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Der US-Physiker Arthur Ashkin bekommt die eine Hälfte des Nobelpreises für Physik 2018, die andere Hälfte teilen sich seine Kollegen Gérard Mourou und Donna Strickland.

© AFP

Update

Nobelpreis für Physik 2018: Nobel-Ehrung für "Traktor"-Technik aus Raumschiff Enterprise

Drei Laser-Forscher bekommen den Physiknobelpreis unter anderem für eine Technik, wie sie Fans aus der Serie "Star Trek" kennen. Darunter auch eine Frau.

Nobelpreisträger gelten in ihren Forschungsfeldern stets als Lichtgestalten. Die, die dieses Jahr im Dezember die Auszeichnung in Physik bekommen werden, sind auf jeden Fall Lichtgestalter: Für die Entwicklung „optischer Pinzetten und ihrer Anwendung in biologischen Systemen“, basierend auf Lasertechnologien, bekommt Arthur Ashkin von den „Bell Laboratories“ in Holmdel, USA, eine Häfte des Physik-Nobelpreises 2018.

Die erste Frau seit 55 Jahren, die einen Physik-Nobelpreis bekommt

Der Franzose Gérard Mourou, der sowohl an der École Polytechnique im französischen Palaiseau als auch an der University of Michigan in Ann Arbor, USA, forscht, und die Kanadierin Donna Strickland von der University of Waterloo in Kanada haben die andere Hälfte zugesprochen bekommen. Sie erhalten die Auszeichnung "für ihre Methode der Herstellung hochintensiver, ultra-kurzer optischer Pulse."

Donna Strickland, Professorin im Fachbereich Physik und Astronomie an der Universität Waterloo in Kanada, ist erst die dritte Frau überhaupt, die einen Physik-Nobelpreis zuerkannt bekommen hat.
Donna Strickland, Professorin im Fachbereich Physik und Astronomie an der Universität Waterloo in Kanada, ist erst die dritte Frau überhaupt, die einen Physik-Nobelpreis zuerkannt bekommen hat.

© REUTERS

Donna Strickland ist damit erst die dritte Nobelpreisträgerin für Physik, nach der gebürtigen Polin Marie Curie 1903 und der in Deutschland geborenen Maria Goeppert-Mayer 1963. Strickland machte die entscheidenden Experimente während ihrer Doktorarbeit gemeinsam mit ihrem Doktorvater Mourou an der University of Rochester in den USA. Die wissenschaftliche Veröffentlichung im Fachblatt "Optics Communications" 1987 war ihre erste überhaupt. "Ich habe erst gedacht, dass ich auf den Arm genommen werde", sagte Strickland kurz nachdem sie morgens um 5 Uhr von der Auszeichnung erfuhr.

Mit Licht zugreifen

Das Nobelkomitee spricht von einer "Revolution" in der Laserphysik, die durch die Arbeiten der drei Forscher angestoßen wurde. So ermöglichen die prämierten Techniken nicht nur das Beobachten von extrem kleinen Objekten und sehr schnellen Prozessen. Arthur Ashkin machte Laserstrahlen auch erstmals als eine Art "Pinzette" nutzbar, mit der Atome, Viren und ganze Zellen "gegriffen", bewegt und untersucht werden können. Damit habe Ashkin einen "alten Traum der Science Fiction wahrgemacht - den Strahlungsdruck des Lichts zu nutzen, um Objekte zu bewegen", so das Nobelkomitee in seiner Erklärung. Dabei wird ein Objekt im Zentrum eines Laserstrahls gehalten. Aus der Fernsehserie "Star Trek" (Raumschiff Enterprise) ist solches als "Traktorstrahl" bekannt, mit dem feindliche oder defekte Raumschiffe festgehalten oder abgeschleppt, also bewegt werden können.

In der realen Welt funktioniert das allerdings nur bei sehr kleinen Objekten - aber dafür nicht erst in der Zukunft. Anfangs, gleich nachdem 1960 der erste Laser erfunden war, versuchte Ashkin an den Bell Laboratories einzelne Atome mit Laserstrahlen zu "greifen". Lange Zeit funktionierte das aber nicht so wie gedacht. Zum einen, weil es sehr starke Laserstrahlen brauchte, zum anderen, weil die Bewegungen der Atome reduziert werden mussten. Beides war technisch erst 1986 möglich, über zwanzig Jahre später.

