zum Hauptinhalt

Neurobiologie: Deutsche Behörden stoppen Arbeit mit Primaten

Bewilligung für Experimente mit Makaken wird nicht erneuert.

Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland garantiert die Freiheit der Forschung - Bremer Behörden zwingen jedoch einen führenden Neurowissenschaftler, seine Experimente an Primaten einzustellen. Nun muss möglicherweise ein Gericht entscheiden, ob die umstrittene Entscheidung Bundesrecht verletzt.

Andreas Kreiter an der Universität Bremen benutzt 24 Makaken, um kognitive Prozesse im Gehirn von Säugern zu untersuchen. Der Deutsche Tierschutzbund führte seit Jahren Kampagnen gegen die Experimente, da sie unerträglich schmerzhaft seien und keinen kurzfristigen therapeutischen Nutzen haben.

Bremer Politiker schlossen sich dieser Sichtweise zunehmend an. Im letzten Jahr rief der Senat die Bundesregierung auf, Kreiters Primatenforschung zu verbieten, ein Schritt, der von Wissenschaftlern als Stimmenfang bezeichnet wurde. Nach den Senatswahlen im Mai 2007 kam die neugebildete rot-grüne Koalition überein, Kreiters Forschung nicht erneut zu genehmigen, wenn seine Bewilligung Ende dieses Jahres ausläuft.

Am 15. Oktober wurde Kreiter offiziell informiert, dass der Gesundheitssenat, der für die Genehmigung von Tierversuchen zuständig ist, seine Bewilligung nicht erneuern wird. Mit Bezug auf "veränderte soziale Werte" argumentiert die Behörde, dass die Experimente "ethisch nicht gerechtfertigt" seien, da sie sich langfristigen wissenschaftlichen Fragen widmeten und keine spezifischen medizinischen Therapien zum Ziel haben.

Kreiter entgegnet, dass die Argumentation der Behörde rein subjektiv sei und einer juristischen Prüfung nicht standhalte. "Es ist eine rein willkürliche ethische Einschätzung, die an der Natur und der Zielsetzung meiner Arbeit vorbeigeht", sagt er.

Die Logik der Behörde sei "ziemlich seltsam", stimmt Reinhard Fischer zu, der die Primatenexperimente im Auftrag des Universitätsrektors Wilfried Müller überwacht. Er merkt an, dass die Entscheidung ein positives Urteil ignoriert, das letztes Jahr durch eine Expertenkommission aus Wissenschaftlern und Vertretern von Tierschutzorganisationen ergangen ist. Der Bremer Senat hatte die Kommission gebeten, Kreiters Arbeit zu evaluieren und sie stimmte für eine Fortsetzung der Experimente - sie seien wissenschaftlich wichtig und mit geltenden Tierschutzgesetzen übereinstimmend.

Mathias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sowie viele Neurowissenschaftler kritisierten die Entscheidung. "Wir sind sehr besorgt über das, was in Bremen vor sich geht", sagt Stefan Treue, Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen und Koordinator von EUPRIM-Net, einem EU-finanzierten Netzwerk aus acht großen Primatenzentren. "Ich kann nicht erkennen, warum etwas, das einmal vollkommen richtig ist, andernorts unethisch sein sollte. Für mich ist das ein offenkundiger Fall von politischer Einmischung in gängiges Vorgehen und die Freiheit der Forschung."

In Deutschland führen neun Labore Experimente mit Primaten durch; in den vergangenen Jahren bewegte sich die Zahl der betroffenen Tiere zwischen 1.300 und 1.800. Etwa 150 von ihnen werden für Grundlagenforschung verwendet; der Rest dient anderen Experimenten, zum Beispiel Arzneimitteltests.

In Kreiters Experimenten wird die Aktivität einzelner Neurone im Gehirn der Makakenaffen aufgezeichnet, während sie bestimmte Aufgabenstellungen erfüllen. Das ist nutzbringend nicht bei weniger entwickelten Gehirnen, wie zum Beispiel bei Mäusen, oder mit zur Verfügung stehenden nichtinvasiven Brainimagingmethoden möglich, sagt Kevan Martin, Neurowissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, dessen eigene Forschung mit Makaken ebenfalls von einem Verbot bedroht ist. "Indem man Experimente mit Affen verbietet, verringert man den potenziellen Nutzen, den Grundlagenforschung wie die Kreiters für zukünftige klinische Einsatzgebiete haben kann", sagt er.

Der Erlass gefährdet die Existenz von Kreiters Zentrum einschließlich der Arbeit von etwa einem Dutzend Postdoktoranden und Doktoranden. Ebenfalls gefährdet ist die Teilnahme seiner Gruppe an einem 2,3-Millionen-Euro-Projekt, finanziert durch das Wissenschaftsministerium, mit dem Ziel, Schlüsseltechnologien für Neuroprothesen zu entwickeln.

Kreiters Genehmigung zur Durchführung der Experimente läuft am 30. November aus. Um seine Forschung darüber hinaus weiterführen zu können, wird er Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen und versuchen, eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Die Universität wird ihn dabei unterstützen und wenn nötig das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Dieser Artikel wurde erstmals am 27.10.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/4551159a. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Quirin Schiermeier

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false