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Will ihren Doktor behalten: Annette Schavan.

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Nach Doktor-Entzug: Schavan hat schlechte Chancen vor Gericht

Annette Schavan will juristisch gegen den Entzug ihres Doktorgrads vorgehen. Ihre Anwälte argumentieren vor allem mit Verfahrensfehlern. Doch bislang ist es noch niemandem gelungen, vor Gericht seinen Doktortitel zurückzubekommen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat erklärt, sie wolle gegen den Entzug ihres Doktorgrads klagen. Welche Chancen auf Erfolg hat die Ministerin?

Offenbar hofft Schavan, dass das zuständige Verwaltungsgericht Düsseldorf das Verfahren der Universität beanstanden wird. Die Ministerin hat sich öffentlich darüber beklagt, dass die Philosophische Fakultät der Uni Düsseldorf nur ein Gutachten erstellt hat und dieses nicht von einem Erziehungswissenschaftler stammt, sondern von dem Judaistik-Professor Stefan Rohrbacher. Schavan und ihre Anwälte haben Gutachten von externen Erziehungswissenschaftlern gefordert. Nur diese könnten Schavans Arbeit vor dem Hintergrund der Fachkultur der siebziger Jahre würdigen. Schavans Anwälte heben auch darauf ab, dass das vertrauliche Gutachten Rohrbachers an die Presse durchgestochen wurde.

Ist es wahrscheinlich, dass das Gericht den Titelentzug mit Blick auf Verfahrensfehler für unwirksam erklärt? Abgesehen davon, dass Schavan selbst zwei erziehungswissenschaftliche Expertisen eingereicht hat: Selbst wenn das Gericht wegen angeblich fehlender Gutachten oder einer Indiskretion das Verfahren für hinfällig erklären würde, müsste das am Ende für Schavan keinen Unterschied machen. Die Fakultät könnte das Verfahren einfach noch einmal fehlerfrei durchführen und könnte dabei doch wieder zu dem gleichen Ergebnis kommen, sagt Wolfgang Löwer, Professor für Öffentliches Recht in Bonn.

Löwer kann sich nur an einen einzigen Fall erinnern, bei dem ein Gericht einer Fakultät wegen eines Verfahrensfehlers eine Schlappe einbrachte: Löwers eigene Fakultät hatte einen Ladungsfehler gemacht. Sie hatte versäumt, alle Professoren der Fakultät, nämlich auch die Honorarprofessorin, mit einzubeziehen. Löwers Fakultät nahm einen neuen Anlauf, das Gericht bestätigte diesmal die Aberkennung des Doktorgrads. Löwer kennt bisher keine einzige Gerichtsentscheidung, bei der der Entzug des Titels durch eine Uni für ungültig erklärt wurde. Das heiße natürlich nicht, dass es nicht eines Tages doch passieren könne, sagt er.

Vielleicht könnte Schavan ein Spezialfall sein? Schließlich hat sie ihre Dissertation bereits vor 33 Jahren veröffentlicht. Selbst wenn Schavan nach Meinung der Fakultät getäuscht hat, könnte der Betrug verjährt sein. Zwar gibt es kein Gesetz, wonach Täuschung in einer Dissertation verjährt. Doch Achim Doerfer, Rechtswissenschaftler in Göttingen, hält das fehlende Limit „weder für notwendig“ noch für verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. In der Zeitschrift „Wissenschaftsrecht“ (September 2012) plädiert er dafür, eine gesetzliche Regelung mit einer Verjährungsfrist zu schaffen. Solange es diese nicht gebe, sollten Universitäten und Richter in „Analogie zu vergleichbaren Normen im bürgerlichen und öffentlichen Recht“ verfahren – also Plagiate nach zehn Jahren nicht mehr verfolgen.

Löwer sieht den Vorschlag jedoch skeptisch. Ein Gericht werde „normtreu“ verfahren. Gibt es im Gesetz keine Regelung, werden Richter diese wohl auch nicht durch einen Analogieschluss herstellen.

Die Aussichten auf Verjährung stehen nicht gut

Vielleicht könnten die Richter in Düsseldorf die lange Zeit, die seit Schavans Promotion verstrichen ist, aber in ihrem Ermessen stärker gewichten, als die Fakultät das getan hat? Auch das ist nicht möglich, sagt Löwer: „Das Gericht kann nicht seine eigene Wertung an die Stelle der Wertung der Behörde setzen.“ Solange die Fakultät die Härten berücksichtigt hat, akzeptiert das Gericht auch das Ergebnis der Abwägung.

Ähnlich denkt prinzipiell auch der Bonner Jurist Klaus Ferdinand Gärditz, der der Uni Düsseldorf in einem Gutachten die Rechtmäßigkeit ihres Verfahrens bescheinigt hatte. Bisher hätten Verwaltungsgerichte immer bestätigt, dass es eine Verjährung beim Doktortitelentzug nicht gibt, sagt Gärditz. Jeder Fall habe freilich unterschiedliche Facetten zu würdigen. So sei die Aberkennung einer grundständigen Promotion wie bei Schavan – die Ministerin schloss ihr Studium direkt mit der Dissertation ab – seines Wissens noch nie vor Gericht verhandelt worden. Die Begründung der Universität Düsseldorf lässt aber darauf schließen, dass der Fakultätsrat diesen Umstand berücksichtigt hat. Damit könnte das Gericht sich zufriedengeben.

Mit der Frage der Verjährung hat sich das Verwaltungsgericht Köln jüngst in zwei anderen prominenten Fällen beschäftigt: Bei den Klagen von Margarita Mathiopoulos und Jorgo Chatzimarkakis, denen die Universität Bonn ihre Doktortitel entzogen hatte. Mathiopoulos wurde 1986 promoviert, Chatzimarkakis im Jahr 2000.

In erster Instanz gaben die Richter jeweils der Universität recht. Der Entzug sei nach so langer Zeit zumutbar, durch die Schwere der Täuschungen hätten das die Betroffenen selbst zu verantworten. Da Dissertationen jahrzehntelang abrufbar seien, hätten Hochschulen auch ein berechtigtes Interesse, Plagiate noch nach Jahrzehnten aus dem Wissenschaftsbetrieb herauszunehmen.

Könnte es vor Gericht eine Rolle spielen, in welchem Teil einer Dissertation die Plagiate vorkommen? So argumentieren die Anwälte Schavans: Die Entscheidung der Uni Düsseldorf sei auch deswegen unverhältnismäßig, weil sich „fast alle“ Zitierverstöße im referierenden Teil der Arbeit befänden.

Zu diesem Problem äußerten sich die Kölner Verwaltungsrichter ebenfalls im Fall Mathiopoulos – mit einem eindeutigen Urteil. Es komme ganz und gar nicht darauf an, wo die Plagiate auftauchen, sagten die Richter. Sie teilten die Ansicht der Universität, dass Entlehnungen auch dann kenntlich gemacht werden müssen, wenn „lediglich vorhandenes fremdes Wissen dargestellt wird“, heißt es in dem Urteil. Denn die Reproduktion fremder Inhalte würde ebenfalls „von eigenen Wertungen geprägt“. Sie unterliege deshalb „genauso den wissenschaftlichen Zitierregeln wie die Schöpfung gänzlich neuen Inhalts“.

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