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Bauch

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Medizin: Besseres Bauchgefühl

Bauchweh ist schon für kleine Kinder der Inbegriff des Unwohlseins – und meist nur ungenau zu lokalisieren. Welche neuen Behandlungsmethoden für Magen und Darm gibt es?

Tatsächlich sind die Erkrankungen des Verdauungstraktes ausgesprochen vielfältig. Vor kurzem diskutierten mehr als 11 000 Mediziner beim Europäischen Gastroenterologen-Kongress in Paris darüber, wie man diese Krankheiten besser erkennen und behandeln kann.

Da sind lebensbedrohliche Krankheiten wie Darmkrebs, die anfangs keine Beschwerden machen. Früherkennung ist deshalb besonders wichtig. „Keine Methode ist dabei so erfolgreich wie die Darmspiegelung“, sagte Thierry Ponchon vom Hospital Herriot in Lyon. Doch viele Menschen haben Angst davor, dass die Untersuchung schmerzhaft sein könnte. Auf dem Kongress wurden Fortschritte bei der Technik der Magen- und Darmspiegelung vorgestellt. So sind die Video-Endoskope für die Magenspiegelung deutlich dünner geworden.

Inzwischen kann nicht nur der Dünndarm mit einer Videokapsel untersucht werden, sondern auch für Speiseröhre und Dickdarm laufen Studien mit solchen Kapseln. Sie werden geschluckt und enthalten eine Minikamera, die auf ihrem Weg durch den Verdauungstrakt Aufnahmen macht. Diese werden vom Arzt am Computer ausgewertet. Ein Nachteil der Kapseln, den sie mit allen Verfahren teilen, bei denen keine Geräte ins Körperinnere eingeführt werden: Während der Untersuchung kann kein Gewebe entnommen werden.

Für den oberen Verdauungstrakt benutzt Ponchon heute bei vier von fünf Patienten fünf Millimeter dünne Endoskope, die durch die Nase eingeführt werden. Er ist überzeugt davon, dass sich diese Methode, bei der das Schlucken des „Schlauchs“ leichter fällt, sehr schnell verbreiten wird. Diese Prozedur wird allerdings meist ohnehin durch die Gabe von Beruhigungsmitteln erleichtert.

Jeder Magen-Darm-Spezialist hat Patienten, die über anhaltende Beschwerden wie Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung klagen – obwohl die üblichen Untersuchungsmethoden nichts Auffälliges ergeben haben. „Reizdarmsyndrom“ oder „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS) heißt dann die Diagnose. Die Behandlung setzt bei den Symptomen an, den einen Patienten werden Abführmittel, den anderen Medikamente gegen Durchfall verordnet.

Außerdem wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass das Nervensystem des Verdauungstraktes bei den Betroffenen wohl anders, nämlich deutlich empfindlicher, auf Reize reagiert. Das „Bauchhirn“ geriet auch deshalb in den Fokus der Forscher, weil Medikamente, die gegen Depressionen eingesetzt werden, bei vielen IBS-Patienten ebenfalls helfen – unabhängig davon, ob die Mittel bei ihnen Einfluss auf die Stimmung nehmen.

„Wir werden uns immer mehr klar darüber, dass es einen Dialog zwischen Bauch und Gehirn gibt“, sagte der Neurogastroenterologe Guy Boeckxstaens von der Uni Amsterdam. Johann Hammer von der Medizinischen Universität in Wien berichtete von Studien, für die man Gesunden und IBS-Patienten mit funktioneller Magnetresonanz- oder Positronen-Emissions-Tomografie ins Gehirn schaute, nachdem man ihre Speiseröhre oder ihren Enddarm mit einem Ballon bis zur Schmerzgrenze gereizt hatte. Bei Menschen, die unter dem Reizdarmsyndrom litten, zeigte sich in verschiedenen Hirnarealen tatsächlich bei gleich starkem Reiz eine stärkere Aktivierung.

„Unser Ziel ist es, die Behandlung mit solchen Aufnahmen zu begleiten und sie besser auf den einzelnen Patienten abzustimmen“, sagte Hammer. Schon heute ist für den Magen-Darm-Spezialisten klar, dass auch bei IBS die verschiedenen Areale des Gehirns wie ein Orchester zusammenwirken. Was der oder die Betroffene dann empfindet, sind die ganz verschiedenen Ausprägungen des einen altbekannten Unwohlseins: Bauchweh.

Adelheid Müller-Lissner[Paris]

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