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Mutationen: Der Beste ist der Feind des Guten

Einer Forschergruppe in Portugal zufolge treten nützliche Mutationen des Bakteriums Escherichia coli eintausendmal häufiger auf als bislang angenommen.

In einer Studie mit mehreren E.-coli-Populationen unterschiedlicher Größe fanden Isabel Gordo und ihre Mitstreiter am Gulbenkian Science Institute in Oeiras, Portugal, heraus, dass Tausende Mutationen, die zu einer moderaten Verbesserung ihrer Anpassungsleistung führen könnten, unbemerkt bleiben, weil sie von besseren ausgestochen werden.(1) Die Autoren sind der Ansicht, dass ihre Arbeit erklären könnte, wieso Bakterien in der Lage sind, so schnell Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln.

"Das ändert meine Sicht der Dinge", sagt Frederick Cohan, Biologieprofessor an der Wesleyan University in Middletown, Connecticut. Obwohl das grundlegende Prinzip verstanden sei, habe niemand eine so hohe Rate von Anpassungsmutationen erwartet, fügt er hinzu.

In sehr großen Populationen asexueller Organismen wie E. coli laufen Anpassungsmutationen nach dem Motto "Alles dem Gewinner" ab. Entwickelt eines der Organismen eine Mutation, die ihm einen Vorteil gegenüber seinen Artgenossen verschafft, wird sein Genom schnell das dominierende der Population, ein Vorgang, der als Selektion bezeichnet wird. Geschieht dies, gehen Mutationen, die eine etwas weniger effektive Anpassungsleistung ermöglichten, verloren.

Die Arbeit von Gordo und ihren Kollegen unterscheidet sich hinsichtlich der Größen der untersuchten Populationen von früheren Studien. Die größeren Populationen enthielten 10 Millionen Organismen, die kleineren 20.000. In den kleinen Populationen war die Anzahl der Mutationen 1000 höher als in den größeren.

Erfolg durch Masse

Cohan sagt, er sei begeistert von dem Gedanken, den das Paper impliziere, dass eine Mutation wesentlich mehr Wege kennt, zur Anpassungsleistung beizutragen, als normalerweise wahrgenommen gesehen werden. "Dass es derart viele mögliche Mutationen gibt, sagt uns, dass viele verschiedene Gene bei einer Anpassungsleistung beteiligt sein können. Ich denke, Hunderte oder sogar Tausende Gene können möglicherweise involviert sein."

Weniger klar ist, wie die weniger nützlichen Mutationen, die normalerweise maskiert werden, zu der Schnelligkeit beitragen, mit der Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, sagt Carl Bergström, Evolutionstheoretiker an der University of Washington in Seattle. "Ich sehe nicht, dass diese Frage direkt untersucht wurde", sagt er. Häufig resultiert eine Antibiotikaresistenz nicht aus einer Genmutation, sondern aus dem Transfer eines Plasmids.

Die Gene, die für die Resistenz verantwortlich sind, zu transkribieren, ist bei Bakterien jedoch kostspielig, erklärt Gordo, und nützliche Mutationen könnten dabei hilfreich sein. "Da sich Bakterien wirklich sehr schnell anpassen, könnten resistente Bakterien dazu beitragen, die Kosten, die durch Antibiotikaresistenzen verursacht werden, zu kompensieren." Zukünftige Studien, so Gordo, könnten sich mit den Reaktionen auf Antibiotika und äußere Stressfaktoren befassen. "Ein möglicher nächster Schritt wäre zu untersuchen, ob die Anpassungsleistungen in unterschiedlichen Umgebungen variieren und welche Mutationen in welchen Genen der Anpassung dienen."

(1) Perfeito, L. & Fernandes, L. & Catarina, M. & Gordo, I. Science 317, 813-815 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 10.8.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi:10.1038/news070806-12. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Brendan Maher

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