich auf die Kalender der Maya, wonach an diesem Tag mehrere Zeitabschnitte zugleich enden. Dass damit das Ende der Menschheit verbunden ist, ist kaum denkbar. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Zeitrechnung der alten Völker Mittelamerikas: Bereits vor Jahrtausenden schufen sie ein System von drei ineinandergreifenden Kalendern, die auf eines tiefes Empfinden für Wiederkehr und Rhythmus schließen lassen.

Am 21. Dezember endet ein Maya-Jahr à 360 Tage (Ende eines „Tuns“). Es ist aber auch das Ende des laufenden „Katuns“, in dem je 20 Maya-Jahre zusammengefasst sind, sowie das Ende des laufenden „Baktuns“ (400 Maya-Jahre). Da das dreizehnte Baktun vollendet wird, lautet das Datum an diesem Tag gemäß der „Langen Zählung“ 13.0.0.0.0. Von links nach rechts gelesen heißt das: der nullte Tag, im nullten Monat von 20 Tagen, im nullten Tun von 360 Tagen, im nullten Katun, beim abgeschlossenen 13. Baktun. Gleichzeitig wird der Kalender wieder auf null zurückgesetzt, womit der 21. Dezember den Anfang einer neuen Ära einläuten wird.

Ein sehr seltenes Ereignis – aufgrund der unterschiedlichen Zahl der „Zähne“ an den Rädern der Zeiteinheiten stehen sie nur alle 1 872 000 Tage zugleich auf null. Das sind immerhin 5128 Jahre.

Es gibt viele Kulturen auf der Welt mit eigenen Kalendern, aber kaum eine davon hat, wie die alten Völker Mittelamerikas, ihre Epochen mit einem „Verfallsdatum“ versehen. Die Olmeken haben die Lange Zählung vor mehr als 2000 Jahren erfunden. Diese wurde von den Mayas übernommen, zusammen mit der numerischen Basis 20 für mathematische Berechnungen, mit der an das Zehnersystem gewohnte Europäer erst einmal Schwierigkeiten haben. Der Beginn des gerade noch aktuellen Zeitalters wurde aus noch unbekannten Gründen auf den 11. August 3114 vor Christus gelegt (nach dem Gregorianischen Kalender).

Jener Tag null ist aber nicht mit der Schöpfung des Universums gleichzusetzen, denn bezeichnend für die Maya war ihr zyklisches und wiederkehrendes Verständnis der Zeit. Vor unserem Zeitalter hat es ihrer Mythologie zufolge andere Welten gegeben, in denen andere Götter und Geschöpfe gelebt haben. Das vorherige Zeitalter ist auch an einem 13.0.0.0.0 abgeschlossen worden – und gleichzeitig fing unsere Welt wieder bei null an. Seltsam: Die Mayas haben Zeiteinheiten ab null gezählt, zum Beispiel von Tag 0 bis Tag 19 und vom Monat 0 bis Monat 17. Wir zählen dagegen Wochen, Monate und Jahre stets ab eins.

Die Mayas waren hervorragende Astronomen. Viele ihrer Bauwerke haben Orientierungen, die der direkten Beobachtung der Himmelsereignisse dienten. In Dzibilchaltún auf der Halbinsel Yucatán zum Beispiel gibt es einen Tempel, bei dem die Sonnenstrahlen durch eine Öffnung exakt auf eine Säule scheinen – aber nur am Frühlings- und Herbstanfang. In Chichén Itzá gibt es das Observatorium „Caracol“, ein rundes Bauwerk mit regelmäßigen Öffnungen in den Wänden. Durch diese konnten Himmelsereignisse präzise aufgezeichnet und mit dem Kalender in Verbindung gebracht werden. Mayapriester haben durch solche über Generationen laufenden Beobachtungen nicht nur die beste Zeit für die Aussaat, sondern sogar Sonnen- und Mondfinsternisse vorhergesagt. Die Ergebnisse wurden auf Rindenpapier gemalt oder in Stein gemeißelt festgehalten.

