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Seine Expeditionen führten den Humanethologen Irenäus Eibl-Eibesfeldt mehrmals zu den Riesenschildkröten auf den Galapagos-Inseln.

© Inga Kjer/dpa

Nachruf: Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Von Galapagos in die Großstadt

Er beobachtete Menschen wie die Tiere: möglichst ohne sich einzumischen. Zum Tod des Verhaltensbiologen Irenäus Eibl-Eibesfeldt.

Manchmal, nur manchmal, ist es vorteilhaft, nicht mehr ganz jung zu sein. Dann hat man als Kind irgendwann im Nachmittagsprogramm vielleicht noch Wiederholungen von Filmen wie „Unternehmen Xarifa“ gesehen. Hans Hass, neben Jacques Cousteau Natur- und Unterwasserfilmer der ersten Stunde, unternahm die gleichnamige Expedition zu den Galapagos-Inseln 1953/54. Es war auch der erste große öffentliche Auftritt eines jungen Mannes, den Hass jovial gerne „unseren Eibl“ nannte. Der spielte die Rolle des jungen, quirligen, aufgeweckten Forschers, der immer wieder neue interessante Entdeckungen machte.

Erforscher und Schutzherr der Galapagos-Inseln

„Unser Eibl“ hieß mit vollem Namen Irenäus Eibl-Eibesfeldt. Er war damals 26 Jahre alt und als Mitarbeiter des späteren Nobelpreisträgers Konrad Lorenz bereits fast so etwas wie ein etablierter Forscher. Geboren 1928 in Wien als Sohn eines Botanikers, der 1941 an den Folgen eines Leidens aus dem ersten Weltkrieg starb, wurde er zum Ende des zweiten Weltkriegs noch als Flakhelfer eingezogen. Fast direkt danach begann er 1945 mit einem Studium der Naturwissenschaften für das Lehramt. Bald wurde Eibl zum Dr. phil. promoviert, von 1950 an arbeitete er bei Lorenz. Nach der Galapagos-Expedition mit Hass begann Eibl sich intensiv für den Schutz des Archipels einzusetzen. Unter anderem auf seine Initiative hin wurde die Charles-Darwin-Forschungsstation gegründet und 1959 die Inselgruppe von der Regierung Ecuadors zum Nationalpark erklärt.

Heute gilt Eibl-Eibesfeldt, der sich in Zoologie habilitierte, vor allem als Begründer der „Humanethologie“. Über die Jahre hatte er auf Expeditionen, bei denen er tierisches Verhalten beobachtete und verglich, nebenbei Eindrücke über menschliches Verhalten von teilweise noch naturnah lebenden Bevölkerungen gewonnen. Die Humanethologie als vergleichende Verhaltensforschung am Menschen – von ihm erst in den 80er Jahren so bezeichnet – war eine Synthese aus Verhaltensbiologie, Ethnologie und Kulturanthropologie. Eibl allerdings versuchte – anders als etwa Anthropologen wie Margaret Mead, die auch stark mit Befragungen arbeiteten –, sich auf das möglichst unbeteiligte Beobachten und Dokumentieren zu beschränken.

Ist die Scheu vor Fremden dem Menschen angeboren?

Mit seinen Rückschlüssen dazu, was einerseits menschliche Natur, andererseits anerzogen ist, begab er sich fast zur gleichen Zeit wie der Verhaltensbiologe und Begründer der Soziobiologie, Edward O. Wilson, mitten hinein in eine der heißesten und bis heute andauernden Debatten der jüngeren Wissenschaftsgeschichte. Eibl-Eibesfeldt sah viele Verhaltensweisen des Menschen als universell und biologisch-entwicklungsgeschichtlich verankert an. Das begann für ihn bei so unproblematischen Aspekten wie dem Lachen. Es ging aber bis hin zu Eibls These einer jedem Menschen angeborenen Scheu vor Fremden. Er grenzte diese klar ab von Fremdenhass, der seiner Meinung nach immer anerzogen ist. Aber er argumentierte auf Grundlage dieser These auch, dass Zuwanderung in Gesellschaften hinein begrenzt werden müsse.

Die dogmatische und politisch-ideologisch unterfütterte Ablehnung biologisch verankerten Verhaltens etwa durch viele Soziologen, beschäftigte ihn bis ins hohe Alter. Beeinflussen ließ er sich davon nicht. Vielmehr versuchte er, die von ihm gesammelten Daten und Dokumente – darunter unzählige Stunden von Filmaufnahmen – sprechen zu lassen. In seinen letzten Lebensjahren widmete er sich unter anderem der Aufgabe, diese Archive zu ordnen und aufzuarbeiten.

Das Verhalten als Ausdruck der Vorgänge im Gehirn

In jüngerer Zeit bekommt sein Ansatz, dass die Grundlage aller Verhaltensforschung sowohl bei Tieren als auch bei Menschen vor allem intensive und auch extensive Beobachtung sein und erst in zweiter Reihe aus experimentellen Eingriffen bestehen sollte, wieder mehr Zulauf. Verhaltensbiologen wie der in London lehrende Bienenforscher Lars Chittka etwa arbeiten mit Hilfe neuer Technologien und Big-Data-Ansätzen an neuen Methoden. Die Idee: Verhalten in großem Stile zu dokumentieren und vergleichend zu analysieren – und letztlich zu verstehen und Rückschlüsse bis hinein in die Funktion des Gehirns zu ermöglichen.

Vielleicht können solche Methoden auch noch bei der Aufarbeitung der von Irenäus Eibl-Eibesfeldt hinterlassenen Film- und Fotodokumente zum Einsatz kommen. Digitalisiert zumindest sind sie inzwischen. Viele sind Jahrzehnte alt und wären heute aufgrund des inzwischen erfolgten kulturellen Wandels in vielen Weltgegenden gar nicht mehr möglich. Jüngere gehören zur „Stadtethologie“, der Erforschung des Homo urbanus.

„Unser Eibl“ selbst hat dies, trotz mehr als 600 wissenschaftlichen Veröffentlichungen und 20 Büchern, nicht mehr geschafft. Kurz vor seinem 90. Geburtstag, zu dem die Gäste bereits eingeladen waren, ist der letzte große Verhaltensbiologe der alten Schule am Samstag in seiner Wahlheimat am Starnberger See gestorben.

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