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Sharon Macdonald

©  Humboldt-Stiftung

Neuer Wind für Berlins Museen: Eine Britin kümmert sich um das Preußenerbe

Die Spitzenwissenschaftlerin Sharon Macdonald wurde mit 3,5 Millionen Euro nach Berlin gelockt. Sie wird die Museen erforschen - und ihren Landsmann Neil MacGregor beim Humboldtforum beraten.

Welche Objekte werden in Museen ausgestellt? Wie gehen Gesellschaften mit schwierigem Kulturerbe um? Wie wird der Islam in Museen dargestellt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Museumswissenschaftlerin Sharon Macdonald. Gerade ist sie zu Besuch in Berlin, in der vergangenen Woche nahm die britische Spitzenforscherin eine Alexander-von- Humboldt-Professur entgegen, den höchstdotierten Forschungspreis in Deutschland. Ab Oktober wird Macdonald am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität arbeiten. Sie will dort ein neues Zentrum für anthropologische Kulturerbe- und Museumsforschung aufbauen. Nicht zuletzt ist die 54-Jährige nach Berlin geholt worden, um konkreter Museumsprojekte wie das zukünftige Humboldtforum und die Museumsinsel zu beraten.

"Die ganze Welt schaut auf das, was hier passiert"

„Die Berliner Museumslandschaft ist spannend, die ganze Welt schaut auf das, was hier passiert“, sagt Macdonald. Sie ist nach Neil MacGregor, derzeit Direktor des British Museum in London und künftiger Leiter der Gründungsintendanz des Humboldtforums, die nächste Museumsexpertin, die aus Großbritannien nach Deutschland kommt. Auch sie spricht deutsch, selbst in Fachinterviews. Zwei Jahre hat sie bereits in Deutschland gelebt, 2006 als Gastforscherin an der Humboldt-Universität gearbeitet. In Nürnberg untersuchte sie, wie die Stadt mit dem Erbe der NS-Zeit umgeht. Dafür analysierte sie Sitzungsprotokolle, Touristenbroschüren und Gästebücher in Ausstellungen, sie befragte Geschichtsarbeiter, die auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände Führungen machten, sprach mit Spaziergängern, Schulkindern und Bundeswehrsoldaten.

Ähnliche Methoden werden auch bei der Erforschung der Berliner Museumslandschaft zum Einsatz kommen. Macdonalds anthropologische Perspektive ist im Bereich der Museumsforschung ungewöhnlich. Einen Großteil der 3,5 Millionen Euro, mit der die Alexander-von- Humboldt-Professur ausgestattet ist, will sie in ihr Personal investieren. Acht Personen soll das Team umfassen, neben fest angestellten internationalen Forschern will die Britin auch Gastforscher holen, die Perspektiven aus unterschiedlichen Ländern einbringen. Zusätzlich zahlt das Naturkundemuseum eine Juniorprofessur, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) eine Doktorandenstelle.

Mit dem Instrumentarium der Ethnologie will Macdonald vor allem in den Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und im Naturkundemuseum forschen, diejenigen Institutionen, die sie gemeinsam mit der Humboldt-Universität nominiert haben. Aber auch andere Berliner Ausstellungshäuser könnten untersucht werden.

Macdonald hinterfragt die Kategorisierungen in den Naturwissenschaften

Macdonald geht es um Globalisierung und Diversität: „Ich interessiere mich dafür, wie Menschen Wissensfelder kategorisieren und welche Folgen das hat.“ Im Naturkundemuseum werden Tiere und Pflanzen in Gattungen eingeteilt. Auch in ethnologischen oder in geschichtswissenschaftlichen Museen werden Kategorien verwendet, die selbstverständlich erscheinen, es aber nicht sind. Dazu zählt die Einteilung in europäische und außer-europäische Kunst, die die Sammlungen der Preußenstiftung prägt. „Diese strikte Trennung gab es nicht immer“, sagt Macdonald. Sie sollte genauso infrage gestellt werden wie der Umgang mit Sammlungsgegenständen, die aus ehemaligen Kolonien stammen. Aus Macdonalds Sicht ist es wichtig, in Ausstellungen – zum Beispiel im künftigen Humboldtforum – mit den Menschen aus den Herkunftsländern ins Gespräch zu kommen. Statt Objekte zurückzugeben oder zu behalten, könnten sie als Leihgaben behandelt werden.

Sparzwang kennt Macdonald aus Großbritannien

Eine weitere Frage, die Macdonald umtreibt und die sie an der University of York bearbeitet: Ist es in Ordnung, wenn Museen ihre Sammlungen nicht für die Ewigkeit aufbewahren? Weil die Regierung Mittel kürzte, mussten einige Museen in Großbritannien schließen. Andere haben Schwierigkeiten zu entscheiden, was sie in ihre Sammlungen aufnehmen sollen. Reicht es, wenn Exponate nur digital vorliegen? Fragen, die Zündstoff bergen.

Als Sozialanthropologin ist Sharon Macdonald es gewohnt, sich mitten ins Geschehen zu werfen. Ihren Landsmann Neil MacGregor, bald die treibende Kraft im Humboldtforum, kennt sie bisher nicht persönlich. „Im Sommer wollen wir uns treffen und darüber sprechen, wie die Zusammenarbeit mit dem Humboldtforum aussehen kann.“

Den Sparzwang indes, dem Museen unterliegen, kennt Macdonald aus eigener Erfahrung. In Großbritannien sind auch Geisteswissenschaftler in der Pflicht, die Effizienz ihrer Forschung zu belegen. Auch habe sich das Verhältnis zwischen Professoren und Studenten durch die hohen Studiengebühren verändert. Als Flucht will sie ihren Weggang nach Berlin aber nicht bezeichnen. Eher als wunderbare Gelegenheit, neue Akzente in der Forschung zu setzen.

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