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Knappe Kasse. Bildungsministerin Wanka muss so viel sparen, dass dies sogar vom Rechnungshof kritisiert wird. Wissenschaftsmanager sehen die Lage mit Sorge.

© dpa

Mehr ist weniger: Wankas Rekordhaushalt muss sparen

Das Bundesbildungsministerium hat den höchsten Etat aller Zeiten. Wie kommt es dann, dass Professoren Kürzungen bei Projekten beklagen?

Eigentlich müssten Freunde der Wissenschaft in dieser Legislaturperiode viel Anlass zur Freude haben. Neun Milliarden Euro mehr für Bildung und Wissenschaft will die Bundesregierung ausgeben. Einen Haushalt der Superlative für das Bundesbildungsministerium beriet der Bundestag am Donnerstag. Und ein weiterer Höhepunkt steht bevor: Die große Koalition will in Kürze die von den Hochschulen lang ersehnte Grundgesetzänderung auf den Weg bringen, durch die weitere Millionen zu winken scheinen. „Wir haben die Chance, Zukunft zu gewinnen“, erklärte denn auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei der Haushaltsdebatte am Donnerstag.

Und doch haben die Wissenschaftsmanager ihre Erwartungen inzwischen heruntergeschraubt. Denn trotz des Rekordetats von über 15 Milliarden Euro hat Wanka kaum Spielräume. Sie muss sogar sparen. Schon beklagen sich Uni-Kanzler darüber, dass das Ministerium überraschend Projektmittel kürzt oder aufschiebt. So viel muss Wanka sparen, dass es sogar dem sparfreundlichen Bundesrechnungshof zu viel wird.

In einem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, beklagen die Rechnungsprüfer, dass Wanka – wie bekannt ist – im kommenden Jahr eine globale Minderausgabe von fast 480 Millionen Euro durch Kürzungen umsetzen muss. „Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass dies möglich ist“, stellen die Prüfer fest. Mehr noch: Wegen der fehlenden Spielräume in Wankas Haushalt sehen sie das Parlament entmachtet. Die Beamten im Ministerium und nicht die Haushälter würden nun über die Bildungspolitik der Regierung entscheiden, „in bedenklichem Ausmaß“ würden Entscheidungen auf die Exekutive verlagert.

Wanka selbst hat am Donnerstag erklärt, noch abzüglich der Kürzungsvorgabe werde sie 1,2 Milliarden Euro „cash“ mehr im Topf haben. Was Wanka aber nicht sagte: Diese Mittel sind festgelegt, gespart werden muss darum trotzdem. Möglich ist das nur bei den wenigen nicht schon gebundenen Mitteln, etwa in der Förderung von Forschungsprojekten. Wissenschaftsfunktionäre beobachten die Lage auch sonst sorgenvoll. Dort, wo Mittel aus den neuen neun Milliarden in die Wissenschaft fließt, handelt es sich meist um die Fortsetzung vor Jahren beschlossener Programme wie den Pakt für Forschung oder den Hochschulpakt. Dort, wo es etwas wirklich Neues gibt, könnten die Effekte bei der Wissenschaft kaum ankommen.

Problem Bafög-Deal

Die Bundesregierung hat den Ländern ihren Anteil an den Bafög-Zahlungen von den Schultern genommen. Sie sollen die freigewordenen Mittel – 1,17 Milliarden jährlich – für Schule und Hochschule ausgeben. Doch rechtlich sind die Länder dazu nicht verpflichtet. Inwiefern sie sich sonst gebunden fühlen, ist unklar. Jedenfalls scheinen sie an dem Beschluss nicht umfassend beteiligt gewesen zu sein, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linken im Bundestag nun nahelegt. An der entscheidenden Sitzung im Mai hätten die drei Vorsitzenden der Regierungsparteien und von den Länderchefs nur Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz teilgenommen, teilte die Bundesregierung mit.

Die Länder sind zu nichts verpflichtet

Niedersachsen hat bereits erklärt, ihm seien die Kitas wichtiger als Schulen oder Unis. In anderen Ländern ziehen die Hochschulen gegenüber den Schulen den Kürzeren. Und in Berlin sollen die Kosten, geht es nach dem Finanzsenator, nur zur Abfederung des ohnehin steigenden Bildungshaushalts verwendet werden.

