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Mit der Gen-Schere "Crispr-Cas" lässt sich auch das Erbgut von Maispflanzen verändern. Wie Bürger über die Anwendung dieser "genchirurgischen" Werkzeuge denken, will das Bundesinstitut für Risikobewertung auf einer Verbraucherkonferenz diskutieren.

© pa/obs/SWR

Neue gentechnische Methoden: „Ein Verbrauchervotum zu Genome Editing“

Das Bundesinstitut für Risikobewertung will mit Laien über die neuen Gentechnikmethoden debattieren. Fragen an dessen Chef, Andreas Hensel.

Herr Professor Hensel, Sie wollen so genannte Verbraucherkonferenzen zum Thema Genome Editing, auch Genchirurgie genannt, veranstalten. Inwiefern sind diese noch sehr neuen Techniken denn schon relevant für Verbraucher?

Die Zukunft hat schon begonnen. Das zeigt die Tatsache, dass in China bereits 2018 zwei Kinder auf die Welt kamen, bei denen Genchirurgie eingesetzt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass neue genchirurgische Verfahren große Bedeutung erlangen werden. Das gilt vor allem für die Genschere CRISPR/Cas9. Diese Methode erlaubt genetische Veränderungen mit bislang ungekannter Genauigkeit, etwa in der Pflanzenzüchtung oder der Medizinforschung. Umso wichtiger ist es für uns, eine Konferenz für Laien zu dem Thema zu veranstalten. Wir wollen rechtzeitig, nämlich bereits in dieser frühen Phase, sachgerecht informierte Verbraucherinnen und Verbraucher zu Wort kommen lassen.

Wie sollen die drei Konferenzen, die Sie planen, ablaufen und was ist geplant?
Im Mittelpunkt der zwei Vorbereitungswochenenden steht neben dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmer eine verständliche und sachkundige Einführung in das Genome Editing durch Fachleute, seine wissenschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Aspekte. Dann formuliert die Gruppe Fragen zu wichtigen Gesichtspunkten. Bei der dritten Konferenz diskutieren die Verbraucher dann ihre Fragen mit einer selbst ausgewählten Expertengruppe und erarbeiten im Anschluss ein Verbrauchervotum zur „Anwendung von Genome Editing im verbrauchernahen Bereich“. Es wird auf Grundlage des Dialogs mit den Experten formuliert und soll Entscheidern aus Verbraucherschutz, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bei einer öffentlichen Abschlusskonferenz.

Sie wollen jedem Teilnehmer 500 Euro Aufwandsentschädigung zahlen. Riskieren Sie damit nicht, Teilnehmer zu rekrutieren, denen es eher um das Geld und weniger um die Sache geht?
Das ist ein nicht unberechtigter Einwand. Eine Teilnahme ohne Aufwandsentschädigung wäre allerdings nicht jedem möglich. Unser Angebot soll sicherstellen, dass kein Interessent aus finanziellen Gründen auf diese Veranstaltung verzichten muss. Uns ist es wichtig, Menschen aus ganz verschiedenen Verbrauchergruppen zu gewinnen. Dies wird natürlich erschwert, wenn finanzielle Gründe gegen eine Teilnahme sprechen.

Andreas Hensel (58) ist seit 2002 Präsident des damals neu gegründeten Bundesinstituts für Risikobewertung. Er ist Veterinärmediziner, Mikrobiologe und Hygieniker.
Andreas Hensel (58) ist seit 2002 Präsident des damals neu gegründeten Bundesinstituts für Risikobewertung. Er ist Veterinärmediziner, Mikrobiologe und Hygieniker.

© BfR

Was erhoffen Sie sich von den Konferenzen für das Bundesinstitut und für Teilnehmer?
Unser Ziel ist ein Dokument, das eine Bewertung und daraus abgeleitete Empfehlungen zum politischen und gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Genome Editing enthält. Es soll nicht, wie meist bei Diskussionen zur Technologiefolgenabschätzung üblich, die Meinung von Expertinnen und Experten widerspiegeln. Stattdessen sollen Verbraucher, die sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, das Votum erarbeiten. Sie können unbeantwortete Fragen, Forderungen an Entscheidungsträger, Forschungsbedarf sowie gesellschaftliche Risiko-Nutzen-Einschätzungen herausarbeiten. Zusätzlich zu den wissenschaftlichen Stellungnahmen würde damit erstmalig ein Bürgervotum zu diesem Thema vorliegen. Es kann – wie auch die Verbraucherkonferenz zum sicheren Einsatz der Nanotechnologie 2006 – als Grundlage insbesondere für politische Entscheidungen herangezogen werden. Zudem erhoffen wir uns eine bessere und breitere Kommunikation über Genome Editing. Hier dominieren bislang noch die Fachleute.

Im Flyer steht, Teilnehmer dürften nicht über 60 oder unter 20 sein. Warum?
Diese Altersbeschränkung haben wir vor kurzem aufgehoben. Sie hatte methodische Gründe. Die jetzige Konferenz ist die zweite Veranstaltung des Bundesinstituts für Risikobewertung zum Thema Verbraucher und Genome Editing. Einen ersten Einblick zum Wissensstand gewannen wir im November 2016 mit Interviews. Unser ursprüngliches Ziel war es, die Ergebnisse zusammenzufügen. Da es zu Verzerrungen kommen kann, ist das mit Personen unterschiedlicher Altersgruppen wissenschaftlich nicht haltbar. Uns haben jedoch etliche Anfragen von Interessenten erreicht, die die Alterskriterien nicht erfüllen. Daher haben wir uns dazu entschlossen, die Bürger uneingeschränkt zu beteiligen. Somit gelten für die Teilnahme keine Voraussetzungen – außer dem Interesse an der Thematik und Freude an Gruppendiskussionen.

Wie bewertet denn nun das Bundesinstitut für Risikobewertung derzeit die Risiken durch Genome Editing?
Ganz wichtig ist, dass wir nicht die Methode selbst bewerten, sondern die potenziellen Risiken des fertigen Produktes. Also das, was beim Verbraucher ankommt. Da gibt es kein pauschales Urteil. Wie bei jeder Methode, mit der das Erbgut verändert wird, kann auch beim Genome Editing nicht ausgeschlossen werden, dass andere Genabschnitte als die gewünschten betroffen sind. In der Fachsprache nennt man das „off-target“-Ereignisse. Die neuen Genscheren arbeiten jedoch sehr genau. Daher wird in der Wissenschaft die Auffassung vertreten, dass unerwünschte „off-target“-Ereignisse seltener auftreten als bei herkömmlichen Verfahren, bei denen Mutationen zum Beispiel mit Strahlen oder Chemikalien hervorgerufen werden. Das wäre dann ein Plus für die Sicherheit.

Die Fragen stellte Richard Friebe. Die BfR-Verbraucherkonferenz im Internet: https://www.bfr.bund.de/de/verbraucherkonferenz_genome_editing.html

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