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Menschliches Embryo geklont: Wohin führt die Forschung?

Amerikanische Forscher haben erstmals ein menschliches Embryo geklont. Trotzdem wird es vielleicht niemals einen Menschenklon geben.

Um die menschliche Embryonen zu klonen und aus ihnen embryonale Stammzellen herzustellen, entkernten die amerikanischen Forscher die Eizellen von Spenderinnen und verschmolzen diese dann mit Zellkernen aus Hautzellen eines Babys. Mit technischen Kniffen gelang es Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health & Science University und seinem Team unerwartet häufig, Stammzellen zu „ernten“. Im günstigsten Fall konnte mit nur zwei Eizellen eine embryonale Stammzell-Linie erzeugt werden. Als besonders hilfreich erwies sich in der Petrischale ein altbewährtes Stimulans: Koffein.

Ist den Forschern ein echter Durchbruch gelungen?

Viele Wissenschaftler bewerten die Ergebnisse als echten Durchbruch. Allerdings dürfte manch ein Forscher noch letzte Vorbehalte haben, denn vor neun Jahren war die Scientific Community auf einen koreanischen Fälscher hereingefallen. Auch dieser hatte behauptet, menschliche Embryonen geklont zu haben. Das stellte sich bald als Fälschung heraus und versetzte das Gebiet in eine Schockstarre. Nur wenige Gruppen versuchten danach noch, menschliche Embryonen zu klonen. Erst wenn andere Biologen Mitalipovs Experimente „nachkochen“ können, gelten sie deshalb als endgültig bestätigt.

Allerdings machte die Forschung 2006 einen Riesenschritt. Damals zeigten japanische Wissenschaftler um Shinya Yamanaka, dass es möglich ist, Zellen von Erwachsenen (adulte Zellen) wieder in einen embryonalen Zustand zurückzuversetzen – ohne aufwendiges und umstrittenes Klonen. Die meisten Forscher setzen auf die von Yamanaka entwickelten induzierten pluripotenten Stammzellen.

Wozu sollen die Klone dienen?

Mitalipov hat ebenso wie alle anderen namhaften Stammzellforscher betont, dass es ihm nicht darum geht, Klone als genetische Kopien bereits existierender Menschen herzustellen. Statt des „reproduktiven“ Menschenklonens steht das „therapeutische“ Klonen zu medizinischen Zwecken im Vordergrund. Die mit dem Verfahren gewonnenen embryonalen Stammzellen lassen sich in ganz verschiedene Arten von Körperzellen weitervermehren, etwa Nerven, Muskel oder Drüsengewebe. Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der regenerativen Medizin tätig sind, hoffen, mit diesen Zellen erkranktes oder zerstörtes Gewebe zu ersetzen. Etwa bei Nervenleiden wie Parkinson (Schüttellähmung), einer Querschnittslähmung, nach einem Herzinfarkt oder bei der Zuckerkrankheit Diabetes. Mitalipov weist darauf hin, dass sein Verfahren insbesondere bei Erkrankungen aussichtsreich ist, bei denen die „Kraftwerke“ der Zellen, die Mitochondrien, defekt sind. Diese Leiden sind selten.

Erste medizinische Erprobungen von Gewebe aus embryonalen Stammzellen beim Menschen gibt es bereits, allerdings noch keine handfesten Ergebnisse oder gar Heilungserfolge. Eine andere Anwendung besteht darin, mithilfe der Stammzellen Krankheiten in der Petrischale zu erforschen und neue Medikamente an den Zellen zu testen. Zum Beispiel kann man Zellen von Parkinsonpatienten mit denen gesunder Menschen vergleichen.

So schnell wird es keine lebenden Menschenklone geben

Wird es jetzt bald lebende Menschenklone geben?

„Bald“ ganz sicher nicht, vielleicht sogar nie. Mitalipov hat Zweifel, dass es jemals gelingen könnte, einen „echten“ Menschen zu klonen. Er sagt, er sei mehr als 100 Mal bei Affen bei dem Versuch gescheitert, eine Schwangerschaft bei einer „Leihmutter“ mit einem geklonten Embryo hervorzurufen. Der Forscher nimmt an, dass jene Zellen des Embryonen, die die Placenta (Mutterkuchen) bilden, unterentwickelt sind. Der Embryo kann sich nicht dauerhaft in der Gebärmutter einnisten. Trotzdem kann es natürlich sein, dass auch diese medizinische Hürde eines Tages aus dem Weg geräumt werden könnte, wie manche andere zuvor.

