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© dpa

Medizin: Masern bleiben ein Problem

Bis 2010 sollte die Infektionskrankheit mithilfe von Impfungen europaweit ausgerottet sein. Das ist nicht mehr zu schaffen. Gerade Deutschland hat einen großen Anteil an der Verzögerung.

Am 8. Mai 1980 war es endlich so weit. Damals konnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verkünden, die Welt von einem großen Killer befreit zu haben: dem Pockenvirus. Durch langjährige, strikte Impfprogramme war das Virus, das nur von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, vom Globus getilgt worden. Seither lagert der Erreger offiziell nur noch an zwei Orten der Welt, einem Labor der amerikanischen Seuchenbehörde CDC in Atlanta und einem Labor ihres russischen Gegenstücks in der Nähe von Nowosibirsk. Ähnlich soll es nach Willen der WHO auch dem Masernvirus ergehen.

Auf dem amerikanischen Kontinent ist das Virus bereits eliminiert, aber in Europa gestaltet sich das Vorhaben schwierig. Wie bereits kurz gemeldet, haben Forscher um den Epidemiologen Mark Muscat nun in der Fachzeitschrift "Lancet" die Maserndaten für die Jahre 2006 und 2007 untersucht. Ihr Ergebnis: Die WHO wird ihr Ziel, Europa bis 2010 masernfrei zu machen, voraussichtlich nicht erreichen. Schuld daran ist die Impfmüdigkeit in einigen europäischen Ländern. Ganz vorne mit dabei: Deutschland.

2006 wurden hierzulande 2307 Masernerkrankungen registriert, nach Rumänien die höchste Zahl in den insgesamt 32 untersuchten Ländern. 2007 waren es zwar nur noch 571 Fälle, damit liegt Deutschland hinter Großbritannien und der Schweiz aber immer noch auf dem dritten Platz. Außerdem zeigen erste Daten für das vergangene Jahr wieder einen Anstieg der Infektionen. So spricht das Robert-Koch-Institut von „bisher 911 Fällen im Jahr 2008“.

Auch die zweite Impfung ist wichtig

Dabei ist die Masernimpfung seit mehr als 20 Jahren Standard – und funktioniert, wie die Forscher in ihrem Beitrag betonen. Denn fast alle Betroffenen waren entweder gar nicht geimpft oder hatten nur die erste der beiden nötigen Dosen bekommen. Die WHO geht davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssen, damit das Virus keine Chance mehr hat, sich auszubreiten. Davon ist Deutschland weit entfernt.

Laut Studie sind in der Bundesrepublik nur rund 70 Prozent der Zweijährigen gegen Masern geimpft. „Wir impfen einfach zu spät“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch Institut. Die Ständige Impfkommission empfiehlt, Kindern im Alter von 11 bis 14 Monaten die erste Gabe des Impfstoffes zu verabreichen. Vor dem zweiten Geburtstag sollte dann die zweite Dosis folgen. Viele Kinder werden aber erst später geimpft.

Reisende bringen die Krankheit in andere Regionen

„Ein großer Teil der Eltern vergisst die Impfung aber auch ganz“, sagt Glasmacher. Dass sie ihre Kinder damit einer Gefahr aussetzen, sei vielen Eltern nicht klar. „Wir müssen die Masern wieder ernst nehmen“, sagt auch Mark Muscat, der die Studie geleitet hat – und weist auf die Spätfolgen hin: „Einer von 1000 Erkrankten bekommt eine Gehirnentzündung, und daran stirbt dann etwa jeder Fünfte.“ Im Untersuchungszeitraum starben in Europa sieben Menschen an den Folgen ihrer Masernerkrankung. Dass manche Eltern ihre Kinder aus Angst vor Nebenwirkungen nicht impfen lassen, kann Glasmacher nicht verstehen: „Die Nebenwirkungen der Impfung werden hemmungslos überschätzt.“

Nicht nur in Europa selbst fordert die niedrige Impfrate Opfer. Durch Reisende kann die Krankheit auch in andere Regionen geschleppt werden. In einem Kommentar, der die Studie begleitet, schreiben die Immunologen Jaques Kremer und Claude Muller, dass der Import von Masern aus Europa schon mehrere Ausbrüche in Südamerika hervorgerufen habe. In Ländern außerhalb Europas ist die Sterblichkeit bei Masernerkrankungen aufgrund der schlechteren Gesundheitsbedingungen allerdings deutlich höher als hierzulande. Die WHO schätzt, dass 2007 weltweit 197 000 Menschen an Masern gestorben sind. Eine Ausrottung der Masern in Europa wäre daher auch für den Rest der Welt eine gute Nachricht.

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