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Migranten in der Bildungsforschung: Verzerrte Bilder

Eine Studie aus dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zeigt: Die Bildungsforschung hat oft einen zu groben Begriff von Menschen mit Migrationshintergrund - und schlägt Alternativen vor.

Migrationshintergrund und trotzdem eine sehr gute Schülerin? Dass Kinder, deren Eltern über einen hohen Bildungsabschluss verfügen und aus dem Ausland stammen, erfolgreicher sind als sozial Benachteiligte, liegt auf der Hand. Der Bildungserfolg hängt nun einmal maßgeblich von der sozialen Herkunft ab – unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Doch die Ergebnisse von Bildungsstudien sind oft verzerrt, wenn es um Migrantenstatus und Bildungsbeteiligung geht, sagt Cornelia Gresch, Bildungsforscherin vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Gemeinsam mit Cornelia Kristen von der Universität Bamberg hat sie untersucht, wie sich unterschiedliche Definitionen des Migrationshintergrundes auswirken.

Gresch und Kristen plädieren dafür, die Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Schichten und zu verschiedenen Zuwanderergenerationen zu berücksichtigen. Dann zeige sich etwa, „dass türkische Schüler bei gleichem sozialen Hintergrund teilweise sogar besser abschneiden als deutsche“, vor allem, wenn sie der zweiten Generation angehören, schreiben die Forscherinnen in einem Beitrag für die Zeitschrift für Soziologie (3/2011).

Die Forscherinnen arbeiteten mit Daten des Mikrozensus 2005, in dem erstmals detaillierte Angaben zum Migrationshintergrund abgefragt wurden. Der Status der Schüler sollte nicht allein über deren Staatsangehörigkeit bestimmt werden, heißt es. So würden Eingebürgerte und Spätaussiedler den Deutschen zugerechnet, obwohl sie viele Charakteristika mit Zugewanderten teilen, die (noch) nicht Deutsche sind. Das gelte auch für Kinder, die ab 1990 in Deutschland geboren wurden und deren Eltern seit acht Jahren rechtmäßig hier leben. Aber auch die pauschale Kategorie „Migranten“ sei zu wenig differenziert. So hätten Türkischstämmige häufig einen anderen sozioökonomischen Hintergrund und sprachliche Kompetenzen als Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Um zu zeigen, dass Integrationsprozesse für einzelne Gruppen verschieden verlaufen und in den Gruppen wiederum entscheidend ist, welcher Generation die Schüler angehören, sei es sinnvoll, Herkunft und Generation zu verknüpfen sowie die sozioökonomischen Bedingungen zu berücksichtigen, schreiben Gresch und Kristen.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht unterdessen generell „mehr Möglichkeiten zum Aufstieg“ durch Bildung. Auf verschiedenen Stationen des Bildungsweges sei die Beteiligung von Migranten gestiegen, erklärte das IW jetzt. So besuchten nach Daten der Pisa-Studie von 2009 bereits 71 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, länger als ein Jahr einen Kindergarten. Sechs Jahre zuvor waren es nur 59 Prozent. Weil mehr Kinder im Vorschulalter gefördert wurden und sich auch die sprachliche Förderung verbessert habe, schnitten die bei Pisa untersuchten 15-Jährigen mit Migrationshintergrund besser beim Lesetest ab, betont das IW. Wer zu Hause nicht Deutsch sprach, hatte 2009 einen Abstand von 21 Punkten auf seine Mitschüler, 2003 waren es noch 52 Punkte.

Eine weitere Studie zum Schulerfolg von Kindern mit Migrationshintergrund wird jetzt vom BMBF finanziert. Unter welchen Bedingungen schaffen Migrantenkinder, deren Eltern gar keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss haben, den Sprung von der Hauptschule auf die Realschule oder das Gymnasium? Heinz Reinders von der Universität Würzburg will untersuchen, welche Rolle dabei Lernmotivation, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und selbst gesetzte Ziele spielen.

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