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Top down? So funktioniert die Hochschule nicht optimal.

© picture alliance / Waltraud Grub

Mitbestimmung an der Hochschule: Wer an der Uni das Sagen haben soll

Der Wissenschaftsrat macht Vorschläge zur Hochschulgovernance. Die Akademischen Senate sollen gestärkt werden – um das Präsidium kontrollieren zu können.

Wer soll das Sagen an deutschen Hochschulen haben? Dekane und Präsidenten? – Schön wär’s, hatte die Imboden-Kommission erklärt, als sie 2016 ihren Evaluationsbericht über die Wirkung des Exzellenzwettbewerbs vorlegte. „Internationale Spitzenuniversitäten haben durchweg eine starke interne Governance“, stellte das Expertengremium unter Leitung des Umweltphysikers Dieter Imboden fest. In Deutschland bestehe auf diesem Feld aber „noch immer“ „ein substantieller Nachholbedarf“: „Zwar birgt der Machtzuwachs der Universitätsleitungen auch beträchtliches Konfliktpotenzial nach innen, allerdings erleichtert die Durchsetzung innovativer Maßnahmen“.

Jetzt hat sich der Wissenschaftsrat mit der Hochschulgovernance befasst. In Berlin, wo die rot-rot-grüne Koalition eine Arbeitsgruppe Demokratische Hochschule eingerichtet hat und die TU Berlin bei sich einen viertelparitätisch besetzten Wahkonvent zur Präsidiumswahl etablieren möchte, wird man die Empfehlungen vermutlich besonders interessiert aufnehmen.

Der Anlass für den Wissenschaftsrat, sich mit der Hochschulgovernance zu befassen, waren allerdings nicht Imbodens Analyse, sondern die wachsenden Herausforderungen, vor denen die Hochschulen stehen, wie Thomas May, Generalsekretär des Wissenschaftsrats, am Mittwoch in Berlin, sagte.

Präsidien und Dekanate sind auf Unterstützung angewiesen

Auch wenn Präsidien und Dekanate inzwischen „mit weitgehenden Kompetenzen“ ausgestattet wurden, seien ihren Möglichkeiten Grenzen gesetzt. Schließlich seien sie bei der Umsetzung strategischer Ziele darauf angewiesen, dass die Mitglieder der Uni sie unterstützen. „Sanktionsmechanismen zumal gegenüber der Professorenschaft“ existierten aber nur „in sehr geringem Maße“.

Wie also weiter? Die Antwort könne nicht darin bestehen, „die Reformen der vergangenen Jahrzehnte noch konsequenter umzusetzen“, heißt es in der Empfehlung. Das bedeutet auch, dass der Wissenschaftsrat eine weitere Betonung von Hierarchien, wie sie Imboden wünscht, nicht für den geeigneten Weg hält, wie May auf Nachfrage sagte. Eine Rückkehr zur Gruppenhochschule will der Wissenschaftsrat auch nicht. Auch will er den Hochschulen nicht eine eigenes ideales Modell für die Gestaltung ihrer Governance ans Herz legen. Überhaupt sei im Moment keine grundlegende Governance-Reform nötig. Vielmehr sollten die Hochschulen „selbst Verantwortung für die Gestaltung ihrer Governance-Strukturen“ übernehmen. Dabei will der Wissenschaftsrat sie mit einem „Instrumentekasten“ unterstützen, der ihnen bei der Reflektion helfen soll. Zu den wichtigsten Kriterien, die Hochschulen beachten sollten, gehören demnach „Entschlussfähigkeit, Gewährleistung von Autonomie sowie Legitimität und Akzeptanz“.

Eine bloß "formale Legitimierung" durch die Gremien reicht nicht

Die Entscheidungen müssten von den Angehörigen der Hochschulen inhaltlich geteilt und umgesetzt werden, ihre Wissenschaftsfreiheit müsse respektiert werden. Eine bloß „formale Legitimierung“ etwa durch Gremien sei nicht immer hinreichend für Akzeptanz. Oft könne es hilfreich sein, einen größeren Personenkreis in die Vorbereitung einer Entscheidung mit einzubeziehen. Inhaltliche Konflikte sollten ausgetragen werden.

Der Wissenschaftsrat unterscheidet vier „Governance-Modi“, die an einer Hochschule allesamt je nach Bedarf zum Tragen kommen sollen: kollegiale Selbstverwaltung, Wettbewerb, Verhandlung und Hierarchie. Die Modi gehen jeweils mit unterschiedlichen Chancen und Risiken einher. So biete das hierarchische Handeln „Chancen bei der Entschlussfähigkeit“, gehe jedoch mit Risiken bei der Akzeptanz bei der Basis einher. Die Hochschulen sollten abwägen und Risiken womöglich ausgleichen.

Die Hochschulleitungen sollen nicht nur nach fachlicher Reputation ausgewählt werden

Außerdem empfiehlt der Wissenschaftsrat eine Professionalisierung der Hochschulleitungen. Sie sollten nicht nur nach ihrer fachlichen Reputation gewählt werden, sondern auch nach ihren Managementqualifikationen. Für die Position des Kanzlers/der Kanzlerin sollten die Länder die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern. Kanzler seien in einer konflikträchtigen Position. Der Posten sei nicht attraktiv, wenn man bloß im Wahlamt ist und oft keine Rückfallposition hat. Die Dekane sollten gestärkt werden, etwa durch eine Geschäftsführung und wissenschaftliche Mitarbeiter. Ihre Amtszeiten könnten verlängert werden, Funktionszulagen so gestaltet werden, dass die Aufgabe auch für erfahrene Professorinnen und Professoren attraktiv ist. Die Akademischen Senate sollten so gestärkt werden, dass sie die gestärkten Präsidien auch tatsächlich kontrollieren können. Ihren Vorsitz sollten die Senate selbst bestimmen können, um unabhängig vom Präsidium agieren zu können. Die Hochschulen sollten die Studierenden unterstützen, sich stärker in der Governance zu engagieren.

Ob das Papier ein Papiertiger wird oder die Hochschulen sich von ihm inspirieren lassen, liegt in ihren Händen. Besser als die bloße Empfehlung „mehr top down“ à la Imboden ist es sicherlich. Und womöglich bringt es auch Bewegung in die Arbeit der Berliner AG Demokratische Hochschulen.

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