Mehr Grundfinanzierung für die Hochschulen verspricht der Koalitionsvertrag. War es das schon? Die Wissenschaft hätte sich etwas mehr Verbindlichkeit gewünscht. Hätte der Bund die Länder im Gegenzug nicht verpflichten können, sich an den Nebenkosten von Projekten, dem „Overhead“, zu beteiligen?

Problem Overhead

Seit dem Jahr 2007 hilft die Bundesregierung den Hochschulen bei den Nebenkosten für eingeworbene Forschungsprojekte. Das eingeworbene Projekt verschlingt Energie sowie Ressourcen in der Verwaltung, also Grundmittel. Damit die Hochschulen sich nicht „zu Tode siegen“, schießt der Bund eine 20-prozentige Programmpauschale zu. Diese Mittel können die Hochschulen recht flexibel einsetzen – was die Finanzspritze bei ihnen besonders beliebt macht. Mehrere Millionen fließen in die Haushalte forschungsstarker Unis. Da 20 Prozent die tatsächlichen Nebenkosten nicht annähernd abdecken, spekulierte die Wissenschaft lange auf eine Erhöhung auf 40 Prozent. Dafür gab es auch genügend Signale aus der Politik. Diese Hoffnung ist geplatzt. Der Bund wird bestenfalls bei seinen 20 Prozent bleiben. Dass Wanka die Länder dazu bewegen wird, ihrerseits fünf Prozent zuzuschießen, bezweifeln Insider.

Problem „Pakt für Forschung“

Eine goldene Periode verdanken die außeruniversitären Forschungsorganisationen wie die Helmholtz-Gemeinschaft oder die Max-Planck-Gesellschaft dem „Pakt für Forschung und Innovation“ (hier zu den Unterlagen der GWK) von Bund und Ländern. Geschmiedet unter der rot-grünen Bundesregierung, verschafft der Pakt den Außeruniversitären seit Jahren verlässliche Etatzuwächse, zunächst von jährlich drei Prozent. Wankas Vorgängerin Annette Schavan (CDU) erhöhte dann auf fünf Prozent. Mit diesen üppigen Verhältnissen dürfen die Außeruniversitären nach 2015, wenn die zweite Phase des Pakts ausläuft, nicht mehr rechnen. Die Bundesregierung geht wieder von einer nur dreiprozentigen Steigerung aus. Das ist nicht nichts.

Doch es dürfte bedeuten, dass auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nur noch mit einem dreiprozentigen Aufwuchs rechnen darf. Die im Wettbewerb verteilten DFG-Mittel sind für die unterfinanzierten Universitäten aber immer bedeutsamer geworden. Die Quote der bewilligten DFG-Projekte ist wegen des Ansturms der Antragsteller in wenigen Jahren von 47 auf 31 Prozent gesunken. Auch von der DFG darf sich die Wissenschaft für die kommenden Jahre also nicht zu viel erwarten.

Professoren haben böse Überraschungen erlebt

Während Wanka am Donnerstag ihren Megahaushalt lobte, grämte sich Alf Hamann, Professor am Deutschen Rheumaforschungszentrum und an der Charité, über sein Projekt zur Therapie von Multipler Sklerose. Es wird mit Mitteln aus Wankas Ministerium finanziert. Anders als von Hamann erwartet soll das Geld aber nicht vom September an fließen, sondern erst im kommenden Jahr und auch nur zu etwa sechzig Prozent, wie Hamann sagt. Für die zwei Jahre darauf habe das Minsterium dann wieder mehr Geld eingeplant – doch dann sei das Projekt ja längst beendet: „Wir sollen also einen Kredit aufnehmen“, sagt Hamann. „Das können wir natürlich nicht.“ Sein Partner aus der Industrie leide unter der Kürzung ebenfalls, besonders aber wissenschaftliche Mitarbeiter, die vor dem Nichts stünden. Wie viele Projekte von solchen Kürzungen betroffen sind, konnte das BMBF wegen der Vielzahl der Haushaltstitel am Donnerstag nicht sagen. Doch Hamann hat von mehreren Kollegen gehört, sie hätten unangenehme Überraschungen erlebt.

In Wankas Rekordhaushalt wird nun einmal gespart.

(- mit Antje Sirleschtov)

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