zum Hauptinhalt
gletscher

© ddp

Natur: Eismaschine im Treibhaus

Vor 92 Millionen Jahren war es am Südpol sehr warm. Dennoch bildeten sich mächtige Gletscher.

Selbst Sonnenanbetern wäre es vor 92 Millionen Jahren im Supertreibhaus rund 380 Kilometer vor der Küste Südamerikas zu warm gewesen. Statt wie heute 29 Grad hatte das Atlantikwasser damals mit 37 Grad Celsius praktisch Körpertemperatur. Auch in den hohen Breiten kletterte die Quecksilbersäule oft über die 20-Grad-Marke und in der Arktis aalten sich Krokodile in subtropischen Verhältnissen. Und doch bildeten sich vor 91,2 Millionen Jahren nahe am Südpol mächtige Gletscher, wie André Bornemann, Geologe an der Uni Leipzig im Magazin „Science“ (Band 319, S. 189) schreibt.

So recht konnten sich Klimaforscher bisher nicht vorstellen, dass damals im Reich der Dinosaurier auf der sehr warmen Erde der Kreidezeit größere Gletscher existiert haben sollen. Waren doch die Erdplatten kräftig in Bewegung und bildeten neuen Ozeanboden. Riesige Mengen an Kohlendioxid kamen aus dem Erdinnern und verursachten in der Atmosphäre einen Supertreibhauseffekt, der die Temperaturen in für die letzten 500 Millionen Jahre unerreichte Höhen trieb.

Bornemann und Forscher aus Köln, den Niederlanden, Großbritannien sowie Kalifornien haben nun Sedimente aus dem tropischen Atlantik weit vor Surinam unter die Lupe genommen. „In diesen 83 bis 93 Millionen Jahren alten Gesteinsschichten haben sich Foraminiferen, das sind Meeresorganismen, gut erhalten“, sagt der Leipziger Geologe. Am Kalk ihrer Schalen kann man eine Sauerstoff-Isotopen-Analyse durchführen.

Dabei wird untersucht, wie viele der schweren Sauerstoff-18-Atome im Verhältnis zu den leichteren und viel häufigeren Sauerstoff-16-Atomen vorhanden sind. Beide Sauerstoff-Isotope kommen in der Natur vor, doch hängt das Verhältnis zwischen beiden Sorten vom Klima ab. Wird die Oberfläche der Meere wärmer, verdunsten von dort mehr Wassermoleküle mit dem schweren Sauerstoff-18, die Foraminiferen lagern weniger Sauerstoff-18 in ihre Kalkschalen ein.

Besonders niedrige Sauerstoff-Isotopen-Verhältnisse findet Bornemann in den Foraminiferen, die vor 91,3 Millionen Jahren im tropischen Atlantik lebten. Daraus schließt er, das Wasser könnte damals bis zu 37 Grad Celsius warm gewesen sein, 140 000 Jahre später enthalten die Foraminiferen erheblich mehr Sauerstoff-18 als vorher. Das könnte bedeuten, dass der Atlantik damals um fünf Grad kälter gewesen ist.

Weil jedoch Sauerstoff-16 leichter verdunstet und sich eher im Regen und in den Flüssen anreichert als im Meer, kann das Sauerstoff-Isotopen-Verhältnis auch steigen, wenn weniger Sauerstoff-16-reiches Flusswasser ins Meer strömt. Weil auch Gletscher aus Niederschlag und damit aus verdunstetem Wasser entstehen, enthält dieses Eis ebenfalls viel weniger Sauerstoff-18 als Meerwasser.

Um diese Effekte unterscheiden zu können, analysierten die Forscher zusätzlich chemische Verbindungen, die aus Mikroorganismen namens „Crenarchaeoten“ stammen. Das ergab, dass das Meerwasser vor 91,2 Millionen Jahren nur ein Grad kühler als 140 000 Jahre vorher gewesen sein kann. Da auch die Foraminiferen am Boden des Atlantik, der von einströmendem Süßwasser kaum erreicht wird, ähnliche Sauerstoff-Isotopen-Verhältnisse wie ihre Artgenossen im Oberflächenwasser zeigen, scheiden größere Veränderungen bei den Süßwasserströmen ins Meer als Ursache aus.

Bleibt also nur, dass der höhere Sauerstoff-18-Gehalt durch das Entstehen neuer Gletscher zustandekam, deren Eis sehr viel Sauerstoff-16 enthielt. Zudem gibt es Indizien, dass der Meeresspiegel in dieser Zeit um 25 bis 40 Meter gefallen sein könnte. Das deutet ebenfalls darauf hin, dass damals viel Eis entstanden sein könnte, dessen Wasser dem Meer fehlte.

Aus diesen Zahlen schließt Bornemann, damals könnte sich in wenigen zehntausend Jahren ein Eisschild im Inneren der Antarktis gebildet haben, das etwa der Hälfte der heute dort liegenden Eismassen entsprach. Ausgelöst wurden diese Gletscher im Supertreibhaus wohl auch durch eine Besonderheit der Erdbahn, die damals relativ wenig Sonnenlicht auf die Polregionen fallen ließ. Als diese Konstellation vorbei war, schmolzen die Gletscher wieder. Spuren einer weiteren Vereisung in dieser Zeit haben die Forscher nicht gefunden. Der Eispanzer im Supertreibhaus war wohl eine Ausnahme. Roland Knauer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false