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Endlich weiter. „New Horizons“ hat zuletzt gestochen scharfe Bilder vom Zwergplaneten Pluto geschickt. Jetzt geht die Nasa-Raumsonde fast auf Kollisionskurs mit einem viel kleineren, eisigen Brocken im Kuipers-Gürtel: „2014MU69“.

© Nasa

Mission im Kuiper-Gürtel: Die Zwerge jenseits von Pluto

Der Name der Sonde ist Programm: „New Horizons“ ist auf Kurs zu den unerforschten Plutoiden.

„Bin wach!“ So meldete sich der Bordcomputer der Raumsonde „New Horizons“ am 11. September 2017 aus seinem fünfmonatigen „Winterschlaf“ zurück. Es war kein Frühlingserwachen. Weit jenseits von Neptun rast New Horizons durch den düsteren, kalten Raum des Kuiper-Gürtels. Zur Zeit ist die Sonde rund 40 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Das Funksignal, mit dem sie sich zurückmeldete, brauchte für die fast sechs Milliarden Kilometer bis zur Erde fünf Stunden und 24 Minuten. Die Nachricht, die von den Antennen des Deep Space Network der Nasa um 18 Uhr 55 mitteleuropäischer Sommerzeit aufgefangen wurde, machte die Wissenschaftler und Raumfahrtingenieure glücklich: Alle Systeme ok.

Vorbei an Pluto und auf dem Weg zu MU69

New Horizons ist auf Kurs zu seinem nächsten Reiseziel, einem eisigen Brocken von 30 bis 40 Kilometern Größe namens „2014MU69“. Rund zwei Jahre zuvor war die Sonde vorbeigeflogen an Asteroid „134340“, besser bekannt unter dem Namen „Pluto“. An Bord befindet sich unter anderem ein wenig Asche von Clyde Tombaugh, der Pluto 1930 entdeckt hatte. Sein Durchmesser beträgt nur knapp 2400 Kilometer. Pluto ist also kleiner als der Mond der Erde. Trotzdem galt er ein dreiviertel Jahrhundert lang als neunter und damit äußerster Planet des Sonnensystems.

Kurz nach dem Start von New Horizons zu Pluto im Januar 2005 fanden die Astronomen Mike Brown, Chad Trujillo und David Robinowitz aber jenseits von Pluto weitere Himmelskörper mit beachtlichen Größen. Zunächst stießen sie auf „Makemake“, getauft nach einer Gottheit der Osterinseln. Dieser Brocken ist immerhin 1500 Kilometer groß und umrundet die Sonne in jeweils 310 Jahren. Im Juli 2005 gaben die drei Astronomen die Entdeckung eines weiteren Himmelskörpers bekannt, der auf einer Bahn noch weiter draußen als Makemake in jeweils 560 Jahren um die Sonne fliegt. Er entpuppte sich als etwa so groß wie Pluto. Folgerichtig nahmen die beiden Forscher für sich in Anspruch, den 10. Planeten des Sonnensystems gefunden zu haben.

Zwergenastronomie

Die für Namensgebungen im Himmel zuständige Internationale Astronomische Union IAU gab ihm einen – durchaus treffenden – Namen: Eris, nach der griechischen Göttin des Streits und der Zwietracht. Und in der Tat wurde Eris der himmlische Stein des Anstoßes für einen Streit unter den Astronomen, der nach wie vor schwelt. Um der drohenden Planeteninflation zuvorzukommen, verweigerte die IAU Eris die Anerkennung als Planet und schuf für ihn den neuen Status „Zwergplanet“. Und aus Gründen der kosmischen Gerechtigkeit stufte sie zudem Pluto im August 2006 herab zu einem Zwergplaneten. Auch Makemake wurde zum Zwerg gemacht, genauso wie der im Juli 2005 zwischen Pluto und Makemake entdeckte Haumea. Insgesamt ziehen also aktuell vier von der IAU als Zwergplaneten anerkannte Himmelskörper ihre Bahnen durch den Kuiper-Gürtel um die Sonne herum. Der degradierte Pluto wurde immerhin zum Namensgeber des Sammelbegriffs für diese vier Zwergplaneten und mögliche weitere dort draußen jenseits von Neptun: Man nennt sie Plutoiden.

Strittig ist auch die Bezeichnung „Kuiper-Gürtel“. Denn Gerard Kuiper, ein US-amerikanischer Astronom mit niederländischen Wurzeln, war nicht der erste, der 1951 aus theoretischen Überlegungen vorhersagte, dass in den Regionen jenseits von Neptun außer Pluto und seinen fünf Monden noch zahlreiche weitere Himmelskörper die Sonne umrunden. Schon einige Jahre zuvor hatte auch der irische Astronom Kenneth Edgeworth die Vermutung geäußert, dass die Region hinter der Neptunbahn voller Überreste aus den Entstehungszeiten des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren sein müsste.

