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Neurobiologie: Affen bewegen gelähmte Muskeln mit ihrem Geist

Hirnsignale mithilfe von Elektroden an einen gelähmten Handgelenksmuskel zu senden, stellt Bewegung wieder her.

Das gelähmte Handgelenk eines Affen kann durch elektrische Signale, die künstlich vom Gehirn gesendet werden, bewegt und kontrolliert werden - so Wissenschaftler, die in ihrem Experiment einen Schritt sehen, gelähmten Menschen zu helfen, ihre Extremitäten wieder zu bewegen.

Zuvor waren Wissenschaftler bereits in der Lage gewesen, Affen so zu trainieren, dass sie Roboterarme anhand von Signalen, die mithilfe von Elektroden aus ihrem Gehirn abgeleitet wurden, bewegen konnten (1). Dazu war es notwendig die Aktivität dutzender Neuronen gleichzeitig abzuleiten, um Aktivitäten wie Greifen zu replizieren, was eine bedeutende Computerleistung voraussetzte.

Nun verwendeten Chet Moritz und seine Kollegen an der University of Washington in Seattle ähnliche Signale, um elektrische Stimulationen von einem einzelnen Neuron an einen gelähmten Muskel zu leiten.

Zunächst implantierten sie eine Anzahl Elektroden in den motorischen Kortex zweier Makakenaffen. Jede Elektrode empfing das Signal eines einzelnen Neurons, diese Signale wurden wiederum durch einen externen Schaltkreis an einen Computer gesendet. Die neuronalen Signale steuerten einen Cursor auf einem Bildschirm und die Affen lernten, den Cursor lediglich durch ihre Hirnaktivität zu bewegen.

Anschließend lähmten die Wissenschaftler die Handgelenksmuskulatur der Affen vorübergehend mit einem Lokalanästhetikum. Sie leiteten die elektrische Stimulation von den Elektroden zu den Muskeln im Handgelenk und entdeckten, dass die Affen ihre bis dahin gelähmten Handgelenke mit derselben Hirnaktivität kontrollieren konnten. Wie in Nature berichtet wird, lernten die Affen dies in weniger als einer Stunde (2).

Erstaunliche Flexibilität

Die ursprüngliche Funktion des Neurons hat keinen Einfluss darauf, ob es trainiert werden kann, einen bestimmten Muskel zu bewegen. "Alle Neuronen können gleich gut genutzt werden, ganz gleich, ob das Neuron ursprünglich mit der Aktivität dieser Muskeln in Zusammenhang stand. Das erhöht die Zahl der Neurone, die potenziell genutzt werden können, um eine solche neuronale Prothese zu steuern, dramatisch", erklärt Moritz.

Für Andrew Schwartz, Neurobiologe an der University of Pittsburgh in Pennsylvania, ist das wichtigste Ergebnis der Studie "die erstaunliche Fähigkeit dieser Neurone, die Art, wie sie zur Außenwelt in Verbindung stehen, zu verändern".

"Es liegt eine erstaunliche Flexibilität in der Art, wie das System lernen kann", sagt er.

Das Lernen, wie eine Aktion mittels neuronaler Aktivität kontrolliert wird, wurde von Moritz' Co-Autor Eberhard Fetz in den 1970er Jahren demonstriert. Der neue Aspekt dieser Arbeit, so Schwartz, ist, dass die Affen in der Lage waren zu lernen, diesen Prozess so flexibel zu nutzen sowie die Verbindung zu nutzen, um ihre eigenen Muskeln zu aktivieren.

Von klinischen Behandlungsmethoden ist man noch Jahre entfernt, meint Moritz. Die Leistung der Affen wurde durch Übung immer besser, die benötigten Langzeitimplantate sind jedoch noch nicht für den Einsatz bei Menschen geeignet.

Und einen Muskel mit einem Neuron zu bewegen ist sehr gut, ganze Aktionen oder koordinierte Bewegungen stellen jedoch eine größere Herausforderung dar, warnt Schwartz.

Direkte Verbindungen zwischen Gehirn und Muskeln umgehen jedoch die enorme Computerleistung, die nötig ist, um Signale für einen Roboterarm oder eine Prothese zu dekodieren. In dieser jüngsten Studie wurde ein batteriebetriebener Chip von der Größe eines Mobiltelefons verwendet; in Zukunft werden sie sicher noch kleiner werden. "Es gibt bereits Teile, die in der Hemdtasche getragen werden und hoffentlich in ein paar Jahren unter die Haut transplantiert werden können wie eine Schrittmacher", sagt Moritz.

(1) Velliste, M. , Perel, S. , Chance Spalding, M. , Whitford, A. S. & Schwartz, A. B. Nature 453, 1098-1101 (2008) (2) Moritz, C. T. , Perlmutter, S. I. & Fetz, E. E. Nature doi: 10.1038/nature07418 (2008)

Dieser Artikel wurde erstmals am 15.10.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.1170. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Kerri Smith

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