zum Hauptinhalt
Eiweiß aus dem Garten. Allein in Deutschland gibt es mehr als 100 Bohnensorten.

© Getty Images

Neue Proteinquellen für die Welternährung: Wertvoller als ein kleines Steak

Bohnen essen, Larven braten und mehr Fischteiche graben: Deutsche Forscher haben einen Plan, künftige Generationen nachhaltig mit Protein zu versorgen.

„Du bist, was du isst“, ist ein geflügeltes Wort. Gemeint ist damit meist: Wer sich „gesund“ ernährt, kann auf diese Weise auch seine Chance steigern, gesund zu bleiben. Und umgekehrt. Rein physiologisch betrachtet, bedeutet es schlicht, dass außer Luft und UV-Strahlen so ziemlich alles, was Menschen zum Leben brauchen – alles, woraus sie bestehen, was sie „sind“ –, über Magen und Darm in sie hinein kommen muss. Das meiste davon sollte auch schon in Form verwertbarer Lebensbausteine vorliegen. Aus Kohlenhydraten etwa lässt sich reichlich Energie ziehen, Muskelmasse aufbauen aber eben nicht. Dafür braucht es Proteine. Ohne genügend Eiweiß ist ein gesundes Leben nicht möglich. Gleichzeitig ist dies aber auch der Makronährstoff, der gemessen an seinem Energiegehalt derzeit am meisten Ressourcen verbraucht – weil er größtenteils von Tieren stammt.

Die Maxime „Du bist, was Du isst“ kann man folglich auch auf die Menschheit insgesamt und die Umwelt, in der sie lebt, anwenden. Doch sie wirft ein Problem auf: Angesichts der vorhandenen und zukünftig erschließbaren Anbauflächen im Bereich Protein ist es rein rechnerisch praktisch unmöglich, die bald acht Milliarden Menschen zu ernähren. Jedenfalls dann, wenn sie ausreichend und den Bedarf an allen Nährstoffen deckend essen sollen – und die Proteinquellen die gleichen bleiben wie bisher.

Deutsche Forscher legen ein neues Strategiepapier vor

Wie könnte man den Eiweißbedarf der wachsenden Weltbevölkerung in Zukunft decken, ohne dabei den Planeten zu zerstören? Forscher verschiedener deutscher Leibniz-Institute und Universitäten haben nun versucht, einen Katalog für eine Proteinversorgungsstrategie vorzulegen. Unter dem Titel „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ legen sie ihre Sicht dar. Das „Positionspapier“ ist jetzt im Fachjournal „Global Food Security“ erschienen.

So ziemlich alle relevanten Fachrichtungen waren beteiligt. In erster Linie trugen Ernährungsforscher ihre Expertise bei. Denn: Protein ist eben nicht gleich Protein. Pflanzeneiweiße etwa bringen nicht jene komplette und für den Menschen ideale Aminosäuremischung mit wie ein Hühnerei. Nur gekochte Bohnen zu essen, ist beispielsweise langfristig keine ideale Lösung. Doch bestimmte Zubereitungsmethoden können dazu beitragen, dass diese Hülsenfrüchte zum fast vollwertigen Proteinlieferanten werden. Zu den zentralen Vorschlägen der Forscher gehört auch, in Zukunft pflanzliche Proteinquellen in Nahrungsmitteln gezielt und wissenschaftsbasiert so zu kombinieren, dass sich daraus insgesamt eine vollwertige Proteinzusammensetzung ergibt.

Um das zu können, muss man aber jene Pflanzenprodukte überhaupt erst einmal herstellen. Deshalb brachten auch Fachleute aus den Agrar- und Pflanzenwissenschaften ihr Wissen ein. Dazu kamen Expertinnen und Experten für Marine- und Süßwasserökologie, Insektenkundler, Klima- und Erdsystemforscher.

Hülsenfrüchte haben eine bessere Klimabilanz

Wie groß das Potenzial ist, ist längst bekannt. Schon vor fünf Jahren rechneten Joan Sabaté von der Loma Linda University und seine Kollegen beispielsweise vor, dass „um ein Kilogramm Protein aus Kidneybohnen herzustellen, etwa achtzehn Mal weniger Land, zehn Mal weniger Wasser, neun Mal weniger Kraftstoff, zwölf Mal weniger Dünger und zehn Mal weniger Pestizide erforderlich sind als bei der Herstellung von einem Kilogramm Protein aus Rindfleisch“. Doch selbst Hühnerfleisch und -eier haben eine deutlich bessere Klima- und Ökobilanz als die klassischen Steaklieferanten von der Weide Nund aus dem Stall.

Hülsenfrüchte sind auch im ernährungswissenschaftlich-ökologischen Gesamtbild ein wichtiger Baustein. Ihr Vorteil ist, dass sie sich mit Hilfe von Bakterien den für Proteine wichtigen Stickstoff aus der Luft holen statt aus klimaschädlichen Düngemitteln.

Aquakulturen müssen ausgebaut werden

Bisher eher wenig ernstgenommene Vorschläge, wie etwa der, auf Insektenprotein zu setzen – auch dort, wo es nicht Teil der kulinarischen Tradition ist –, gehören ebenfalls dazu. Hier beklagen die Forscher, dass es kaum politische Initiativen gebe, solche Alternativen zu fördern. Dazu kommen müsse ein Ausbau der Fischproduktion in Aquakultursystemen. Die sollten deutlich nachhaltiger werden als bisher, mit weniger Bedarf an Antibiotika und mehr Nutzung von Kreislaufsystemen.

Das könnte oft bedeuten, sie in die angrenzende Landwirtschaft zu integrieren: So ist es oft sinnvoll, Wasser aus den Fischtanks zur Düngung und Bewässerung zu nutzen. Aquaponik heißt dieses Verfahren. In einem ideal funktionierenden Aquaponik-System klären die Pflanzen das Wasser so gut, dass es wieder in den Fischtank gepumpt werden kann – und sich so der Kreislauf schließt.

Über die gesundheitlich optimale Proteinzufuhr ist bislang nicht genug bekannt

Doch neben jenem Katalog der Vorschläge ergab sich, wenig überraschend, auch ein Katalog der noch offenen Fragen. „Grundsätzlich müssen wir nicht nur die gesundheitlichen Auswirkungen unserer Ernährung betrachten, sondern auch die indirekten gesundheitlichen Folgen, die durch die Nahrungsmittelproduktion entstehen – von der Übernutzung von Wasserressourcen bis zum Verlust von Artenvielfalt“, sagt Isabelle Weindl vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Nicht einmal über die gesundheitlich optimale Proteinzufuhr ist bislang genug bekannt. So gebe es einerseits Hinweise auf „eine gesundheitsfördernde Wirkung von proteinreichen Diäten, etwa bei der Therapie von Fettleibigkeit“, sagt Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Epidemiologische Studien legten jedoch auch nah, dass sich eine proteinarme Ernährung positiv auf die Lebenserwartung und das Erkrankungsrisiko auswirke.

Eines allerdings sei sicher, so Susanne Klaus: Die Menschen würden ihr „Ernährungsverhalten ändern müssen“. An einem „größeren Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel und an alternativen Eiweißquellen“ führt in Zukunft kein Weg vorbei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false