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Oft ist es ein Infarkt. Die Berliner Feuerwehr rückt nur in zwei Prozent der Fälle zu Bränden aus. Meist sind es medizinische Notfälle und unter diesen häufig ein Herzinfarkt, weshalb sie zu Hilfe gerufen wird. Eine schnelle und gute Versorgung ist in Berlin die Regel. Foto: Imago

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Notfallmedizin: Bei Herzinfarkt vorbildlich versorgt

Das Berliner Herzinfarktregister hilft, die Behandlung zu verbessern. Obwohl jede Minute zählt, zögern noch immer zu viele, im Verdachtsfall sofort 112 zu wählen.

Beim Herzinfarkt zählt jede Minute. Weiß das heute nicht jeder? Nein. Außerhalb des Krankenhauses sterben am Infarkt doppelt so viele wie in in der Klinik. Und doch zögern Betroffene und Angehörige, im Verdachtsfall sofort 112 zu wählen, die lebensrettende Nummer der Feuerwehr. Die heißt noch immer so, obwohl etwa in Berlin nur noch zwei Prozent ihrer Einsätze einem Feuer gelten. 80 Prozent aber sind medizinische oder psychosoziale Notfälle, und bei fast einem Drittel dieser Notrufe geht es ums Herz.

Erst jetzt aber luden das – bundesweit fortschrittliche – Berliner Herzinfarktregister, der Feuerwehr-Rettungsdienst und die Ärztekammer Berlin zu einer gemeinsamen Tagung. Gegründet wurde das Herzinfarktregister vor elf Jahren auf Initiative von Herzspezialisten und Kliniken, der Technischen Universität und der Ärztekammer. Mitglieder sind die meisten großen Krankenhäuser der Stadt. Gesammelt und ausgewertet werden Daten zur Klinikversorgung von Herzinfarktpatienten, bis Ende 2010 mehr als 23 000. Die Erkenntnisse bilden nicht nur die Grundlage vieler Studien, sondern fließen auch direkt in die Therapie ein.

Die Ärzte wollen die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr verstärken. In deren Rettungsleitstelle wird beim Notruf der Zustand des Kranken nach genau vorgeschriebenem Fragenkatalog registriert. Wenn nötig, werden die Angehörigen telefonisch zu Erste-Hilfe-Maßnahmen (etwa Herzdruckmassage) angeleitet, berichtete Stefan Poloczek, Ärztlicher Leiter des Feuerwehr-Rettungsdienstes.

Bei Infarktverdacht holt den Kranken eines der 20 Notarztfahrzeuge ab. Sie sind sehr gut ausgestattet und mit erfahrenen Ärzten besetzt. Sie können mit der rettenden Therapie schon unterwegs beginnen und die schnelle Versorgung in der geeigneten (nicht einfach der nächsten) Klinik in die Wege leiten. Auch hierin geht Berlin voran: Seit 15 Jahren können sich Ärzte hier für die Zusatzbezeichnung „Rettungsmediziner“ qualifizieren.

Falls eins der knappen Notarztfahrzeuge nicht sofort verfügbar ist, kommt zunächst ein „normaler“ Rettungswagen mit Feuerwehrleuten, die zwei Jahre lang als Rettungssanitäter ausgebildet wurden. Sie können auch mit dem Defibrillator umgehen, der hier schon 1985 eingeführt wurde. Dank der damit möglichen Wiederbelebung überstehen jetzt 20 Prozent der Patienten mit (häufig nach Herzinfarkt auftretendem) Kammerflimmern sogar einen Herzstillstand.

Nur jeder zweite oder dritte Patient, der mit starken Brustschmerzen den Notruf 112 wählt, hat tatsächlich einen Herzinfarkt, sagte Martin Möckel, Charité-Notfallmediziner. Die Charité hat eine „Chest Pain Unit“, eine Brustschmerzeinrichtung, die darauf spezialisiert ist, Herzinfarkte von anderen, teils ebenfalls schwerwiegenden Ursachen eines starken Schmerzes im Brustkorb zu unterscheiden. Trotzdem gilt: Der Patient muss immer zunächst 112 wählen, darf nicht erst den Hausarzt rufen. Diese lebensgefährliche Verzögerung ist laut Möckel selbst bei eindeutigen lnfarktzeichen immer noch zu beklagen.

Wie ergiebig die Patientendaten aus dem Infarktregister sind, zeigte Birga Maier von der Datenzentrale. So gut wie alle Infarktpatienten, die ihr Einverständnis erklären, werden nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse „leitliniengerecht“ behandelt, ergaben die Erhebungen. Das heißt, so rasch wie möglich wird die durch einen Blutpfropf verschlossene Herzkranzarterie mit einem Ballonkatheter wieder durchgängig gemacht.

Die mittlere Sterblichkeit am Herzinfarkt ist, wie das Register zeigt, 2009/10 in den beteiligten Kliniken auf 7,1 Prozent gesunken. Außerhalb der Kliniken wird sie mit 14,6 Prozent angegeben, wäre also doppelt so hoch. Nach der offiziellen Berliner Statistik lag sie 2009 im Durchschnitt aller Berliner Krankenhäuser bei 9,2 Prozent – wenn die Zahlen nicht trügen.

In Berlin gab es nämlich jahrelang nach der offiziellen Statistik der Behörden scheinbar kaum Infarkttote. Das fiel erst auf, als die Statistikämter Berlins und Brandenburgs zusammengelegt wurden. Da hatte Brandenburg plötzlich fast keine lnfarkttodesfälle mehr. Warum? Weil nun, wie in Berlin, nicht mehr der Herzinfarkt als Todesursache eingetragen wurde, sondern der Bluthochdruck, einer der Risikofaktoren des Infarkts.

Die am Register beteiligten Kliniken erfahren durch einen 30-seitigen Berichtsbogen genau, was sie tun und wo sie im Vergleich zu den anderen stehen. Das wirkt. Den Kardiologen war zum Beispiel nicht bewusst, dass sie Frauen (die einen Infarkt durchschnittlich mit 75 bekommen, sieben Jahre nach den Männern) weniger intensiv behandeln als Männer. Das hat sich durchs Register geändert.

Auch die Qualitätsschwankungen zwischen den einzelnen Register-Kliniken haben sich reduziert. Das ergab ein detaillierter Vergleich der Registerdaten durch Karl Wegscheider (Universität Hamburg). Die Ergebnisse der einzelnen Krankenhäuser bleiben allerdings anonym. Verbessert hat sich auch das Gesamtniveau der stationären Infarktbehandlung so, dass man in allen kardiologisch arbeitenden Berliner Krankenhäusern heute beim Herzinfarkt optimal versorgt ist. Man muss sich nur sofort hinbringen lassen: 112 wählen – jede Minute zählt!

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