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Brustvergrößerung. Bei Männern können die Brüste aufgrund von Hormonschwankungen, Fettleibigkeit aber auch Arznei-Nebenwirkungen über<QA0>die Maßen wachsen.

© Getty Images/Image Source

Nebenwirkung von Antidepressivum: Wenn die Männerbrüste wachsen und wachsen

Acht Milliarden US-Dollar Schadenersatz soll ein Pharmakonzern zahlen – wegen fehlender Warnung vor einer Nebenwirkung.

Risperdal ist ein Mittel gegen Depressionen, doch es hat mitunter eine Nebenwirkung: Es lässt Männerbrüste wachsen. Weil das Pharmaunternehmen Johnson&Johnson diesen ungewünschten Nebeneffekt nicht hinreichend deklariert habe, verurteilte die Geschworenenjury eines US-Gerichts die Firma nun zur Zahlung von acht Milliarden Dollar Schadenersatz. Insgesamt klagen etwa 13.000 Männer mit diesem Symptom – fraglich ist jedoch, ob es immer auf die Arznei zurückzuführen ist.

Der Wirkstoff Risperidon, ein Neuroleptikum (Antipsychotikum), wurde Anfang der 90er Jahre in den USA für die Therapie von Schizophrenie und 2006 für die Behandlung von Reizbarkeit bei autistischen Kindern zugelassen.

Viele verschiedene Auslöser

Gegen psychische Störungen wurde das Mittel in den USA aber bereits seit 1994 eingesetzt – jedoch erst nach 2006 mit einem Warnhinweis zu „Gynäkomastie“ im Beipackzettel. Dieses vermehrte Wachstum des Brustdrüsengewebes kann vorkommen, wenn sich das hormonelle Gleichgewicht von Östrogenen und Androgenen, etwa Testosteron, verschiebt.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig, Risperidon ist eine davon und wird in der deutschen S1-Leitlinie „Gynäkomastie im Erwachsenenalter“ neben Antidepressiva sowie Medikamenten gegen Haarausfall, Sodbrennen und Anabolika-Steroiden genannt. Auch Inhaltsstoffe in Plastikprodukten, wie BPA, Phthalate und Parabene stehen im Verdacht, Auslöser von Brustvergrößerungen zu sein.

Allerdings sind es nicht nur Medikamente, die dieses Symptom verursachen können. Bei übergewichtigen, erwachsenen Männern sind die Brustkörper manchmal einfach nur deshalb vergrößert, weil sich Fett eingelagert hat. „Diese sogenannte Lipomastie kann aber einen ähnlichen Leidensdruck verursachen wie die Gynäkomastie“, sagt der Androloge und Endokrinologe Michael Zitzmann vom Uniklinikum Münster. Deshalb ist denkbar, dass der eine oder andere Kläger eine Lipomastie hat.

Auch ein Hodentumor kann Ursache sein

Am häufigsten sind männliche Jugendliche und junge Männer bis Mitte 20 von Gynäkomastie betroffen. Etwa jeder zweite männliche Jugendliche hat ein- oder beidseitig eine vergrößerte Brust und nicht wenige Betroffene leiden sehr darunter. Zumal die vergrößerte Brust oft auch schmerzt. In vielen Fällen verschwindet die Gynäkomastie mit dem Pubertätsende allerdings wieder.

Während bei schlanken Jugendlichen allein das Wachstum des Drüsengewebes zur vergrößerten Brust führt, liegt bei übergewichtigen Jugendlichen vielfach eine Mischform aus Fettgewebe und vergrößertem Brustdrüsengewebe vor. Bei reichlich vorhandenem Fettgewebe entsteht ein Ungleichgewicht zwischen den weiblichen Östrogenen und den in den Hoden hergestellten männlichen Androgenen wie dem Testosteron. „Testosteron wird im Fettgewebe in Östrogen umgewandelt und dieser Überschuss regt dann die Brustdrüsenzellen zum Wachstum an“, sagt Zitzmann. Es gebe aber auch Fälle, bei denen die Keimdrüsen zu wenig oder gar kein Testosteron produzieren. „Und es kann auch mal ein Hodentumor zur Gynäkomastie führen.“

Insbesondere bei jungen Männern zwischen 18 und etwa 35 Jahren sollten die Hoden mittels Ultraschall daher untersucht werden, ob ein Hodentumor vorliegt, der die Testosteronproduktion erhöht, empfiehlt der Hormonexperte aus Münster. Außerdem sollte eine Blutuntersuchung erfolgen. Besonders wichtig sind die Werte für die Hormone Östrogen, Testosteron und Prolaktin sowie Tumormarker. Experten raten, die vergrößerte Brust nicht nur abzutasten, sondern sie auch mit Ultraschall und gegebenenfalls einer Mammografie zu untersuchen, denn es könnte sich nach der Pubertät auch mal um Brustkrebs handeln. „Der tritt eher einseitig auf und ist zumeist nicht schmerzhaft“, so Zitzmann. „Aber es gibt auch hier Ausnahmen.“

Wenn der Leidensdruck groß ist oder kleine Verhärtungen im Brustgewebe Schmerzen verursachen, raten die Experten zu einer Behandlung. Ergibt die Blutuntersuchung zu hohe Östrogenwerte, ist ein erster Therapieversuch mit einem Wirkstoff gegen das Östrogen, etwa Tamoxifen, möglich. Eine Operation sollte erwogen werden, wenn sich die Brust nach drei bis sechs Monaten Therapie nicht deutlich verkleinert hat. Dabei wird fast das komplette Drüsengewebe entfernt, so dass kein Brustwachstum mehr erfolgt – bis auf etwa zehn bis 20 Prozent, bei denen die Brust dennoch erneut wächst.

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