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Der letzte Rest. Das Universum dehnt sich immer schneller aus. Nur in großen Galaxienhaufen (hier das Cluster „Abell 1689“) ist die Gravitation wohl stark genug, um die Flucht zu verhindern, sagt Schmidt. Sie werden irgendwann in sich zusammenstürzen.

© Nasa

Nobelpreisträger im Interview: „Dunkle Energie entsteht immer schneller“

Am Sonnabend wird Brian Schmidt der Physik-Nobelpreis verliehen. Im Interview spricht er darüber, wie er sich das Ende des Universums vorstellt. Und wie er auf seinem Weinberg bei Canberra neue Kraft für seine Forschungsarbeit sammelt.

Was hat sich in Ihrem Leben verändert, nachdem Sie Anfang Oktober jenen bedeutsamen Anruf aus Stockholm erhielten, wonach Sie einer der Physik-Nobelpreisträger sein werden?

Ich war schon zuvor ziemlich beschäftigt, aber das Arbeitspensum jetzt ist verrückt. Früher habe ich jeden Tag um die 100 Mails bekommen, jetzt sind es 450, das ist echt hart. Andererseits treffe ich auch Leute wie Minister oder die Premierministerin, die sich für meine Arbeit interessieren. Ob ich mich als Person verändert habe? Am ersten Tag war ich schon ausgeflippt, aber eigentlich bin ich Brian geblieben, da hat sich nichts verändert. Und so soll es auch bleiben.

Sie wollen also weiter ihren Forschungen an der National University in Canberra nachgehen?

Angebote aus dem Ausland hatte ich auch schon vor der Nobelpreisbekanntgabe immer wieder bekommen, aber ich bin glücklich hier. Meine Frau hat einen guten Job, wir haben eine Farm und einen Weinberg, das sind Dinge, die will ich nicht ändern. Ich habe mich vorher schon gefragt, was würde mich zu einem Umzug bewegen? Das wäre höchstens so etwas wie eine Bombe, die vom Himmel fällt. Aber es wäre nichts Positives, was mich hier wegbringt.

Sie haben einen eigenen Weinberg?

Außerhalb von Canberra, gut ein Hektar. Dort wächst Pinot Noir, auf Deutsch sagt man Spätburgunder. Ich genieße es, draußen zu arbeiten, meine Hände zu benutzen, etwas ganz anderes zu tun als während des Tages.

Foto: p-a/dpa
Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Und Sie erledigen die Arbeiten selbst?

Ich gehe raus und spritze, schneide die Pflanzen zurück, je nachdem was zu tun ist. Meine Familie hilft natürlich auch. Bei der letzten Ernte haben wir eine große Party mit Freunden und Kollegen vom Mount-Stromlo-Observatorium veranstaltet, die haben alle bei der Beerenlese geholfen. Ich habe die Trauben dann gepresst, da kommen schon einige Arbeitsstunden zusammen. Wir füllen auch selber ab, so um die 3000 Flaschen pro Jahr. Das ist nicht viel, aber es soll auch nicht mehr werden. Wäre die Anbaufläche größer, könnte ich nicht mehr alles selber machen. Dann aber würde der Entspannungseffekt verloren gehen.

Haben Sie jetzt überhaupt noch Zeit für solche Dinge?

Im Moment bin ich sehr beschäftigt. Ich denke, wenn die Preisverleihung und damit die größte Aufregung vorüber ist, werde ich anfangen die Dinge so zu organisieren, dass ich wenigstens wieder richtig Zeit für Forschung habe. Die ist mir nach wie vor sehr wichtig.

Sie und ihre beiden Kollegen Adam Riess und Saul Perlmutter erhalten den Nobelpreis für die Entdeckung, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Was steckt dahinter?

Das ist etwas, was wir Dunkle Energie nennen. Während Schwerkraft oder Gravitation, die von Materie hervorgerufen wird, Dinge anzieht, jagt Dunkle Energie sie auseinander. Sie ist eine Art umgekehrte Gravitation. Man könnte auch „negativer Druck“ sagen. Aber Dunkle Energie klingt besser und hat sich durchgesetzt. Nehme ich mal eine Volumeneinheit und ein Atom drin, dann habe ich eine bestimmte Gravitation. Verdopple ich den Raum, wird die Gravitation ausgedünnt. Auf der anderen Seite wird aber die Menge an Dunkler Energie ebenfalls verdoppelt. Das heißt: Je weiter sich das All ausdehnt, umso mehr Dunkle Energie entsteht. Der Prozess wird immer schneller. Heute besteht das Universum aus ungefähr 4,5 Prozent baryonischer Materie, also uns bekannten Atomen, 23 Prozent Dunkler Materie und der große Rest ist Dunkle Energie.

Welche Konsequenzen hat das für uns, wie geht es weiter mit dem Kosmos?

Im Universum befinden sich Photonen. Wenn sich das All ausdehnt, wird deren Wellenlänge gestreckt, ihr Licht geht immer mehr ins Rötliche. Nehmen wir mal Galaxien in unserer Nachbarschaft. Wenn sich das All immer schneller ausdehnt, dann wird es immer schwieriger für die Photonen mitzuhalten. Gut möglich, dass die Galaxien, deren Licht uns heute noch erreicht, in Zukunft für uns unsichtbar sein werden, weil die Photonen die Strecke nicht mehr überwinden können. Über Jahrmilliarden werden so Galaxien aus unserem Blickfeld verschwinden, mit Ausnahme der allernächsten. Dort ist aufgrund der großen Massekonzentration die Gravitation so groß, dass sich diese Partien eben nicht beschleunigt ausdehnen und damit sichtbar bleiben. In dem Fall hat also die Schwerkraft den Kampf des Kosmos gewonnen. Dort werden die Strukturen zusammengezogen und kollabieren.

Wie groß sind diese Strukturen?

Über welchen Größenraum wir da sprechen, lässt sich schwer fassen. Es könnten in unserem Fall ein paar hundert Galaxien sein, vielleicht ein paar tausend. Das hängt von vielen Dingen ab. Aber es ist gut möglich, dass so ein Galaxienhaufen irgendwann in sich zusammenfällt.

Was sagen Sie zur Idee von Roger Penrose, wonach das Ende des Universums, wenn es nur noch aus Strahlung besteht, gleichzusetzen sei mit einem neuen Urknall, folglich auch unser heutiges Universum einen Vorläufer hatte?

Ich kann seine Theorie nicht testen, deshalb habe ich keine Meinung dazu. Das heißt nicht, dass ich ihm nicht glaube. Ich finde es klasse, dass er darüber nachdenkt. Aber gegenwärtig gibt es keine Möglichkeit zu überprüfen, ob er recht hat oder nicht. Das gilt für alles, was jenseits des Urknalls war: Ich kann es nicht testen, also habe ich keine Meinung dazu.

Wann haben Sie sich das letzte Mal gefragt, was vor dem Urknall war?

Das fragen mich die Leute ständig. Und ich sage, ich weiß es nicht. Manche sagen, da ist ein Gott, der den Urknall ausgelöst hat. Ich sage, okay, ich kann es nicht widerlegen. Ich bin ein Agnostiker. Ich lehne diese Menschen nicht ab, ich weiß es einfach nicht.

Wie könnte es gewesen sein?

Ich lehne es ab, über Dinge zu spekulieren, die ich nicht testen kann. Das macht den Kern eines Forschers aus.

Das Gespräch führte Ralf Nestler.

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