Die Mayas benutzten allerdings nicht einen, sondern gleich drei Kalender. Jeder davon hatte eine andere Funktion und deswegen war ein Mayadatum eine Triade. Es gab als Erstes das „Tzolkin“, einen Ritualkalender mit nur 260 Tagen (13 Monate à 20 Tage). Diese wurden nacheinander gezählt, nach dem Ende eines Zyklus ging es wieder von vorne los. Dazu gab es den „Haab“, einen Kalender mit 365 Tagen. Tzolkin und Haab bewegen sich synchron – die Tageszählung in beiden Kalendern greift ineinander wie Zahnräder in einer Maschine.

Es ist ein ungelöstes Rätsel, warum die Maya den 260-Tage-Kalender verwendet haben. Es gibt kein astronomisches Ereignis mit genau dieser Periodizität. Es sei denn, man folgt Archäologen wie Vincent Malmström, die eine Verbindung zum Höchststand der Sonne genau bei der geografischen Position der antiken Stadt Izapa sehen. Zwischen dem Sonnenhöchststand dort im August und Mai liegen exakt 260 Tage. Plausibler ist aber die Theorie, die in den 260 Tagen die Dauer einer Schwangerschaft sieht. Gezählt ab der ersten ausgebliebenen Periode kommt diese Zahl nah an den heute bekannten Durchschnittswert von 266 Tagen zwischen Befruchtung und Geburt.

Die Zahl 260 ist aber auch das Produkt von 13 und 20. Letztere war die numerische Basis der Maya-Mathematik, während die 13 fast eine magische Bedeutung für diese Menschen hatte, die als Astronomen immer „numerologische“ Regelmäßigkeiten suchten.

Während also der Tzolkin eher astrologischen Charakter hatte, war der Haab ein ziviler Kalender mit 365 Tagen. Um 365 in eine angenehme Anzahl von Monaten zu quetschen, gab es 18 davon à 20 Tage, plus fünf „namenlose“ oder „schlechte“ Tage. Alle 52 Jahre kehrten der Tzolkin und der Haab zur gemeinsamen Anfangsposition zurück, eine „Kalenderrunde“, die in Mesoamerika als wichtiges und gefürchtetes Ereignis zelebriert wurde.

Das war aber noch nicht alles. Ein weiterer Zyklus war wichtig. Durch die Himmelsbeobachtung wussten die Maya, dass die Erde, die Venus und die Sonne alle 584 Tage etwa auf einer Linie liegen. Durch die schiefe Bahn der Venus gibt es aber in den meisten Fällen keinen „Venus-Durchgang“, wie zuletzt einer im Juni zu sehen war. Das Erscheinen von Venus als Morgen- oder Abendstern konnten die Mayas aber vorhersagen.

Jetzt stellen wir uns alle diese Kalender und Zyklen in Bewegung vor: Der Tzolkin zählt 13 Monate à 20 Tage. Gleichzeitig zählt der Haab bis 365 Tage und wiederholt sich anschließend. Zur selben Zeit werden die Tage mit der Langen Zählung nacheinander durchgezählt. Darüber hinaus läuft der Venuszyklus mit 584 Tagen. Dass die Mayas eine ähnliche Himmelsmaschinerie abstrakt im Sinn hatten, wird durch die Ruinen von Zempoala anschaulich belegt, wo drei Räder aus Stein angefertigt wurden. Sie haben jedoch 43, 13 und 28 „Zähne“, vermutlich für einen weiteren, hier nicht besprochenen Mondkalender.

Jedes vergangene Zeitalter in der Mythologie der Maya enthielt eine besondere Herausforderung. Im ersten Zeitalter gab es keine Menschen. Im zweiten hatten die Götter sie aus Lehm geformt – sie sind bald zerflossen. Im dritten waren die Menschen aus Holz, seelenlos. Erst beim vierten Anlauf (unsere Ära) gelang es, die heutigen Menschen aus Mais zu gestalten. Mit dem Neuanfang ab dem 21. Dezember hat die Menschheit Gelegenheit zu zeigen, aus welchem Stoff sie eigentlich gemacht ist.

Der Autor ist Professor für Informatik an der Freien Universität Berlin. Noch mehr Wissenswertes über die Maya und ihr Kalendersystem ist in seinem Vortrag an der Berliner Urania (19. Dezember, 19.30 Uhr) zu erfahren.

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