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Auf Wandbildern sind ein Blick in die Volkskammer der DDR sowie eine Demonstration für "Freiheit" zu sehen.

© Deutscher Bundestag/ Julia Nowak

Neue Ausstellung im Deutschen Dom: Ein Rundgang durch die Geschichte der Demokratie

Am Gendarmenmarkt erklärt der Bundestag die Entwicklung des Parlamentarismus anschaulich. Dem Ende der Weimarer Republik wird die Ausstellung aber nicht gerecht.

Auf digitalen Litfaßsäulen leuchten Plakate mit kämpferischen Parolen auf. Von den Wänden blicken einen von fast lebensgroßen Fotos hier die ersten Volksvertreterinnen und Partei-Frauen an, dort eine Gruppe Berliner Wahlkämpfer:innen des breiten Spektrums der Weimarer Republik. Im neu gestalteten Teil der „Parlamentshistorischen Ausstellung“ im Deutschen Dom hinterlässt Geschichte keineswegs einen verstaubten Eindruck.

Die Rauminszenierung der Agentur Archimedes, die der Bundestag mit der Neugestaltung beauftragt hatte, greift die Ästhetik der Epochen auf, ohne dem Publikum Stimmungen überzustülpen. Zwischen Erklär-Wänden gibt es Modelle, Filmdokumente und Details wie die Ausweiskarte eines Weimarer Abgeordneten von 1920.

Lesetafeln übersetzen Zeitungen aus Fraktur in heutige Schrift, Touchscreens laden zum Weiterlesen ein. „Wir wollen nicht nur historische Exponate in Vitrinen präsentieren, sondern zeigen, wie sich seit dem 19. Jahrhundert die parlamentarische Demokratie in Deutschland entwickelt hat und welche zentrale Bedeutung dem Deutschen Bundestag nach unserer Verfassung zukommt“, erklärt der für die Ausstellung zuständige Referent Andreas Baasner.

Die Wiedervereinigung als Happy End

Der Weg dorthin ist turbulent und er beginnt mit dem bunten Flickenteppich der 26 Kleinstaaten, aus denen sich das deutsche Kaiserreich zu seiner Gründung 1871 zusammensetzte. Das, was später einmal zu einer Republik geformt werden soll, sieht zunächst nach großem Durcheinander aus, kaum lassen sich daraus die heutigen Landesgrenzen erschließen.

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Der Rundgang führt von der konstitutionellen Monarchie, als die Volksvertretung, dem „Reichskanzler“ untergeordnet, noch in den Kinderschuhen steckte und Liberale wie Konservative mit Bismarck um Reformen rangen, über den Ersten Weltkrieg und Weimar bis zu Hitlers Machtübernahme.

In der nächsten Ebene geht es vom Nationalsozialismus über den Wiederaufbau bis zur Gründung von Bundesrepublik und DDR, deren SED-geführter „Scheinparlamentarismus“ wie auch die „Friedliche Revolution“ ausführlich erklärt werden. Am Ende steht die Wiedervereinigung: Hier strahlt das Happy End der Bundestagserzählung auf leuchtend gelbem Hintergrund.

Clara Zetkin und Rosa Luxemburg bei einem Stadtspaziergang.
Rolle als Frauenrechtlerin nicht erwähnt: Clara Zetkin (links) und Rosa Luxemburg im Jahr 1910.

© picture alliance / CPA Media Co. Ltd

Zunächst empfängt das späte 20. Jahrhundert die Besucher:innen aber mit einem faden Grau: Eine Wand markiert die große Leerstelle, die die Herrschaft der Nationalsozialisten für den Parlamentarismus bedeutet. Daneben erinnert eine gläserne schwarze Gedenkwand an die verfolgten und ermordeten Abgeordneten der Weimarer Volksvertretung, deren Namen verlesen werden.

Eine kleine Schwäche der Dauerausstellung

Auch der digitale Zeitstrahl, der in der Mitte des Rondells auf allen Ebenen zeigt, wie häufig die verschiedenen Volksvertretungen tagten, fällt in der Nazi-Episode erwartbar kümmerlich aus. Nur 19 Mal zwischen 1933 und 45 rief Hitler den Reichstag zu gleichgeschalteten Pseudo-Abstimmungen zusammen. „Zum Vergleich: In der Regel gibt es jährlich mindestens 20 Sitzungswochen und pro Woche drei Plenartage“, bemerkt Baasner.

Demokratie ist verletzlich – dafür steht in Deutschland keine andere Zeit mehr als die Weimarer. Hier liegt allerdings eine kleine Schwäche der neuen Dauerausstellung. „Die Weimarer Republik ist zu einem wesentlichen Teil an ihrer zu großen Duldsamkeit gegenüber den Feinden der Demokratie zugrunde gegangen“, heißt es knapp als Erklärung ihres Scheiterns. Im Text darüber werden als Demokratiefeinde die KPD in einem Zug mit den Deutsch- Nationalen, die die Monarchie wiederherstellen wollten, und der NSDAP genannt.

Kein Wort darüber, wie sich das Menschenbild der Sozialrevolutionäre von dem der Faschisten unterschiedet. Dass mit Zustimmung zu den Notstandsgesetzen das konservativ-bürgerliche Lager Hitler die Steigbügel zur Alleinherrschaft hielt, wird nicht erwähnt, selbst nicht im Zusammenhang mit dem letzten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.

Auch verwundert ein wenig, dass in der Kurzbiografie von Clara Zetkin ihre international führende Rolle als Frauenrechtlerin ausgespart wurde.

Interesse an der parlamentarischen Demokratie stärken

Dennoch: Der Besuch des Kuppelgebäudes am prächtigen Gendarmenmarkt lohnt allemal. Von allen Ebenen des Turm-Rundgangs lässt sich auf eine Art Miniatur-Plenarsaal im Erdgeschoss, dem Bundestag nachempfunden, herunter gucken.

Vor der Pandemie hatten die Ausstellungsführer:innen in kleinen, das aktuelle Parteiverhältnis spiegelnden Fraktionen regelmäßig für Besuchergruppen Bundestagsdebatten inszeniert, zum Beispiel zum Wahlalter ab 16. Referent Baasner hofft, dass auch dies bald wieder möglich wird und sich das Haus mit Leben füllt.

Und er fügt hinzu: „Wenn es gelingt, mit dieser Ausstellung bei den Besucher:innen Interesse an der parlamentarischen Demokratie zu stärken oder zu wecken, haben wir viel erreicht.“

Eva Murasov

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