Die Sonde kommt bis auf 3500 Kilometer an MU69 heran

Im Jahre 1992 wurde auch tatsächlich der erste dieser vermuteten Himmelskörper entdeckt: Ein rund 170 Kilometer großer Brocken, der in jeweils rund 300 Jahren auf einer leicht elliptischen Bahn um die Sonne fliegt, durchschnittlich etwa 44 Mal weiter von ihr entfernt als die Erde. Von den vermuteten mehreren zehntausend Kuiper-Gürtel-Objekten, die größer sind als 100 Kilometer, kennt man mittlerweile rund 2000.

Einige von ihnen sind durchaus aussichtsreiche Kandidaten für ein Upgrade zum Zwergplaneten. Die besten Chancen hat wohl der rund 1100 Kilometer große Quaoar auf einer fast kreisförmigen Bahn 6,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt mit einer Umlaufdauer von 287 Jahren.

Viel weiß man noch nicht über die Körper des Kuiper-Gürtels. Sie bestehen vermutlich vor allem aus Gestein sowie Wasser, Methan und Ammoniak, die bei Temperaturen von weit unter minus 200 Grad Celsius zu Eis gefroren sind. Von der Erde aus liefern selbst die besten Fernrohre von diesen eisigen Welten nur verwaschene Portraits aus wenigen Pixeln. Scharfe Bilder und genauere Daten gibt es bis jetzt – dank New Horizons – nur von Pluto und seinen Monden. Beim Vorbeiflug der Raumsonde an ihrem nächsten Reiseziel soll alles sogar noch besser werden: New Horizons soll MU69 dreimal näherkommen als zuvor Pluto. Konkret: Am 1. Januar 2019 wird die Sonde in einem Minimalabstand von nur 3500 Kilometer an dem kleinen Eisbrocken vorbeifliegen. Der „Long Range Reconnaissance Imager“ (Lorri), wie die hochauflösende Kamera an Bord heißt, wird bis zu 70 Meter kleine Details der Oberfläche von MU69 zeigen.

Kurz vor Weihnachten nimmt New Horizons noch eine Mütze Schlaf

Eine erstaunliche Navigationsleistung: Der kleine Brocken, rund 1,5 Milliarden Kilometer weiter entfernt als Pluto, wurde erst 2014 entdeckt. Um die Präzision zu überprüfen, mit der die Astronomen die Bahn von MU69 bereits bestimmt hatten, reiste ein Team der Nasa im Sommer dieses Jahres mit ihren Fernrohren eigens nach Argentinien. Und tatsächlich, die Astronomen waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wie vorherberechnet verursachte MU69 eine Sternfinsternis: Ein kleines Sternchen wurde wenige Sekunden lang dunkler. Indirekt hatten die Astronomen von ihrem Beobachtungsort aus „gesehen“, wie MU69 auf seinem Umlauf um die Sonne genau vor diesem Sternchen vorbeigezogen war. Aus dem zeitlichen Ablauf der Verfinsterung – bei der die Helligkeit des Sterns zuerst ab- und dann wieder zunimmt – konnten sie sogar Rückschlüsse ziehen auf die Größe und Form des verfinsternden Himmelskörpers. MU69 scheint ein ziemlich unregelmäßig geformter Brocken zu sein. Vielleicht sind es sogar zwei kleinere Körper, die dort draußen gemeinsam durch die Kälte des äußeren Sonnensystems fliegen. Die Bilder der Sonde werden es zeigen.

Aktuell führt New Horizons Messungen der Strahlung und des Staub- und Gasgehalts des Kuipergürtels durch. Nach einer Bahnkorrektur, die am 9. Dezember erfolgte, wird die Sonde am 22. Dezember in ihren nächsten „Winterschlaf“ versetzt. Erst am 4. Juni 2018 werden die Nasa-Ingenieure New Horizons wieder wecken und die sieben Beobachtungs-Instrumente an Bord ferngesteuert auf den engen Vorbeiflug an MU69 am Neujahrstag 2019 vorbereiten.

Wenn alles klappt, werden die von diesen Instrumenten gesammelten optischen, geologischen, geophysikalischen und chemischen Daten das nächste Puzzle-Stückchen ergeben in dem großen Bild von der Entstehung und Geschichte unserer kosmischen Heimat.

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