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Frischer Fisch. Vor 20 000 Jahren spülte die Donau Schmerlen in den Untergrund. Jetzt tauchen sie als erste Höhlenfischart Europas wieder auf.

© Jasminca Behrmann-Godel/Universität Konstanz

Neue Art: Forscher entdecken ersten Höhlenfisch Europas

Bisher ist er der einzige seiner Art: Der Höhlentaucher lebt in unterirdischen Gewässern zwischen Donau und der Aach-Quelle.

Als Joachim Kreiselmaier am 22. August 2015 wieder einmal das unterirdische und mit Wasser gefüllte Labyrinth hinter der Quelle der Radolfzeller Aach erkundet, sieht der Höhlentaucher im Schein seiner Lampe plötzlich einen fingerlangen blass-rosa, fast durchsichtigen Fisch. Dessen winzige Augen liegen tief im Schädel und reagieren nicht auf das Licht des Tauchers vom Verein „Freunde der Aachquelle“. Die Öffnungen für die empfindliche Nase sind hingegen doppelt so groß wie bei ähnlich großen Fischen, die in lichtdurchfluteten Gewässern leben.

Es stellt sich heraus: Kreiselmaier hat den ersten bisher in Europa beschriebenen Höhlenfisch entdeckt, wie jetzt Jasminca Behrmann-Godel, Spezialistin für die Ökologie und Evolution von Fischen an der Universität Konstanz und ihre Kollegen aus Oldenburg und Berlin in der Zeitschrift „Current Biology“ schreiben.

Gebiete lassen sich schwer untersuchen

„Wir hatten auf eine solche Entdeckung schon lange gewartet“, sagt Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, der den Körperbau der Tiere untersucht hat. Auf allen Kontinenten haben Forscher bisher Höhlenfische, 175 verschiedene Arten, in unterirdischen Gewässern entdeckt, nur nicht in Europa. Dabei gibt es auf der Balkan-Halbinsel oder auch in Süddeutschland ausgedehnte Karstgebiete mit großen Gewässern unter Tage. Allerdings lassen sie sich nur schwer erkunden. Trübes Wasser, starke Strömungen und ein unübersichtliches Labyrinth von Unterwasserwegen machten auch Kreiselmeier zu schaffen, als er 550 Meter hinter der oberirdischen Aach-Quelle auf die Fische stieß.

Fotos und fünf bei einem weiteren Tauchgang mühevoll lebend gefangene Fische zeigten den Forschern dann, dass es sich um eine Bachschmerlenart handelt, die sich an das Leben im Dunkeln angepasst hat. Erbgutanalysen ergaben, dass die Höhlenfische nah verwandt sind mit Donau-Schmerlen, aber seit etwa 20 000 Jahren ohne größere Kontakte mit dieser Ahnen-Population eigene Wege geschwommen waren.

Der Fisch frisst kleine Organismen im Wasser

Die Vorfahren der Tiere sind vermutlich durch die Donauversinkung zwischen den Gemeinden Immendingen und Tuttlingen durch Risse und Klüfte im Kalkgestein in die Tiefe geschwemmt worden. „In den unterirdischen Gängen, in denen das Wasser dort unten rund zwölf Kilometer nach Südosten bis zur Aach-Quelle fließt, finden die Tiere alles, was sie zum Leben brauchen“, sagt Behrmann-Godel.

Das Donauwasser bringt ihnen nicht nur frischen Sauerstoff, sondern reißt auch kleine Organismen mit, die die Höhlen-Schmerlen ebenso fressen wie die Asseln, Krebse und Schnecken, die an den Wänden der unterirdischen Wasserläufe wachsende Bakterienteppiche und andere winzige Organismen abweiden. Nur wenn die Höhlen-Schmerlen durch die Aach-Quelle ausgeschwemmt werden, landen die blinden Tiere vermutlich rasch im Maul von Feinden. Auch aus diesem Grund wurden sie wohl erst jetzt entdeckt.

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