Wieso gibt es bisher weltweit keine einheitliche Regelung zum Klonen?

Dolly wurde 1996 geboren, es folgten geklonte Rinder, Ziegen, Schweine und Drogenspürhunde. Die Vorstellung, auch die Menschenkopie könnte bald hergestellt werden, löste weltweit Angst aus. In Deutschland gab der Nationale Ethikrat im Jahr 2004 ein klares und einstimmiges Votum gegen das „reproduktive“ Klonen ab: Das Klonen von Menschen sollte weltweit und unbedingt verboten, die Rechtslage im Sinne eines strafrechtlichen Verbots präzisiert werden. „Es gab ein Argument, das alle teilten, das war das Missbildungsrisiko“, sagt der Jurist Jochen Taupitz von der Uni Mannheim, heute Stellvertretender Vorsitzender des Nachfolgegremiums Deutscher Ethikrat.

Wenn die Vereinten Nationen in ihrer Deklaration von 2005 keine wirkliche Klarheit schufen, so liegt das vor allem an divergierenden Auffassungen der Mitgliedstaaten zum „therapeutischen“ Klonen, das der Erzeugung embryonaler Stammzellen gilt: Einige Länder wollten im Doppelpack beides verbieten, Klonen von Menschen und Klonen zur Gewinnung embryonaler Stammzellen. Nach 2004 wurde es möglicherweise auch deshalb stiller um das Thema, weil die Erfolgsmeldungen des Südkoreaners Hwang Woo-Suk sich als falsch herausstellten.

Klärungsbedarf für Deutschland sieht Taupitz derzeit nicht: „Die Rechtslage ist klar, nicht nur das Klonen selbst, sondern auch der Import von embryonalen Stammzellen, die aus Klonversuchen stammen, und die Forschung damit sind verboten. Wenn daraus allerdings in den USA oder anderswo eines Tages Therapien entwickelt werden sollten, dann haben wir ein neues Problem.“

In Deutschland könnte nun neu diskutiert werden

Wie ist die Forschungssituation in Deutschland?

Gerade in der letzten Woche wurde in Berlin das Deutsche Stammzellnetzwerk aus der Taufe gehoben. Es will eine Infrastruktur schaffen, um deutsche Forscher auf diesem Gebiet besser zu vernetzen und Debatten zu ethisch brisanten Themen anzustoßen. Wissenschaftlich gut aufgestellt sei man schon, sagt Andreas Trumpp, Leiter der Abteilung Stammzellen und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Vizepräsident des Netzwerks. Neben den USA, Großbritannien, Kanada und Japan zähle die Bundesrepublik zu den Top Five der Stammzellforschung.

„Eine Studie wie die gerade in "Cell" erschienene wäre allerdings hier in Deutschland rechtlich nicht möglich“, sagt der Stammzellbiologe Daniel Besser vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin, Koordinator des Netzwerks. Auf dem weiten Feld der Forschung mit „adulten“ (Körper-)Stammzellen und mit embryonalen Stammzellen, die vor dem Stichtag 1. Mai 2007 gewonnen wurden, auch auf dem Feld der Krebsstammzellen gibt es jedoch umfangreiche Forschungsaktivitäten. Besser sagt, er halte nichts davon, die verschiedenen Gebiete der Stammzellforschung gegeneinander auszuspielen.

Konrad Kohler, Leiter des Zentrums für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin in Tübingen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Regenerative Medizin, gibt zu bedenken, dass die „Cell“-Arbeit nun auch in Deutschland eine neue Diskussion um die Möglichkeiten des Klonens entfachen dürfte. Der rasante Fortschritt innerhalb der Stammzellforschung in den letzten Jahren habe deutlich gemacht, „dass wir die ethischen Dimensionen dieser Forschung frühzeitig bedenken müssen und nicht warten dürfen, bis die Fakten uns überrollen“.

Wie reagieren Politik und Kirche?

Aus dem Ministerium von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hieß es am Donnerstag, das Kommentieren solcher Forschungsergebnisse überlasse man der Wissenschaft. Die deutsche Rechtslage sei eindeutig und man sehe keinen Anlass, diese neu zu diskutieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur, es sei „ethisch unvertretbar, menschliche Embryonen durch Klonen herzustellen, um sie zur Stammzellgewinnung zu töten“. Auch die Risiken und Belastungen für die Eizellspenderinnen sowie die Bezahlung für die Eizellspende seien ethisch nicht akzeptabel. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, forderte die weltweite Ächtung des reproduktiven Klonens.

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