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Prototyp. Diese poröse Struktur haben die Forscher mit einem 3D-Drucker hergestellt.

© Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung

Medizintechnik: Knochenersatz aus dem Drucker

Berliner Wissenschaftler entwickeln Keramikstrukturen, die der Körper abbauen kann. Diese könnten einmal helfen, Knochenverletzungen zu behandeln.

Die Chirurgen arbeiten konzentriert:

Der Patient hat eine schwere Knochenverletzung. Direkt im Operationssaal wird die schadhafte Stelle gescannt und die Abmessungen des „Ersatzteils“ im Computer berechnet. Ein angeschlossener 3D-Drucker bringt den benötigten Knochenersatz nach kurzer Zeit hervor, die Ärzte setzen ihn umgehend ein. Wunde verschließen, Reha, Patient gesund. So stellen sich Wissenschaftler von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin einen möglichen Einsatz ihrer neuen Technik vor.

Das Team um Cynthia Gomes hat eine Methode entwickelt, um individuelle Knochenersatzgerüste herzustellen. Dazu wird ein Keramikpulver in einem 3D-Drucker Schicht für Schicht aufgetragen und an vorher festgelegten Punkten mithilfe eines Spezialklebers fixiert. Neben den Klebestellen bleibt das Pulver ungebunden und kann entfernt werden. Damit die räumliche Struktur entsprechend stabil ist, wird sie noch bei rund 1000 Grad Celsius gebrannt.

An „Knochen aus dem Drucker“ arbeiten weltweit mehrere Forscherteams. „Im Gegensatz zu anderen Werkstoffen wird das von uns entwickelte Material doppelt so schnell vom Körper resorbiert“, sagt Gomes. „Das heißt, es regt die Bildung von neuer Knochensubstanz an und wird bald von ihr ersetzt.“ Innerhalb von 24 Wochen sei das künstliche Knochensubtrat „verschwunden“. Der Prototyp ist wie das Vorbild aus der Natur porös. „So können die Zellen rasch in das Implantat hineinwachsen“, sagt die Forscherin. Je nach Anwendung soll die Porosität individuell eingestellt werden.

Bevor man ernsthaft über einen Einsatz im Menschen nachdenken kann, sind noch einige Entwicklungen nötig. Derzeit testen die Wissenschaftler, wie gut löslich die Keramikteile sind. Sie verwenden dafür eine künstliche Körperflüssigkeit. Später sollen auch Zellzüchtungen auf dem künstlichen Knochengerüst erfolgen. In fünf Jahren könnte das neue Material erstmals bei Menschen eingesetzt werden, sagt Gomes.

Das verwendete Keramikpulver – ein Kalzium-Phosphat-Gemisch – wurde am Institut entwickelt. Seit 20 Jahren wird dort eigenen Angaben zufolge bereits an solchen Werkstoffen gearbeitet. Ihr Einsatz in 3D-Druckern ist ein relativ junges Forschungsgebiet. Bei dem neuen Verfahren der „additiven Fertigung“ wird bisher vor allem mit Metallen und Kunststoffen experimentiert. Keramiken hingegen sind laut BAM noch nicht sehr verbreitet.

Keramische Ersatzknochen, wenn sie denn einsatzfähig sind, haben einen großen Vorteil: Sie sind in gewissen Grenzen elastisch und müssen nicht wieder entfernt werden, wie Schienen aus Metall, die immer Fremdkörper bleiben. Allerdings gibt es bereits solche Implantatmaterialien. Sie werden aus menschlichem Spendergewebe – beispielsweise Knochen – hergestellt. „Was das Einwachsen und Einheilen betrifft, sind die die synthetischen Knochenersatzmaterialien bislang noch nicht so gut wie biologisches Material“, sagt Hans-Joachim Mönig, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Zell- und Gewebeersatz in Berlin, das humane Implantate herstellt. Er sieht in den neuen Materialien daher vorerst keine Konkurrenz.

Doch das kann sich ändern. Mönig zufolge gibt es schon heute in Deutschland einen Mangel an Gewebeimplantaten. Werden die synthetischen Knochen besser, könnte es eng werden für die Bio-Substrate.

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