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Mini-Maschinen: Der Molekül-Koch

Der Berliner Chemiker Stefan Hecht erforscht Mini-Maschinen, die den Computer revolutionieren könnten.

„Klein, aber fein!“, sagt Stefan Hecht lachend. Und fasst damit das Ergebnis seiner Forschungen allgemeinverständlich zusammen. Hecht lehrt Organische Chemie und funktionale Materialien an der Humboldt-Universität in Berlin. Mit seinem Team aus Doktoranden und Studenten forscht der 36-jährige Berliner im Emil-Fischer-Haus auf dem Campus in Adlershof. Für seine Arbeiten mit Molekülen im Nanomaßstab, also im Millionstel-Millimeter-Bereich, erhält Hecht am heutigen Freitag den mit 100 000 Euro dotierten Klung-Wilhelmy-Weberbank- Preis, der im jährlichen Wechsel an herausragende jüngere deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Chemie und Physik verliehen wird.

Hechts Verdienst: Er hat neuartige Moleküle entworfen, hergestellt und ihre Eigenschaften getestet. Der Forscher selbst vergleicht seine Arbeit gern mit dem Kochen, schließlich ist es das, was in den Labors des Instituts oft stattfindet, wenn bunte Flüssigkeiten in Glaskolben in Wasserbädern und auf Heizplatten stehen. „Wir kombinieren Atome in neuer Art und Weise und stellen so Stoffe her, die noch nie jemand anders gemacht hat“, erklärt ein energiegeladener und frisch daher berlinernder Hecht, die Begeisterung für sein Fach ist ihm anzumerken. Das Schöpferische, das „Alchemische“ an seiner Arbeit fasziniert ihn.

Einige der neuen Moleküle haben ganz besondere Eigenschaften. So lassen sich bestimmte Moleküle zu Drähten zusammensetzen, die – in noch unbestimmter Zukunft – beispielsweise den Bau extrem kleiner Computerchips erlauben könnten. Andere von Hecht entwickelte Bausteine verändern ihr chemisches und physikalisches Verhalten, wenn sie mit Licht bestrahlt werden – wie Schalter, die als Transistoren oder Katalysatoren wirken und sehr präzise gesteuert werden können. Außerdem forscht Hecht an einer Möglichkeit, Licht direkt in mechanische Energie, also in Bewegung umzuwandeln, ohne die Energie zwischenspeichern zu müssen. Noch seien viele Fragen unbeantwortet, sagt Hecht, bis die Mini-Maschinen in Serie gehen können, dauert es wohl noch einige Zeit. Er betreibt eben Grundlagenforschung.

Und eine mit großem Potenzial. Die Preisjury würdigt die Arbeit des gebürtigen Köpenickers als „bahnbrechend“. Mit seiner Forschung habe Hecht die Brücke zwischen molekularer Chemie und den Nanowissenschaften geschlagen. Er sei ein Wissenschaftler „mit beeindruckender Originalität, der sich international schon einen großen Namen gemacht“ hat. Bereits 2004 wurde er von der „Technology Review“ des MIT unter die Top 100 Young Innovators gewählt.

Hecht studierte Chemie an der Humboldt-Universität Berlin und an der Universität von Kalifornien in Berkeley, die Zeit dort sei ein „Augenöffner“ für ihn gewesen, erzählt Hecht. Die entspannten Umgangsformen zwischen Lehrenden und Lernenden, aber natürlich auch die internationalen Koryphäen, die an der US-Spitzenuni regelmäßig Vorträge hielten, haben ihn beeinflusst. 1997 ging er nochmals nach Berkeley, um zu promovieren – danach lief es wie am Schnürchen. Von 2001 bis 2006 war er nicht nur Nachwuchsgruppenleiter an der Freien Universität Berlin, wo er mit dem Geld aus dem 2002 gewonnenen Sofja-Kovalevskaja-Preis seine Forschungsgruppe aufbauen konnte, sondern auch Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr.

Im Oktober 2006 schließlich wurde der damals 32-jährige Hecht Professor für Organische Chemie und funktionale Materialien an der HU Berlin – und damit der jüngste Lehrstuhlinhaber im Fach Chemie in Deutschland.

Eine Blitzkarriere – dabei ist Hecht, wie er sagt, kein Workaholic. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter, elf und sieben Jahre alt, „Mein großes Gleichgewicht“, sagt er. Das Wochenende ist ihm heilig, er bringt die Kinder zur Schule, und die Familie isst morgens und abends gemeinsam. Für ihn ist klar: „Wenn ich keine Zeit für meine Kinder habe, suche ich mir einen anderen Job“. Er ist ein Vater, bei dem sich Beruf und Familie nicht ausschließen.

Obwohl seine Arbeit ihm natürlich wichtig ist. „Ich habe immer getan, was mich interessiert hat“, sagt Hecht, von seiner ersten Teilnahme an der Naturwissenschaftlichen Schülergesellschaft im damaligen Ost-Berlin 1988 über die Erfolge bei „Jugend forscht“ 1991 und 1994, bis hin zu seinem Professorenjob. „Das macht intellektuell einfach Spaß.“, freut sich der Forscher. „Ich verdiene mein Geld damit, dass ich jeden Tag meine Neugier befriedigen kann.“

Auch seinen Studierenden sagt er: „Macht, was euch interessiert, denn nur dann werdet ihr gut sein. Und wenn ihr gut seid, bekommt ihr auch einen Job.“ Hecht selbst kam durch seinen Grundschullehrer zur Wissenschaft, nun betreut er als Leiter seiner Arbeitsgruppe selbst rund 20 Studierende und Doktoranden. „Wir lernen voneinander“, sagt Hecht. Man nennt sich beim Vornamen, da ist Hecht von seiner Zeit in den USA beeinflusst. Verkehrssprache ist Englisch, schließlich kommen die Mitarbeiter nicht nur aus Berlin und anderen deutschen Unis, sondern auch aus Indien, Frankreich, China oder Ägypten.

Der Klung-Wilhelmy-Weberbank- Preis sei etwas Besonderes, sagt Hecht. Nicht nur wegen des Renommees und der hohen Dotierung, und nicht nur, weil der HU-Professor seit 1978 der erste in Berlin tätige Wissenschaftler ist, der die traditionsreiche Auszeichnung erhält. Sondern auch, weil der Preis an der Freien Universität vergeben wird. „Das zeigt doch: Berlin ist ein Wissenschaftsstandort“, sagt Hecht. Wettbewerb und Zusammenarbeit ließen sich durchaus vereinen.

Fünf der bisherigen Preisträger haben übrigens inzwischen den Nobelpreis erhalten. Selbst für den Senkrechtstarter Hecht ist noch Luft nach oben.

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