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Eine Weintraube wird in der Mikrowelle erhitzt, ein Plasmablitz entsteht.

© Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Mikrowellen-Effekt: Physiker finden Erklärung für Plasmablitze aus Weintrauben

Im Internet war das Experiment schon lange ein Hit, wissenschaftlich allerdings rätselhaft. Jetzt haben Forscher die Lösung – auf die Form kommt es an.

Niemand weiß, wie viele Menschen das Experiment schon selbst gemacht haben. Wie viele in den vergangenen Jahren vor der angeschalteten Mikrowelle gespannt darauf warteten, dass aus zwei Weintraubenhälften ein heller Plasmablitz schießt. Dieser Trick ist schon seit mehr als 20 Jahren bekannt, im Internet gibt es unzählige Videos davon. Bisher hatten Forscher allerdings keine physikalische Erklärung für das Phänomen gefunden. Dem Physiker Aaron Slepkov von der Trent University im kanadischen Peterborough und seinen Kollegen ist dies nun gelungen. Besonders wichtig dafür sind offenbar die runde Form sowie der Wasseranteil der Trauben, wie die Forscher im Fachblatt "PNAS" schreiben.

Die Traubenhaut als Initialzündung?

Normalerweise wird der Trick mit zwei Traubenhälften vorgeführt, die in der Mitte noch durch eine Brücke aus Traubenhaut verbunden sind. Nach ein paar Sekunden in einer handelsüblichen Mikrowelle schießt aus dem Verbindungsstück ein greller Plasmablitz. Plasmen sind Teilchengemische, in denen neben neutralen Atomen auch geladene Teilchen wie Ionen oder Elektronen vorkommen, also freie Ladungsträger.

Die entscheidende Eigenschaft von Plasmen ist ihre elektrische Leitfähigkeit. In bisherigen Erklärungsversuchen des Traubenversuchs, schreiben die Forscher, hätten meist die verbindende Brücke sowie die offenen feuchten Flächen der halbierten Früchte eine Rolle bei der Entstehung des Plasmas gespielt.

Diese Theorie jedoch konnten die Wissenschaftler nicht bestätigen: "Wir stellen fest, dass keiner dieser Bestandteile für die Bildung des Plasmas wesentlich ist."

Hotspots im Miniformat

Das demonstrieren die Forscher in einem begleitenden Video, in dem sie zwei ganze Trauben in die Mikrowelle legen, die sich an einem Punkt berühren. Auch in diesem Fall entsteht nach einigen Sekunden ein Plasma, obwohl es keine Hautbrücke gibt. Um zu zeigen, dass der Effekt nichts mit der spezifischen Beschaffenheit von Weintrauben – etwa deren genauer Zusammensetzung und Form – zu tun hat, wiederholten die Wissenschaftler den Versuch noch einmal mit Hydrogel-Kugeln, die fast zu hundert Prozent aus Wasser bestehen. Wieder kam es zu einem Plasmablitz.

Plasma entsteht zwischen zwei Hydrogel-Kugeln, die in der Mikrowelle erhitzt werden.
Plasma entsteht zwischen zwei Hydrogel-Kugeln, die in der Mikrowelle erhitzt werden.

© Hamza K. Khattak

Dieser stand – obwohl zugegebenermaßen imposant – nicht im Fokus der Forscher, sondern vielmehr dessen Ursprung. Im Fall der beiden halben Trauben etwa fand die "Zündung" nicht in, sondern unterhalb der Hautbrücke statt. Um sie genau zu lokalisieren, mussten sie herausfinden, an welchen Stellen der Trauben sich vor dem Plasmablitz besonders viel Hitze sammelt. Dafür zeichneten Slepkov und seine Kollegen die elektrischen Felder sowohl in der Traube als auch in deren unmittelbarem Umfeld auf: ein extrem anspruchsvolles Unterfangen, da die Größe dieser "Hotspots" noch unterhalb der Wellenlänge von Mikrowellen liegt. Anders gesagt: Sie sind so winzig, dass sie fast nicht zu sehen sind.

Mit Wärmebildkameras und Computersimulationen gelang es den Forschern, die Hotspots dennoch zu lokalisieren. Es zeigte sich, dass sich der Hotspot bei entfernt voneinander liegenden Trauben in der Mitte der Früchte befindet. Verringert man den Abstand zwischen ihnen, verschieben sich die Hotspots in Richtung der jeweils anderen Traube hin. Berühren sich die Trauben, bildet sich an der Kontaktstelle ein Hotspot, der zwar klein ist, aber viel heißer als vorher die Hotspots in der Mitte der einzelnen Früchte. Das erklärt auch, dass in den Experimenten der Forscher nicht die Hautbrücke entscheidend war, sondern dass die beiden Körper sich berührten.

Nötig für den Blitz: eine wässrige Kugel

Nach den Erkenntnissen der Forscher sorgt die sogenannte Mie-Streuung, eine Streuung elektromagnetischer Wellen in runden Objekten, für die Hotspots. Die Trauben fungieren in diesem Fall als Wasserkugeln, die bei einer Frequenz der Mikrowellen von 2,4 Gigahertz besonders in Schwingung geraten. Diese Resonanzen addieren sich, und im Berührungspunkt der Trauben konzentriert sich das elektrische Feld der Mikrowellenstrahlung dermaßen, dass in der Traubenschale vorhandenes Natrium und Kalium teilweise ionisiert und entzündet wird. Die Folge ist der Plasmablitz in der Mikrowelle.

Eine wichtige Rolle spielt auch die dielektrische Leitfähigkeit des Wassers, die anzeigt, wie durchlässig Wasser für elektrische Felder ist. Um zu zeigen, dass der wässrige Inhalt der Körper für die Entstehung des Plasmablitzes entscheidend ist und nicht die Oberfläche, legten die Forscher zwei sich berührende Wachteleier in einen Mikrowellenofen. Es zeigte sich ein Hotspot am Berührungspunkt der Eier. Dieser verschwand, als die Wissenschaftler die Eier durch ein kleines Loch entleerten. Füllten sie sie anschließend mit Wasser wieder auf, war auch der Hotspot wieder da.

Die Erkenntnisse könnten Slepkov und seinem Team zufolge dazu beitragen, Streuungsphänomene im Mikrowellenbereich besser zu verstehen. Konkret nennen sie die Entwicklung neuer passiver Drahtlosantennen sowie Mikrowellenbildgebung mit sehr hoher Auflösung. Es hat sich also gleich mehrfach gelohnt, die Experimente mit Weintrauben und Plasmablitzen noch einmal gründlich nachzumachen – aus rein wissenschaftlicher Motivation, versteht sich. (mit dpa)

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