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Großer Auftritt. Juniorprofessoren lehren in der Regel vier bis sechs Stunden pro Woche – für Anfänger eine hohe Belastung.

© dapd

Nachwuchsforscher: Juniorprofessur im Aufwind

Nach Jahren der Stagnation steigt die Zahl der Juniorprofessuren wieder. Experten gehen von hohen Berufungsquoten auf Vollprofessuren aus - und fordern ein neues Bundesprogramm für die Juniorprofessur.

„Ich fühle mich sehr wohl, das ist der Beruf, den ich wollte!“ Ein knappes Jahr nach ihrem „Sprung ins kalte Wasser“ ist für Nora Graf, Juniorprofessorin am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin, Land in Sicht. Im März 2011 hatte sie nach der Promotion in Heidelberg und Postdoc-Stationen an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin und am MIT in Cambridge, USA, ihre Juniorprofessur an der FU angetreten. „Plötzlich eine große Vorlesung zu halten, überraschend Vorsitzende einer Prüfungskommission zu sein – das waren zu Beginn echte Herausforderungen“, erinnert sich die 32-Jährige.

Doch Graf biss sich durch, gründete ihre eigene Arbeitsgruppe und schlug den Rat in den Wind, zur Gremienarbeit erst einmal Nein zu sagen. „Ich will überall mal reinschauen, und wenn ich mich jetzt mal blamiere, kann es mir später nicht mehr passieren“, sagt Graf. Sie sieht die auf sechs Jahre befristete Juniorprofessur als nahezu ideale Vorbereitung auf eine Vollprofessur, genießt die Unabhängigkeit, die sie auf ihren Postdoc-Stellen nicht hatte. Und die Aussicht auf zweimal drei Jahre Zeit für Projekte und Publikationen. „Mit dieser Stelle fühle ich mich zum ersten Mal gut untergebracht.“

Grafs Enthusiasmus steht für eine neue Sicht auf die Juniorprofessur. Zehn Jahre nach ihrer Einführung unter der damaligen Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) zeichnet sich ein Aufschwung ab. Die Zahl der Juniorprofessuren steigt – und es gibt Forderungen nach einem neuen Bundesprogramm.

Über Jahre hatte es so ausgesehen, als sei die Juniorprofessur ein Auslaufmodell. Denn ehrgeizige Ziele wurden nicht erreicht. Die Juniorprofessur sollte die Habilitation ersetzen. Doch das Bundesverfassungsgericht kippte 2004 eine entsprechende Regelung im Hochschulrahmengesetz. Daraufhin plante ein Drittel der Junioren nach einer Studie des Centrums für Hochschulforschung (CHE) von 2007 eine „Habil“. Auch die ursprünglich geplanten 6000 Stellen sind nicht entstanden. Nach dem Auslaufen der Anschubförderung Ende 2004 stagnierte die Zahl bei 700 bis 800. In den letzten beiden Jahren geht es aber wieder bergauf, 2009 zählte das Statistische Bundesamt 994 Stellen. 2010 waren es schon 1236 – eine Steigerung von 24 Prozent in einem Jahr.

Die Juniorprofessur habe viele der in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt, sagt Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Uni Halle-Wittenberg. Sie sei die einzige Postdoc-Position, die lange genug läuft, sicher genug finanziert ist und hinreichend Raum für Forschung und Lehre bietet, um Nachwuchswissenschaftler auf eine ordentliche Professur vorzubereiten.

Ist die Juniorprofessur womöglich der Ausweg aus dem „Wissenschaftsprekariat“? Kritisiert werden kurze Vertragslaufzeiten und unsichere Karriereperspektiven für wissenschaftliche Mitarbeiter. Die Juniorprofessur sollte die Ausbildung verkürzen, Wissenschaftskarrieren kalkulierbarer und attraktiver machen.

Hochschulforscherin Burkhardt fordert eine Neuauflage des Förderprogramms durch den Bund. Bis 2004 waren neu eingerichtete Professuren mit jeweils rund 70 000 Euro für Sachmittel ausgestattet worden. Es brauche einen neuen Anlauf, um den Aufschwung zu verstärken und der Habilitation als „Königsweg“ zur Professur ernsthaft Konkurrenz zu machen, sagt Burkhardt. Noch immer werden jährlich rund 1900 Habilitationen abgeschlossen, mehr als die Zahl der Juniorprofessuren insgesamt. Doch nur 40 Prozent der Habilitierten bekommen auch eine Dauerstelle an der Uni, bei den Juniorprofessoren ist die Quote Schätzungen zufolge sehr viel höher. „Sie haben gute Aussichten, wer schon bei der Auswahl so ausgesiebt und dann zweimal evaluiert wird, ist wirklich gut“, sagt Burkhardt. Gesicherte Daten zur Berufungsquote gibt es nicht, die soll jetzt ein neues Gutachten von HoF und CHE liefern.

