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In einer Turnhalle sitzen Abiturienten und Abiturientinnen an Einzeltischen.

© Felix Kästle/dpa

Update

Mehr Vergleichbarkeit in der Bildung: Hälfte der Abituraufgaben in Kernfächern ab 2021 identisch

Die 16 Länder einigen sich mit einer neuen Ländervereinbarung auf "mehr zentrale Elemente" beim Abitur. Und holen sich Expertinnenrat für bessere Bildung.

„Heute ist ein historischer Tag für die deutsche Bildungslandschaft.“ Stefanie Hubig (SPD), Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin, konnte am Donnerstagnachmittag einen tatsächlich weitreichenden Kompromiss im Bildungsföderalismus bekannt geben.

Die KMK hat bei einer coronabedingt per Videoschaltung abgehaltenen Sitzung eine Ländervereinbarung über „die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ beschlossen. Das seien „wegweisende Entscheidungen, die weit über den heutigen Tag hinauswirken und den Bildungsstandort nachhaltig stärken werden“, sagte Hubig.

Insbesondere das Abitur soll bundesweit einheitlicher gestaltet werden. Zum einen wird geregelt, welche Prüfungsleistungen eingebracht werden können. Künftig werde es nicht mehr möglich sein, „sich durch die letzten Schuljahre durchzumogeln“, sagte Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin in Baden-Württemberg.

Zum anderen werden die Aufgabenpools, die gemeinsam mit den Ländern im Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) für das schriftliche Abitur entwickelt werden, sehr viel verbindlicher.

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Ab 2023 müssen alle Länder in Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen 50 Prozent Aufgaben aus dem Pool entnehmen – und zwar unverändert. Für die naturwissenschaftlichen Fächer gilt das ab 2025.

Mehr Klarheit auch über Schulformen

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) appellierte an seine Kolleginnen und Kollegen, dieses „mutige Versprechen“ der Ländervereinbarung auch einzulösen. Dazu gehört unter anderem, in den höchst unterschiedlichen Bezeichnungen der Schularten mehr Klarheit zu schaffen – konkretisieren will die KMK dies im März 2021.

Porträtbild von Stefanie Hubig.
Stefanie Hubig (SPD), Ministerin für Bildung in Rheinland-Pfalz und Präsidentin der KMK. Hier anlässlich ihres Amtsantritts Ende 2019.

© Arne Dedert/dpa

„Zentralabitur“ will KMK-Chefin Hubig die Vereinheitlichung nicht nennen: „Wir haben aber sehr viel mehr zentrale Elemente beschlossen.“ Es bleibe bei der Regelung, dass Abiturienten ihre Leistungen aus der Oberstufe zu zwei Dritteln ins Abitur einbringen können, betonte Rabe. Nur eben mit einer einheitlicheren Gewichtung etwa der Mathematikkurse.

KMK holt sich Expertinnenrat

Wie wird Bildung in Deutschland besser, gerechter und vergleichbarer? Dabei will sich die KMK künftig auch von Deutschlands führenden Bildungsforschenden Rat holen. Dazu gründet sie eine „ständige wissenschaftliche Kommission“, der auch IQB-Direktorin Petra Stanat angehören wird.

Als Mitglieder nominiert sind außerdem der Vorstand des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der TU München – und damit die aktuelle deutsche Pisa-Chefin Kristina Reiss, der Sprecher der Autorengruppe des Nationalen Bildungsberichts, Kai Maaz (Leibniz-Institut für Bildungsforschung DIPF), sowie der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Steuerungsgruppe für die Bildungsberichterstattung, Harm Kuper (FU Berlin).

[Lesen Sie hier ein Interview mit Pisa-Chefin Kristina Reiss (Tagesspiegel plus): Neue Chance für die digitale Schule]

Insgesamt soll die wissenschaftliche Kommission 16 Mitglieder haben – allesamt „aus der Bildungsforschung und angrenzenden Disziplinen“. Vier gehören dem Gremium qua Amt an, zwölf werden von den Ländern berufen.

Die Ländervereinbarung und die „ständige wissenschaftliche Kommission“ treten an die Stelle des ursprünglich als Leuchtturmprojekt der großen Koalition im Bund vereinbarten Nationalen Bildungsrats.

Er sollte nach dem Vorbild des Wissenschaftsrats aus einer wissenschaftlichen Kommission und einer Verwaltungskommission, in der Bund und Länder vertreten sind, bestehen. Unionsregierte Länder warnten wegen der Einbindung des Bundes jedoch vor „Zentralismus“.

Der Bund ist nicht ganz raus

Im Dezember 2019 hatte sich die KMK dann auf die Einrichtung eines „wissenschaftlichen Beirats der KMK“ geeinigt – jetzt wurde daraus die „ständige wissenschaftliche Kommission“. Diese kann Vertreter der Zivilgesellschaft – etwa aus Elternverbänden und Lehrkräftegewerkschaften –, die dem Nationalen Bildungsrat noch angehören sollten, bei Bedarf „anhören“.

Auch der Bund ist nicht ganz raus: Er wird bei Themen beteiligt, „die Bund und Länder gemeinsam betreffen“. Das Gremium soll mindestens einmal jährlich tagen und Empfehlungen aussprechen, die veröffentlicht werden. Susanne Eisenmann sprach von einem „kraftvollen Gremium“, Ties Rabe erwartet „auch unbequeme Empfehlungen“.

Als rechtliche Grundlage für verbindlichere Absprachen unter den Ländern war lange ein Staatsvertrag im Gespräch, der jetzt zur „Ländervereinbarung“ herabgestuft wurde. Sie löst das Hamburger Abkommen zur „Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens“ der Kultusministerkonferenz von 1964 ab.

Darin sind unter anderem gemeinsame Regeln der Länder zur gegenseitigen Anerkennung von Schulabschlüssen, zu Schulferien, den Schularten und der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen geregelt – über die es aber immer wieder zum Streit kommt.

„Ein Staatsvertrag wäre eine Art Gesetz gewesen“, erklärte Hubig. Die Ländervereinbarung berücksichtige nun, „dass sich die Welt immer wieder verändert“. Sie zeichne sich aber gleichwohl durch eine hohe Verbindlichkeit aus. Die Ergebnisse der KMK-Sitzung zeigten, „dass der deutsche Bildungsföderalismus stark ist“.

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