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Ausnahme. Kanzlerin Merkel ist omnipräsent. Über Ministerinnen dagegen wird weniger berichtet als über männliche Kollegen (im Bild links Annette Schavan). Foto: Davids

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Medienpräsenz: Spitzenfrauen sind kaum sichtbar

Publizistinnen aus Berlin und Lüneburg haben das Bild weiblicher Führungskräfte in den Medien untersucht. Das Ergebnis: Über Ministerinnen wird weniger berichtet als über männliche Kollegen. Und nach wie vor dominieren dualistische Geschlechterbilder.

Frauen in Spitzenpositionen sind noch immer in der Minderheit – ein oft angeprangerter, altbekannter Zustand. Eine weniger bekannte Größe ist der Umgang der Medien mit diesem Missverhältnis. Angela Merkel steht von Amts wegen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die aktuelle Studie „Spitzenfrauen im Fokus der Medien“ der Freien Universität Berlin und der Leuphana-Universität Lüneburg zeigt jedoch, dass die mediale Omnipräsenz der Bundeskanzlerin eine Ausnahme darstellt. Verglichen mit ihren männlichen Kollegen sind Frauen in Spitzenpositionen in den Medien unterrepräsentiert.

Gesichtet haben die Forscherteams um Margreth Lünenborg und Jutta Röser überregionale Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehmagazine aus dem Jahre 2008. Weiblichem Personal in Wissenschaft und Wirtschaft sind elf Prozent respektive vier Prozent der Berichte gewidmet. Weitaus höher ist die Quote in der Politik: 30 Prozent der Mediennennungen beziehen sich auf Spitzenpolitikerinnen. Beeinflusst ist diese Zahl jedoch vom „Merkel-Faktor“: Mehr als die Hälfte aller Nennungen entfallen allein auf die Kanzlerin. Damit sei sie „die mit Abstand am häufigsten genannte Person – und dies sowohl im Vergleich zu Politikerinnen wie auch zu Politikern“. Interessant ist Merkel aufgrund ihrer Position, nicht weil oder obwohl sie eine Frau ist.

Bei anderen Spitzenpolitikern scheint das Geschlecht durchaus von Bedeutung zu sein; über weibliche Bundesminister wird grundsätzlich weniger berichtet als über männliche. Bei der ehemaligen Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul mag das an der weitgehend skandallosen Arbeit in einem Ressort gelegen haben, das selten oben auf der politischen Agenda steht, vermutet die Forschergruppe. Doch auch die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, zuständig für ein stark beachtetes Ressort, wird weniger genannt als jeder ihrer männlichen Kollegen. Deshalb bezweifeln die Forscher, „dass fachliche Gründe diese Rangfolge verursachen“.

Frauen werden ebenso wie Männer in Führungspositionen in den Medien als kompetent und handlungsfähig charakterisiert, Abwertungen seien Randerscheinungen, heißt es. Doch gleichwohl dominieren weiterhin dualistische Geschlechterbilder. Während man Frauen als „Powerfrau“, „Femme fatale“ oder „Mutter der Nation“ tituliert, sind Vergleiche wie „Löwe“, „Held“ oder „Alphatier“ Männern vorbehalten – „Merkel kann allenfalls Fan sein“, kritisiert Lünenborg.

Ob diese Art der Berichterstattung tatsächlich ein negatives Frauenbild verbreitet, darüber sind betroffene Frauen uneins. Erfolgreiche Forscherinnen würden noch immer wie Ausnahmephänomene dargestellt, sagte Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB, bei der Vorstellung der Studie. Gleichzeitig beobachte sie eine grundsätzliche Deprofessionalisierung in Berichten über Forscherinnen. Ersetze sie etwa in Berichten über sich selbst ihren Namen durch ein männliches Pendant, passten die Zuschreibungen nicht mehr. „Nur weil ich eine Frau bin, schreibt man anders über mich“, kritisiert Allmendinger. Dabei sei es doch irrelevant, ob ein Mann oder eine Frau zu einem Forschungsergebnis kommt. Petra Ledendecker, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, widerspricht: „Wenn über erfolgreiche Managerinnen berichtet wird, ist das Frausein zweitrangig.“ Forscherin Lünenborg hält dagegen, dass es für eine Unternehmerin noch immer leichter sei, auf einer Gala im Abendkleid abgebildet zu werden als bei der Arbeit im Hosenanzug.

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, hat ein Rezept für eine verbesserte Medienpräsenz von Spitzenfrauen. Sie fordert eine 40-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten.Laura Backes

Laura Backes

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