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Nanotechnologie: Überschätzte Silbersocke

Experten: Angst vor Nanopartikeln ist weitgehend unbegründet. Werden sie über den Mund aufgenommen, sind sie unbedenklich. Allenfalls beim Einatmen können sie gefährlich werden - sofern das in großen Mengen geschieht.

Nanopartikel sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ob als Zusatz für Sonnencremes oder Rieselhilfe im Backpulver. Doch die Teilchen, die nur Millionstel Millimeter klein sind, sind umstritten. Immer wieder wird über mögliche Gesundheitsschäden diskutiert. Das belegen zahlreiche besorgte Anrufe beim Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in Berlin, wo Bürger wissen wollen, ob „Nanosilber-Socken“ gefährlich sind und sie diese überhaupt kaufen sollten, berichtete Andreas Luch vom BfR.

Welche Gefahr von den winzigen Partikeln ausgeht, ist eines der Ziele des 2010 gestarteten „Nano-Gem“-Projekts (Nanostrukturierte Materialien – Gesundheit, Exposition und Materialeigenschaften). Am Mittwoch wurden in Berlin am BfR die wichtigsten Resultate vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass „nano“ nicht automatisch „toxisch“ bedeutet. Vielmehr hängen mögliche Gesundheitsgefahren nicht nur mit der Größe der Teilchen zusammen, sondern auch mit der Gestaltung ihrer Oberfläche. In dem 6,5-Millionen-Projekt von Industrie, Behörden und Hochschulen wurden stellvertretend Partikel von Siliziumdioxid (SiO2) und Zirkoniumdioxid (ZrO2) untersucht, die etwa in Lacken eingesetzt werden, um diese kratzfester zu machen, sowie Silberpartikel, die in Sportkleidung verwendet werden, um aufgrund der antimikrobiellen Wirkung des Silbers üble Gerüche zu vermeiden.

Nanopartikel, die über den Mund aufgenommen werden, hatten keine bedeutsamen Giftwirkungen, sagte der Projektleiter Thomas Kuhlbusch vom Institut für Energie- und Umwelttechnik in Duisburg. Dabei machte es keinen Unterschied, ob sie „funktionalisiert“ waren oder nicht. So bezeichnen Forscher Partikel, die nicht aus reinem SiO2 oder ZrO2 bestehen, sondern an ihrer Oberfläche weitere chemische Elemente tragen. So sollen bestimmte Eigenschaften erzielt werden, etwa eine bessere Löslichkeit oder mehr Stabilität.

„Allerdings zeigte die Funktionalisierung einen Einfluss bei Versuchen, in denen Partikel eingeatmet oder direkt auf Zellen aufgebracht wurden“, sagte der Wissenschaftler. Bei bestimmten Elementverbindungen gab es im Tierexperiment Entzündungen. Anders formuliert: Durch gezielte Oberflächengestaltung kann die Gesundheitsgefahr der Nanopartikel verringert werden. Wobei die „schädlichen“ Partikelkonzentrationen deutlich höher waren als das, womit Arbeiter in Industriebetrieben konfrontiert sind, wie Kuhlbusch betonte.

Im nächsten Schritt wollen die Experrten weiter an der „Gruppierung“ der Partikel arbeiten. Das heißt, ähnliche Teilchen werden zusammengefasst und ihre Toxizität untersucht, um irgendwann zu klaren Grenzwerten in der verarbeitenden Industrie zu kommen. Denn es wäre viel zu aufwendig, diese Prozedur auf jeden einzelnen Partikeltyp anzuwenden.

Bis dahin sei man aber keineswegs ahnungslos, sagte Rolf Packroff von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin. „Früher wurde befürchtet, dass Nanopartikel möglicherweise völlig neue Eigenschaften haben und damit gefährlich sein könnten. Doch das ist zum Glück nicht der Fall.“ Bei gleicher chemischer Zusammensetzung wirken sie ähnlich wie die etwas größeren Mikropartikel. „Wir können vorhandene Daten zur Toxizität nutzen und mit einigen Sicherheitsaufschlägen zu Empfehlungen für Nanopartikel kommen.“ Wohlgemerkt, an bestimmten Arbeitsplätzen.

Für Konsumenten spielt all das keine Rolle, fügte der BfR-Experte Luch hinzu. Die orale Aufnahme von Nanopartikeln sei unproblematisch. Und das potenziell gefährliche Einatmen sei sehr unwahrscheinlich, schließlich stecken die Winzlinge fest in den verkauften Produkten.

Auch die Silbersocken sind nicht gefährlich. Nur eben ziemlich teuer, wenn man bedenkt, dass die Partikel nach wenigen Wäschen herausgewaschen sind.

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