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Beleidigung für die Nase. Schwefelgase machen den Mundgeruch so unangenehm.

© dpa

Mundgeruch: „Wir sind empfindlicher geworden“

Das Thema ist tabu und doch in aller Munde: Viele Menschen befürchten, dass sie Mundgeruch haben. Andreas Filippi erklärt, wie er entsteht und was man dagegen tun kann.

Herr Filippi, kann man Mundgeruch objektiv messen?
Die Eigenwahrnehmung ist unzuverlässig. Die einfachste Methode setzt auf zwischenmenschliche Wahrnehmung, den Geruchssinn. Etwas objektiver wird das, wenn der Untersucher erfahren ist und speziell entwickelte Skalen nutzt. Messgeräte können die Diagnose stützen, sie dienen dem Nachweis flüchtiger Schwefelverbindungen. Schwefelhaltige Gase werden freigesetzt, wenn Fäulnisbakterien Speisereste oder abgestorbene Schleimhautzellen abbauen. Diese Messungen sind wichtig, weil der Patient einem Display eher glaubt.

Was umgangssprachlich als Mundgeruch bezeichnet wird, nennen Mediziner Halitosis, also Atemgeruch. Woher kommt er?

In neun von zehn Fällen liegt die Ursache im Mund. Meist findet sich auf der Zunge und den Zahnfleischtaschen ein bakterieller Belag, ein Biofilm. Allerdings gibt es rund 200 andere Ursachen in der Mundhöhle. Die Menschen produzieren zum Beispiel zu wenig Speichel, weil sie Medikamente nehmen oder unter Dauerstress stehen. Im Unterschied zur Diagnostik muss die Behandlung sehr individuell sein.

Wie häufig sind eine Magenspiegelung oder eine Mandeloperation sinnvoll?

Wir wissen, dass nur vier Prozent der Betroffenen ein Problem im Hals-Nasen-Ohren-Bereich haben wie eine Entzündung der Rachenmandeln oder der Nebenhöhlen. Im zweiten Fall ist auch die aus der Nase ausgeatmete Luft verändert. Der Grund liegt sehr selten im Magen, trotzdem werden viele Magenspiegelungen gemacht. Dabei ist das „Sodbrennen“, die Refluxerkrankung, wegen der Säure eher eine Gefahr für die Zähne. Der erste Weg beim Verdacht auf Mundgeruch sollte der zum Zahnarzt sein. Der Arbeitskreis Halitosis nennt auf seiner Homepage Spezialisten.

Experte für Mundgeruch. Andreas Filippi erforscht an der Universität Basel Halitosis.
Experte für Mundgeruch. Andreas Filippi erforscht an der Universität Basel den Atemgeruch, Halitosis.

© privat

Leiden heute mehr Menschen darunter?

Nein, dauerhafter Mundgeruch, der nicht vom Rauchen oder von bestimmten Speisen kommt, hat sicher nicht zugenommen. Ich habe den Eindruck, dass wir empfindlicher geworden sind. So wie beim Schweißgeruch, den heute jeder mit Deo bekämpft. Andererseits ist es ein Tabuthema, bei dem es von beiden Seiten eine beträchtliche Hemmschwelle gibt.

Kann man selbst vorbeugen, etwa mit Mundspülungen und Zungenschabern?

Hier ist ein ganzer Markt entstanden. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Mundlösungen mit Chlorophyll bei schon bestehendem Mundgeruch helfen. Von antibakteriellen Spülungen zur Vorbeugung würde ich sogar abraten, weil man so das Gleichgewicht der Bakterien im Mund radikal verschiebt. Mit Zungenbürsten ist das anders, sie entfernen den Biofilm von der Zunge. In der Therapie sollte man dazu spezielle Zungenpasten verwenden. Zungenschaber dagegen können die Schleimhaut verletzen und sind weniger effektiv.

Welche Rolle spielt die Psyche?

Eine große. Manchen Menschen hat irgendwann jemand gesagt, dass sie Mundgeruch haben. Sie trauen sich nur noch mit Kaugummi oder Bonbons im Mund in Gesellschaft. Je länger das geht, umso belastender ist es für die Psyche. Andere sind ohne äußeren Anlass davon überzeugt, Mundgeruch zu haben. Wir nennen das Pseudohalitosis oder Halitophobie.

Andreas Filippi erforscht an der Universität Basel den Atemgeruch (Halitosis). Er leitet an den Universitätskliniken für Zahnmedizin eine Mundgeruch-Sprechstunde. Die Fragen stellte Adelheid Müller-Lissner.

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