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Neurobiologie: Schlafendes Gehirn spielt Ereignisse im Schnelldurchlauf ab

Eine Studie mit Ratten zeigt die Entstehung des Langzeitgedächtnisses.

Die Forschung mit schlummernden Ratten hat ein Licht darauf geworfen, wie das Gehirn jüngste Erfahrungen in Langzeiterinnerungen umwandelt. Das Experiment legt nahe, dass das Gehirn solche Erinnerungen schafft, indem es Ereignisse des Tages um einiges schneller "abspielt" als sie sich tatsächlich zugetragen haben.

Die Studie, die von Neurowissenschaftlern der University of Arizona in Tucson durchgeführt wurde, stützt die Theorie, dass die Hirnregion, die für die Organisation der Langzeiterinnerung zuständig ist, der so genannte mediale präfrontale Cortex (mPFC), Erinnerungen festigt, indem sie Ereignisse während des Schlafs erneut ablaufen lässt. Sie zeigt ebenfalls, dass das Gehirn diese Ereignisse schneller wieder abspielt als sie ursprünglich stattgefunden haben.

Die Wissenschaftler unter der Leitung von Bruce McNaughton trainierten zwei Ratten darauf, binnen einer 50-minütigen Sitzung zu verschiedenen Orten innerhalb eines bestimmen Areals zu laufen. Im Anschluss an die Aufgabe durften sie eine Stunde schlafen.

Während des Experiments überwachten die Wissenschaftler die Aktivität ausgewählter Zellen des mPFC der Ratten. Wurde die Aufgabe ausgeführt, wiesen die Zellen ein charakteristisches Aktivitätsmuster auf. Während des folgenden Schlafs zeigten einige Zellen dasselbe Muster, jedoch mit einer etwa sechs- bis siebenmal höheren Geschwindigkeit, wie McNaughton und seine Kollegen in Science berichten.

Schneller Vorlauf

Das beobachtete Abspielen stimmt mit der Rolle des mPFC beim Erhalt des Langzeitgedächtnisses überein. Kürzlich erfolgte Ereignisse werden mithilfe einer Hirnstruktur, die Hippocampus genannt wird, erinnert, und Neurowissenschaftler denken, dass während des Schlafs Erinnerungen vom Hippocampus zur "Langzeitaufbewahrung" in den mPFC transferiert werden.

Dieses beschleunigte Abspielen wurde auch in anderen Hirnregionen, die mit der Erinnerung in Zusammenhang stehen, beobachtet, darunter der Hippocampus. Dies ist jedoch das erste Mal, dass es im präfrontalen Cortex beobachtet werden konnte, sagt Matthew Wilson, Neurobiologe am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.

McNaughton und seine Kollegen räumen ein, dass nicht klar ist, warum das Gehirn Ereignisse schneller wieder ablaufen lässt als sie sich ursprünglich ereignet haben. Sie nehmen an, dass die Leitungsbahnen, die die Verbindung zwischen Hirnzellen herstellen, ein eigenes Tempo besitzen, das durch elektrische Signale gesteuert wird - und dass es das Gehirn unter Echtzeitbedingungen etwas "langsamer angehen" lassen muss.

"Das ist ein sehr verlockender Gedanke", stimmt Wilson zu. Die beobachtete "Wiedergabe" im Gehirn der Ratten dauert jeweils nur einige Millisekunden, was nahe legt, dass das Gehirn der Ratten kurze Abschnitte seiner Erlebnisse wiedergab und sie in kleinen Mengen abspeicherte.

Während du schliefst

Ähnliche Prozesse laufen mit ziemlicher Sicherheit während des Schlafs auch im menschlichen Gehirn ab, sagt Wilson, und könnten mit dem Träumen in Zusammenhang stehen. "Ich glaube, dass diese Phänomene in direkten Zusammenhang mit traumartigen Zuständen stehen", fügt er hinzu.

Aufgrund ethischer Erwägungen ist es üblicherweise nicht möglich, das schlafende menschliche Gehirn so detailliert zu untersuchen wie das von Ratten. Wenn sowohl die Untersuchungen von Rattengehirnen wie die Schlafforschung mit Menschen voranschreiten, erwartet Wilson jedoch, dass sich die Lücke zwischen beidem schließt.

"Es ist schwierig, in Schlafstudien mit Menschen zu erkennen, was genau vor sich geht, aber es ist möglich, die Konsequenzen der schlafbezogenen Aktivitäten zu beobachten", erklärt Wilson. Er denkt jedoch, dass es Überscheidungen gibt zwischen dem, was im Gehirn der Ratten und dem der Menschen abläuft, wenn sie schlafen.

(1) Euston, D. R., Tatsuno, M. & McNaughton, B. L. Science 318, 1147-1150 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 15.11.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2007.253. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Michael Hopkin

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