Eine mit Mikroben verseuchte Probe weckte das Interesse des Physikers an der Biologie

Der Zufall wollte es jedoch, dass der Physiker Ashkin seine Technik auch an lebenden Zellen ausprobieren sollte. Nachdem er seine Laserstrahlen auch zum Halten von Objekten gebracht hatte, die viele Dimensionen größer als Atome waren, Tausendstel Millimeter kleine Plastikkügelchen (Sphären) etwa, experimentierte er auch mit kleinen Virenpartikeln. Als er den Behälter versehentlich über Nacht offen stehen ließ, schwammen darin am nächsten Tag größere Partikel - und bewegten sich. Als er die Proben dennoch verwendete, konnte der Laserstrahl nicht nur die Viren, sondern auch die Bakterien festhalten. Und wenn er einen Infrarotlaser verwendete, lebten und vermehrten sich die Bakterien sogar ungerührt weiter, wie er 1997 in einem damals kaum beachteten Artikel im Fachblatt "PNAS" beschrieb (pdf der Originalarbeit). Das sei der Moment gewesen, in dem er sich biologischen Systemen zu widmen und die Technik zu nutzen begann, um lebende Systeme zu untersuchen, so das Nobelkomitee.

Inzwischen sind Wissenschaftler mit der Technik in der Lage, sogar in die Zelle hinein zu greifen, ohne die Zellmembran zu beschädigen. So können etwa Proteine bei der Arbeit zu beobachtet oder manipuliert werden. Ein Beispiel dafür ist das Kinesin, eine Art "Lastenträger"-Molekül. Es nimmt bestimmte Zellbestandteile gewissermaßen Huckepack und transportiert sie über das Zellskelett an ihre Ziele. Ashkins Lasertechnik half zu entschlüsseln, wie dieser Vorgang abläuft und welche Kräfte dabei wirken (siehe Grafik).

Arthur Ashkin forscht an den Bell Laboratories in Holmedl, USA, und lebt in Rumson, New Jersey.
Arthur Ashkin forscht an den Bell Laboratories in Holmedl, USA, und lebt in Rumson, New Jersey.

© REUTERS/Brendan McDermid

In vielen Biologie-Labors sind Ashkins optische Pinzetten inzwischen genau so ein selbstverständliches Gerät wie der Bunsenbrenner. Und erst die Zukunft wird zeigen, welche Anwendungen möglich werden, dadurch dass Menschen nun mit nichts als Licht in winzigen Zellen Proteine und DNS-Moleküle halten und beobachten, drehen, schneiden, schubsen und ziehen können. Schon jetzt können tausende solcher Pinzetten gleichzeitig gesunde Blutzellen von infizierten - etwa mit Malaria-Erregern - unterscheiden und aussortieren.

Einsatz in Hochintensitätslasern für Augenoperationen

Die zweite Hälfte des Nobelpreises, der mit insgesamt etwa 850.000 Schwedischen Kronen dotiert ist, hat das Nobelkomitee zu gleichen Teilen Gérard Mourou und Donna Strickland zugesprochen, weil sie die "kürzesten und intensivsten Laserpulse herstellen können, die Menschen jemals zustande gebracht haben". Beiden zusammen gelang es, Laserpulse so extrem zu verkürzen, dass pro Puls sehr viel Licht, also Energie, "gepackt" wird. Dadurch steige die Intensität des Laserpulses in diesem Sekundenbruchteil "dramatisch" an. Die Technik wird "Chirped Pulse Amplification" (CPA) genannt und ist längst Standard in Hochintensitätslasern, die millionenfach für Augenoperationen, etwa zur Korrektur von Kurzsichtigkeit (LASIK) oder für besonders präzises Operieren in sensiblem Gewebe, eingesetzt werden.

