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Neue Bildungsstudie: Bittere Lehre

Schlechte Noten für Schulen und Universitäten: Nach der kritischen OECD-Studie fordern Politiker von den deutschen Hochschulen mehr Engagement für die Studierenden.

Zu wenig Nachwuchs in den Ingenieurswissenschaften, ein drohender Lehrermangel, ein im internationalen Vergleich wenig dynamisches Bildungssystem – die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt Deutschland auch in der neuen Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick“ ein schlechtes Zeugnis aus. Die Studie werde die Debatte um das deutsche Bildungssystem hoffentlich weiter vorantreiben, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría, als er die siebte Ausgabe des Berichts in Berlin vorstellte.

Schwerpunkt der diesjährigen Studie war die Frage, wie sich die Bildungsexpansion in den OECD-Staaten auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Er wisse, dass gerade in Deutschland heftig diskutiert werde, ob die Ausbildung von deutlich mehr Hochschulabsolventen nicht kontraproduktiv wirke, sagte Gurría – indem etwa das Studium entwertet und Nichtakademiker der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen werde. Die Studie zeige das Gegenteil: Wenn Staaten ihre Hochschulen massiv ausbauten, profitierten davon auch Nichtakademiker. So stieg in Korea, Irland und Frankreich zwischen 1995 und 2004 die Zahl der Hochschulabsolventen am schnellsten. Gleichwohl sank in dem gleichen Zeitraum die Zahl der arbeitslosen Geringqualifizierten. In Staaten mit einer kaum wachsenden Akademikerquote wie Deutschland oder der Slowakei stieg dagegen die Zahl der arbeitslosen Geringqualifizierten an. Im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse der Studie.

Studierende und Fachkräftenachwuchs

Zwanzig Prozent eines Jahrgangs schaffen in Deutschland einen Hochschulabschluss, OECD-weit sind es dagegen 36 Prozent. Das Resultat: In allen Fachbereichen bildet Deutschland weniger Nachwuchskräfte aus als der Schnitt der OECD-Länder. Auf 100 Ingenieure im Alter von 55 bis 64 kommen nur 90 Graduierte zwischen 25 und 34 Jahren. Die bald in Rente gehenden Ingenieure können so kaum ersetzt werden. Im OECD-Schnitt werden dagegen zwei Nachwuchsingenieure pro älterer Fachkraft ausgebildet. Auf hundert bald ausscheidende Pädagogen kommen in Deutschland nur 60 junge Absolventen. Zudem brechen gerade in den alten, vergleichsweise langen Studiengängen 35 Prozent der Studierenden die Uni ab. Diese Quote wird nur von Tschechien übertroffen. In den neuen gestuften Studiengängen, die drei bis vier Jahre dauern, liegt Deutschland dagegen mit nur acht Prozent Abbrechern unter dem Schnitt. Mit der flächendeckenden Einführung von Bachelor und Master sei also ein deutlicher Rückgang der Studienabbrecher zu erwarten. Jürgen Zöllner, der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, forderte die Hochschulen auf, sich stärker in der Lehre zu engagieren – anstatt sich allein in der Forschung und im Elitewettbewerb profilieren zu wollen. „Besorgniserregend“ sei, dass ein Hochschulstudium für Jugendliche offensichtlich unattraktiv sei, sagte Gurría. Nur 21 Prozent der 15-jährigen Mädchen strebten ein Studium an, bei den Jungen seien es sogar nur 18 Prozent. In Südkorea äußerten dagegen 80 Prozent den Wunsch, zur Uni zu gehen (OECD-Schnitt: 57 Prozent).

Bildungsausgaben

Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland 2005 um 0,2 Prozent auf 5,2 Prozent gesunken. Deutschland gehört damit zu den wenigen Ländern, bei denen der Wert zurückgeht, und liegt jetzt unter dem OECD-Mittelwert von 5,5 Prozent. Spitzenreiter sind Israel (8,3 Prozent), Island (8,0 Prozent) und die USA (7,4 Prozent). Gurría kritisierte, dass Deutschland insbesondere die Lehre an den Hochschulen vernachlässige. Rechne man die Forschungsausgaben heraus, gebe Deutschland 7724 Dollar pro Student aus. Der OECD-Schnitt liegt höher, die USA zahlen knapp 20 000 Dollar pro Studierendem. Pro Schüler gibt Deutschland 4900 Dollar aus (OECD: 5700 Dollar).

Duales Ausbildungssystem

83 Prozent der 25- bis 64-Jährigen haben in Deutschland mindestens einen Abschluss der Sekundarstufe II – also ein Abitur oder eine abgeschlossene Lehre. Die Zahl hob Bildungsministerin Annette Schavan als „Stärke“ des deutschen Bildungssystems hervor. Bereits im Vorfeld hieß es aus der CDU, die hohe Zahl der Absolventen einer Berufsausbildung mache die niedrige Zahl der Hochschulabsolventen wett. Die Studie zeigt aber, dass Deutschland bei den hochwertigen Abschlüssen unter dem OECD-Schnitt liegt. Zu diesem Tertiärbereich zählt die OECD ein Studium genauso wie eine Weiterqualifizierung etwa an einer Technikerschule. In Deutschland kommen 30,6 Prozent eines Jahrgangs auf einen Abschluss in dem Bereich, im OECD-Schnitt sind es 45 Prozent.

Beschäftigungsaussichten

Hochschulabsolventen haben auf dem Arbeitsmarkt hierzulande „deutlich größere Vorteile“ als in den meisten anderen OECD-Staaten. Das Risiko für sie, arbeitslos zu werden, ist seit 1991 konstant niedrig: 3,2 Prozent waren 1991 ohne Arbeit, 5,5 Prozent waren es im Jahr 2005 (OECD-Schnitt: vier Prozent). Dagegen waren 2005 elf Prozent derjenigen arbeitslos, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten – 1991 waren es nur 4,7 Prozent. Noch mehr stieg die Arbeitslosigkeit in dem Zeitraum bei denen, die allein einen Real- oder Hauptschulabschluss haben: Von 7,4 Prozent auf 20,2 Prozent (OECD-Schnitt elf Prozent).

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