Wo aus Sicht von Experten bei der Juniorprofessur noch nachgebessert werden muss, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Für die Juniorprofessur spricht auch ihr hoher Frauenanteil. Mit 37,8 Prozent (2010) liegt er weit über der Quote bei der Habilitation (23,8 Prozent). Aus der Sicht von Experten steht aber heute schon fest, dass vor allem bei der Tenure-Track-Option nachgebessert werden muss. Zwar ist in nahezu allen Hochschulgesetzen vorgesehen, dass Juniorprofessoren, die positiv evaluiert wurden, ohne Habilitation und Ausschreibung auf eine unbefristete W2 oder W3 Professur berufen werden können. Doch die Unis zögern. Noch immer sei mehrheitlich kein Tenure Track vorgesehen, sagt der Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Keller. Ein neues Förderprogramm sollte deshalb mit Auflagen verbunden werden, dass „gute Leute eine sichere Perspektive bekommen“.

Nur mit einem Tenure Track und einer flächendeckend besseren Ausstattung mit Sachmitteln sei die Juniorprofessur gleichwertig mit anderen Postdoc-Programmen, sagt Robert Wolf, Professor für Anorganische Chemie an der Uni Regensburg und Vorstandsmitglied der Jungen Akademie. Um ein eigenes Forschungsprofil zu entwickeln , seien die Leitung einer Nachwuchsgruppe, Stipendien des Europäischen Forschungsrats (ERC-Grants) und Assistenzprofessuren im Ausland heute noch attraktiver. Insbesondere die „starke Lehrverpflichtung“ lasse Juniorprofessoren zu wenig Zeit für die Forschung.

In der Regel müssen Junioren in den ersten drei Jahren vier Semesterwochenstunden lehren, danach sechs Stunden. In Bayern und Bremen sind es eine beziehungsweise zwei Stunden mehr, in Brandenburg haben Juniorprofessoren mit Schwerpunkt Lehre ein höheres Deputat. Nach der CHE-Studie von 2007 sind 63 Prozent „zufrieden“ mit der Lehrbelastung, ein Viertel wünschte sich weniger Stunden.

Remigius Bunia, Literaturwissenschaftler an der Freien Universität und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur, sieht das „breite Einsatzgebiet“ als großen Vorteil gegenüber anderen Postdocs. Weil sie neben ihrem Engagement sowohl in der Lehre als auch in der Forschung auch Budget- und Personalverantwortung haben und Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung und im Wissenschaftsmanagement übernehmen, seien Juniorprofessoren „interessant für Weiterberufungen“.

Wie verkrustete Fachkulturen und konservative Unileitungen Juniorprofs das Leben schwer machen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Für eine Berufung kann eine Juniorprofessur von Vorteil sein, sagt auch Elke Hartmann, Professorin für Alte Geschichte an der TU Darmstadt. Sie hält die Juniorprofessur für „eine sehr gute Erfindung, die aber Schwächen hat, wenn sie nicht ernst genommen wird“. Mancherorts hätten Juniorprofessoren noch immer mit Akzeptanzproblemen in verkrusteten Fachkulturen oder seitens konservativer Hochschulleitungen zu kämpfen.

Diese Erfahrung machte Hartmann an der Humboldt-Uni, wo sie 2002 eine Juniorprofessur antrat. Nach drei Jahren bestand sie ihre Evaluation mit Bravour, einige Professorenkollegen machten sich für ein Tenure-Track-Verfahren stark, doch die konservativen Stimmen setzten sich durch, die Stelle lief nach sechs Jahren aus. Ob ihr nicht klar gewesen sei, dass die Juniorprofessur „nur ein Witz“ sei, fragte ein Professor.

Anderthalb Jahre lang vertrat Hartmann Professuren in Berlin und Heidelberg, dann folgte sie dem Ruf nach Darmstadt. Dort wird die Juniorprofessur als Qualifikationsweg ernst genommen, sagt die Althistorikerin. „Bei der Bewerbung ging es um ein interessantes Forschungsprofil, um die Qualität der Publikationen, um Erfahrungen in der Drittmitteleinwerbung und Erfolg in der Lehre.“

Eine Initiative für mehr Nachwuchsprofessuren haben jetzt Hochschulexperten der Regierungsfraktionen im Bundestag angekündigt. Einem Drittel der Postdocs könnten solche W 2-Stellen angeboten werden, sagt Stefan Kaufmann (CDU). Die Oppositionsparteien haben bereits in den vergangenen Jahren Personaloffensiven von Bund und Ländern für den wissenschaftlichen Nachwuchs gefordert. Im Antrag der SPD-Fraktion vom Juni 2011 heißt es, unter anderem sollten bis 2015 zusätzlich 1000 Juniorprofessuren als Alternative zur Habilitation finanziert werden.

Im Bundesforschungsministerium sind die Rufe nach einem neuen Förderprogramm offenbar noch nicht angekommen. Dazu gebe es derzeit keine Überlegungen, heißt es auf Anfrage.

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