Es dauerte allerdings Jahre, bis die beiden Forscher soweit waren - mit all den vielen teils technisch-physikalischen, teils ganz profanen Problemen, die sich oft ergeben, obwohl das Problem "theoretisch" schon gelöst ist. Etwa brauchte es ein 2,5 Kilometer langes Glasfaserkabel, um die Laserstrahlen in die extrem kurzen Pulse zu zwingen. Doch nach langwierigen, frustrierenden Tests ohne Ergebnis stellte sich heraus, dass schlicht das Kabel gebrochen war - und deshalb die Experimente nicht funktionierten.

Gerard Mourou von der École Polytechnique in Palaiseau bei Paris teilt sich die zweite Hälfte des Nobelpreises mit Donna Strickland, deren Doktorvater er an der Universität Rochester war, wo das Team Ende der Achtziger die heute geehrten Experimente durchführten.
Gerard Mourou von der École Polytechnique in Palaiseau bei Paris teilt sich die zweite Hälfte des Nobelpreises mit Donna Strickland, deren Doktorvater er an der Universität Rochester war, wo das Team Ende der Achtziger die heute geehrten Experimente durchführten.

© REUTERS/Charles Platiau

Inzwischen kann Strickland über solche Probleme, die sie nächtelang um den Schlaf gebracht haben, lachen. Die Technik ist so weit fortgeschritten, dass damit beobachtet werden kann, wie Moleküle, Atome und sogar Elektronen sich binnen eines Millionstels oder Milliardstels einer Milliardstel Sekunde (Femto- oder Attosekunden) bewegen. Vielleicht lassen sich damit sogar bald Miniatur-Teilchenbeschleuniger bauen, die Elektronen für Krebsbehandlungen oder Materialuntersuchungen beschleunigen, wofür bislang noch kilometergroße Anlagen wie am CERN in Genf, "Rennbahnen" für die zu beschleunigenden Teilchen, nötig sind. Schnellere Elektronik, effektivere Solarzellen, bessere Katalysatoren - in zahlreichen technischer Anwendungsbereichen spielen Sticklands und Mourous CPA inzwischen eine Rolle.

Forschung in Deutschland

In Deutschland auf ähnlichen Gebieten arbeitende Physikerinnen und Physiker äußerten sich gegenüber dem Tagesspiegel erfreut über die Entscheidung für ihre Kollegen. Cornelia Denz, Professorin für Nichtlineare Optik an der Universität Münster, sagte, es sei auch schön, dass "eine Frau dabei ist". Allerdings sei die Auswahl für die Geehrten auch Glückssache gewesen. Es habe etwa auf dem Gebiet der optischen Pinzetten "viel mehr Leute gegeben, die da Pionierarbeit geleistet haben." Ashkin ("ein sehr angenehmer netter älterer Herr") verdiene den Preis aber sehr. Denz betonte vor allem, welche Möglichkeiten weiterentwickelte optische Pinzetten gegenwärtig und in Zukunft in der Nanotechnologie und in Biologie und Medizin spielen könnten. So könne man etwa anhand der für die Bewegung eines biologischen Objektes benötigten Energie Schlüsse auf deren Beschaffenheit ziehen und so etwa Krebszellen von gesunden unterscheiden. Zudem sei es möglich, Bausteine von Nanogröße zusammenzufügen oder etwa "Nano-Container" aneinander docken zu lassen - ein Verfahren, das den Namen "Click-Chemie" bekommen hat.

Günter Steinmeyer vom Berliner Max-Born-Institut, der selbst mit ultrakurzen Laserpulsen arbeitet, sieht neben den bereits bekannten Anwendungen vielfältige Möglichkeiten für die Zukunft, etwa wenn es um kompakte Strahlenquellen für Krankenhäuser oder Forschungseinrichtungen geht. Nobelpreiswürdig findet er aber vor allem, dass jene Laser-Pulse "die kürzesten kontrollierbaren Ereignisse überhaupt sind". Und als Forschungswerkzeug seien sie schlicht besonders wertvoll. Auf die Frage, warum das so sei, hat er eine nicht ganz erschöpfende, aber eindrucksvolle Antwort: "Unter anderem, weil man damit so ziemlich alles kaputtmachen und ionisieren kann."

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