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Wissen: Modelle gegen den Artenschwund

In Neuseeland greifen Computerberechnungen dem gefährdeten Waldpapagei Kaka unter die Flügel.

„Lärmender Kaka“, sagt der Ausflügler und schaut zu einem Farbklecks hinauf, der laut krächzend zwischen den Baumwipfeln im Whirinaki-Waldpark im Herzen der Nordinsel Neuseelands flattert. Der Farbklecks entpuppt sich als ein brauner Vogel mit roten Flügelunterseiten, der sich angeregt mit seinen Freunden unterhält. Die Neuseeländer nennen diese Art „Kaka“, Wissenschaftler sprechen vom Nestor meridionalis, im Deutschen heißt das Tier „Waldpapagei“.

Der Kaka ist ein naher Verwandter des Bergpapageis Kea, der in den Südalpen auf der Suche nach Futter häufig die Scheibenwischer parkender Autos anfrisst. Während Touristen von den Keas oft tolle Schnappschüsse mit nach Hause bringen, bekommen sie seinen Cousin, den Kaka fast nie zu Gesicht. Und das nicht nur, weil der Kaka zurückgezogen in den letzten Tieflandregenwäldern lebt, die von den Sägen der Forstarbeiter verschont blieben. Seit 2005 steht die Art auch deshalb als gefährdet auf den Roten Listen, weil ihr eingeschleppte Wespen ihre Nahrung, den Honig, streitig machen, und Hermeline, die ursprünglich aus Europa kamen, brütende Weibchen töten. Wer einen der wenigen tausend Kakas in der Natur fliegen sehen will, muss daher in abgelegene Regionen wie den Whirinaki-Waldpark fahren.

Alternativ kann er auf dem Weg zu einer der größten Touristenattraktionen Neuseelands, dem Milford Sound, einen Stopp einlegen. Die Straße zu diesem Fjord der Südinsel des Landes führt durch das 40 Kilometer lange Eglinton-Tal. Auch dort flattern noch Kakas durch die Regenwälder.

Der Artenschutzexperte Phil Seddon von der Otago-Universität im neuseeländischen Dunedin konnte in dem Tal zeigen, wie der Papagei gerettet werden kann (veröffentlicht im Fachblatt „Biological Conservation“, Band 141, Seite 681). Dort hatten Mitarbeiter der Naturschutzbehörde DoC ab 1998 einige Kakas mit nur wenigen Gramm schweren Sendern versehen, die ein halbes Jahr lang alle 15 Minuten die Position des Tieres an einen Satelliten funken.

So konnten Naturschützer und Wissenschaftler das Leben dieser Papageien recht gut verfolgen. DoC-Mitarbeiter zählten regelmäßig, wie viele Vögel in dem Tal leben, wie viele Küken aus den Eiern schlüpfen und wie viele Tiere im Laufe eines Jahres sterben.

Es dauerte mehrere Jahre, um mithilfe der Sender zuverlässige Daten zu erhalten. So füttern die Waldpapageien ihren Nachwuchs mit den Samen der Südbuche, die zwar in den Regenwäldern wächst, aber nicht regelmäßig viele Früchte liefert. Beginnt nach vier bis sechs Jahren wieder ein Buchenmastjahr, bauen die Kakas ihre Nester und ziehen zwei Küken groß. In den Jahren dazwischen verzichten sie meist auf die Brut. Um die Entwicklung der Kaka-Zahlen zu beobachten, sollten solche Untersuchungen daher länger als ein Jahrzehnt laufen.

Im Eglinton-Tal stellen DoC-Mitarbeiter seit den 1990er Jahren auch Fallen auf, in die sie Hermeline locken. Vergleichen die Forscher nun den Bruterfolg und die Zahl der Kakas in Regionen mit solchen Fallen mit anderen Gebieten, erfahren sie nicht nur, wie die Fallenstellerei den Bestand beeinflusst. Wie sich zeigte, hatte der Kaka ohne Fallen kaum eine Überlebenschance.

Damit war zwar das entscheidende Problem für den Papagei identifiziert. Was fehlte, war ein Langzeitplan, der den Kakas das Überleben sichert. Phil Seddon gab daher die Daten aus dem Eglinton-Tal in ein Computermodell ein und simulierte, wie sich die Kaka-Zahlen im nächsten Jahrhundert entwickeln würden. Danach begann er seine Rechnungen mit niedrigeren oder höheren Zahlen von Kakas, veränderte Fallenzahl und weitere Faktoren. Mindestens 258 Waldpapageien sollten in diesem mehr als 500 Quadratkilometer großen Tal leben, um die Art dort mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit vor dem Aussterben zu retten, kam heraus.

Aber nur, wenn weiterhin so viele Hermelinfallen aufgestellt werden. Sind es nur halb so viele, müssten mehr als 20 000 Kakas im Eglinton-Tal leben, um die Art mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit 100 Jahre überleben zu lassen. Da es weltweit aber nur noch wenige tausend Kakas gibt, ist das unrealistisch. Tatsächlich haben die Kakas bisher nur in Gebieten überlebt, in denen Hermeline massiv dezimiert werden. Phil Seddons Studie lässt sich nicht nur auf andere Regionen wie den Whirinaki-Waldpark übertragen, sondern kann auch helfen, andere Arten zu retten. Roland Knauer

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