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Trist. Fehlendes Licht kann tatsächlich aufs Gemüt schlagen.

© M. Balk, picture alliance, dpa

Neurogenetik: Wie Schlaf und Winterdepression zusammenhängen

Die einen lieben den Winter, den anderen schlägt die Dunkelheit auf die Stimmung. Schuld könnte ein defektes Gen sein. Es steuert die Funktion der biologischen Uhr und damit den Schlaf-Wach-Rhythmus.

Wer einen ungewöhnlichen Schlafrhythmus hat, ist auch anfälliger für depressive Stimmungen. Ein defektes Gen könnte diesen Zusammenhang erklären, berichten Forscher im Fachblatt „PNAS“. Die Aktivität des Gens PERIOD3 ist vom Tageslicht abhängig und an der Kontrolle des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Zwei Varianten dieses Gens haben zur Folge, dass die Menschen sehr viel früher einschlafen und aufwachen. Die Betroffenen litten außerdem in der dunklen Jahreszeit eher an einer depressiven Störung. Mäusen mit diesem Gen erging es ähnlich, schreiben die Forscher. „Wenn wir die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen besser verstehen, können wir gezielter nach Medikamenten suchen, um zum Beispiel Winterdepressionen zu behandeln“, sagt Louis Ptácek von der Universität von Kalifornien in San Francisco, einer der Studienleiter.

Ihr Ausgangspunkt waren drei Patienten, die aufgrund familiärer Vorbelastung unter dem „vorverlagerten Schlafphasensyndrom“ litten. Diese Schlafstörung erzeugt extreme Frühaufsteher, die meist vor fünf Uhr aufwachen und bereits am frühen Abend schlafen gehen. Die Betroffenen reagieren zudem mit depressiven Störungen auf die in Herbst und Winter verkürzten Tageslängen.

Auch der Schlafrhythmus der Mäuse verschob sich

Im Erbgut der Patienten identifizierten die Forscher zwei abweichende Varianten des Gens PERIOD3 (PER3). Es gehört zu einer Gruppe von Genen, die als innere Uhr die tagesrhythmischen Aktivitäten des Körpers steuern. Dazu zählt insbesondere der Schlaf-Wach-Rhythmus, der normalerweise im Einklang mit dem natürlichen Wechsel von Tag und Nacht abläuft. Die Forscher schleusten die veränderten Genvarianten in das Erbgut von Mäusen ein. Das wirkte sich bei zwölf Stunden Licht am Tag nicht auf die Laufrad-Aktivität der Tiere aus. Wurde die Beleuchtung aber auf täglich vier Stunden reduziert, verschob sich ihr Schlaf-Wach-Rhythmus um mehrere Stunden, bei normalen Mäusen dagegen nicht.

Zudem zeigten die Tiere Verhaltensweisen, die mit einer depressiven Störung bei Menschen vergleichbar sind: Sie wehrten sich weniger, wenn sie in unangenehme Situationen gebracht wurden, und fanden weniger Gefallen an einer Extraportion Zuckerwasser als andere Mäuse. Bei genetisch veränderten Tieren, denen das PER3-Gen ganz fehlte, waren diese Merkmale noch stärker ausgeprägt.

Bis zu neun Prozent der Bevölkerung leiden unter "Winterdepression"

Experimente mit Zellkulturen ergaben, dass die defekten PER3-Gene im Vergleich zur normalen Variante zu einer geringeren Produktion des PER3-Eiweißes führten. Wahrscheinlich werde so die Funktion der biologischen Uhr gestört, vermuten die Forscher. Auf welche Weise dadurch auch die Stimmung beeinflusst wird, sollen nun Untersuchungen von Hirnaktivitäten klären.

An einer Winterdepression oder „saisonal-affektiven Störung“ leiden je nach Breitengrad des Wohngebiets – der bestimmt, wie stark sich in Herbst und Winter die Tageslänge verkürzt – bis zu neun Prozent der Bevölkerung. Typische Symptome dafür sind neben einer bedrückten Stimmung ebenfalls Müdigkeit, Ängstlichkeit und Heißhunger auf Süßigkeiten. wsa

Joachim Czichos

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