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Medizin: Brustkrebs: Die Bestrahlung schon im Operationssaal nähert neue Hoffnungen

Die gezielte Therapie direkt nach dem Eingriff kann die notwendige Zeit der Behandlung verkürzen

Die Diagnose Brustkrebs ist immer noch ein Schock. Doch viele Frauen wünschen und schaffen es heute, nur wenige nahestehende Menschen einzuweihen und sich für die Behandlung recht kurze Auszeiten zu nehmen. Vor allem nach einer Operation, bei der die Brust erhalten werden kann und nur der Tumor mit einem Sicherheitssaum von gesundem Gewebe entfernt wird, fühlen sie sich recht schnell wieder körperlich gesund. Was in den Wochen danach allerdings unendlich schlauchen kann, sind die Bestrahlungen. Doch sie sind gerade nach brusterhaltenden Operationen meist nötig, um den Erfolg der Therapie zu sichern.

Die Behandlung beginnt meist mit einer Serie von gezielten „Boost“-Bestrahlungen der Region, in der der Tumor saß, und setzt sich mit weiteren Bestrahlungen der gesamten betroffenen Brust fort. Mit einer direkten Bestrahlung des Gewebes im Tumorbett noch während der Operation kann die Prozedur entscheidend abgekürzt werden. Studien zeigen, dass das bei vielen Brustkrebs-Patientinnen möglich ist, ohne dass damit Abstriche bei der Sicherheit verbunden wären. Die Behandlungsempfehlung (Leitlinie) zu Brustkrebs sieht deshalb seit kurzem vor, dass den so behandelten Frauen nach der Operation die Boost-Bestrahlungen erspart werden können. Sie brauchen dann ausschließlich die Bestrahlungen der gesamten betroffenen Brust.

Seit kurzem steht ein Gerät für diese intraoperative Elektronen-Radio-Therapie (IOERT) im Operationstrakt des Helios-Klinikums in Berlin-Buch. Nach Marburg, Köln und Düsseldorf ist Berlin der vierte deutsche Standort für den Linearbeschleuniger.

Die Elektronenstrahlen gelangen hier, noch bevor die Operationswunde verschlossen wird, in die offene Wunde, die Bestrahlungszeit liegt bei wenigen Minuten. Gutes Teamwork zwischen dem Operateur und dem Strahlentherapeuten ist dafür unerlässlich. „Der Finger des Chirurgen leitet sozusagen den Strahl zur Tumorzerstörung“, erläuterte Robert Krempien, Strahlentherapeut im Klinikum, bei der Vorstellung des Verfahrens. Nicht betroffene Körperstrukturen würden dagegen besser geschützt, weil die Strahlung nicht wie bei einer späteren Boost-Behandlung durch gesundes Gewebe geleitet wird. Mit der Methode können auch andere Tumorarten behandelt werden.

Michael Untch, Leiter des Brustzentrums am Klinikum in Buch, hofft, dass die neue Therapie weitere Erleichterungen für Brustkrebs-Patientinnen bringt. „Ich hoffe,, dass wir zumindest die Patientinnen mit einer relativ günstigen Risiko-Konstellation bald nur noch während der Operation bestrahlen.“

Untch berichtet von noch unveröffentlichten Studienergebnissen, die Mut machen. Im Rahmen der Targit-A-Studie wurden 1451 Patientinnen mit relativ kleinen, meist bei der Brustkrebs-Früherkennung (Mammografie-Screening) entdeckten Tumoren nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt. Die Teilnehmerinnen der weltweiten Studie, die der Londoner Brustkrebs-Spezialist Jayant Vaidya leitete, bekamen entweder die Standard-Bestrahlungstherapie nach der Operation oder aber noch im Operationsraum eine einzelne Boost-Bestrahlung – und danach keine weitere Bestrahlung. Das Ergebnis: Zwar hatten die Frauen dieser zweiten Gruppe eine um zwei Prozent erhöhte Rate an wiederkehrenden Tumoren in der betroffenen Brust. Doch schnitten sie zugleich etwas besser ab, was das Überleben betraf. Die Gynäkologen führen das auf die Nebenwirkungen der herkömmlichen Bestrahlung in benachbarten Körperregionen wie Herz und Herzkranzgefäßen zurück, die ihnen erspart blieben. „Diese neuen Daten werden uns sicher in den nächsten Sitzungen der Leitlinien-Kommission beschäftigen“, sagt Untch.

Seit fast 20 Jahren bemühen sich Mediziner darum, die Strahlentherapie von Krebspatienten aus dem „Bunker“ in den Operationssaal zu holen. Erst kürzlich wurden auch Ergebnisse der Paracelsus-Universität in Salzburg in der Zeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ veröffentlicht, für die 87 Patientinnen nach einer IOERT ebenfalls über mehrere Jahre nachbeobachtet wurden. Das Besondere in diesem Fall: Die Frauen gehörten zu einer Gruppe mit etwas höherem Risiko, sie mussten zusätzlich mit einer Chemotherapie behandelt werden. Diese Behandlung mit zellgiftigen Medikamenten hatten sie vor der Operation bekommen. Im OP wurde dann das Tumorbett bestrahlt, im Abstand von einigen Wochen fand die übliche Bestrahlung der ganzen Brust statt. Bei keiner der so bestrahlten Frauen kehrte der Krebs an derselben Stelle zurück.

Nun soll dieses neue Behandlungskonzept unter der Leitung des Teams aus Berlin Buch in einer internationalen Studie bei 1500 Patientinnen zum Einsatz kommen. Es könnte, bei gleicher Sicherheit, noch mehr Patientinnen das Leben erleichtern.

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