zum Hauptinhalt
Partnerschaft

© dpa

Partnerschaft: Wenn Paare Eltern werden

Machen Kinder glücklich? Eltern meinen ja. Doch Liebesforscher sind da nicht so sicher. Vor allem für die Mutter ändert sich das Leben grundlegend. Oftmals ist es am Mann, die Ehe zu retten.

Für viele Paare ist es die Erfüllung eines Traums, er dagegen spricht vom „Ende der Ehe“, ja von einer „Tragödie“: Die Rede ist vom ersten gemeinsamen Kind.

Und er, das ist John Gottman, der Papst der Liebesforschung. In seinem „Ehelabor“ an der Universität von Washington in Seattle hat der Psychologe in den letzten Jahrzehnten Hunderte von Paaren beobachtet, teilweise mit Kameras wie bei Big Brother. Hat Verhaltensweisen und Streitmuster analysiert, wieder und wieder. Inzwischen braucht Gottman, wie er selbst sagt, einem Paar nur noch fünf Minuten zuzuhören, um vorherzusagen, ob die Ehe glücklich verlaufen oder in einer Scheidung enden wird.

Eines hatte der Liebesforscher dabei lange ausgeklammert: das Kind. Wie verändert ein Baby die Partnerschaft? Was passiert, wenn aus zwei drei werden? Auf der Suche nach Antworten hat Gottman sein Ehelabor in ein Familienlabor verwandelt, um herauszufinden, welche Auswirkungen der Nachwuchs auf die Liebe hat. Sein Fazit: „Elternschaft ist für viele Paare das Ende ihrer Ehe.“

In einer Studie begleiteten Gottman und seine Doktorandin Alyson Shapiro mehrere Jahre lang 82 Ehepaare, von denen 43 ein Kind bekamen und 39 nicht. Die Bilanz für die Eltern fiel verheerend aus: Bereits ein Jahr nach der Geburt des Kindes war das gemeinsame Glück bei den meisten tief in den Keller gerutscht.

Vor allem die Mütter litten zunehmend unter ihrer neuen Rolle – gerade für sie ändert ein Kind das Leben oft komplett. „Entweder sie verfolgt weiterhin ihren Beruf, dann hat sie einen zweiten Fulltime-Job dazubekommen“, sagt Shapiro. „Oder die Mutterrolle ist jetzt ihr einziger Job, dann wird sie aus ihrem alten Lebensstil herausgerissen.“

Kaum noch Sex, kaum noch Schlaf und Freizeit, dafür nur noch ein einziges Gesprächsthema – so sieht die Realität für viele junge Eltern aus. Dabei sind die Rollen selten gleichmäßig verteilt.

Denn mit dem Kind schnappt oft auch die „Traditionalisierungsfalle“ zu: Selbst emanzipierte Frauen verwandeln sich über Nacht in Vollzeitmütter, die sich nur noch um Kind und Küche kümmern. Und die Väter? Sie stürzen sich in ihre Karriere, um die Familie zu ernähren, aus Romantik wird pure Pragmatik.

Und doch, es gibt auch Lichtblicke. Wie die Forscher feststellten, empfand ein Drittel der Mütter ihre Ehe auch mit Anhang als glücklich, manche beurteilten ihre Beziehung nun sogar als besser!

Erstaunt fahndeten die Forscher nach der Ursache für dieses unverhoffte Glück und fanden sie: im Ehemann. Wenn er sich nicht zurückgezogen, sondern sich an der Erziehung des Kindes beteiligt hatte, die Frau entlastete, erwies sich das für die Partnerschaft als segensreich.

Eine Beobachtung, die der Psychologe Klaus Schneewind von der Uni München bestätigen kann. „Es stimmt nicht, dass ein Kind die Paarbeziehung zwangsläufig ruiniert“, sagt Schneewind, der Dutzende von jungen Eltern beobachtet hat.

Ähnlich sieht das sein Kollege Wassilios Fthenakis von der Uni Bozen, der gerade die wohl größte Studie zum Thema abschließen konnte. Fthenakis interviewte über einen Zeitraum von zehn Jahren regelmäßig 175 Familien in Deutschland. Sein Befund: Zwar sank bei immerhin rund 80 Prozent der Eltern das Beziehungsglück. Zwölf Prozent der Mütter jedoch und 22 Prozent der Männer empfanden ihre Partnerschaft mit Kind, wie in der US-Studie, als genauso gut oder gar besser.

Als der Forscher Fthenakis analysierte, was der Unterschied zwischen den unglücklichen und den glücklichen Familien war, kam er zu einem differenzierteren Bild als die amerikanischen Wissenschaftler. So erwies es sich als weitgehend irrelevant, wie stark der Mann sich im Haushalt betätigte. Ausschlaggebend war vielmehr, dass das Selbstverständnis von Mann und Frau zusammenpasste.

„Eine Familie mit einem Vater als klassischer Brotverdiener kann durchaus glücklich werden, vorausgesetzt, die Frau übernimmt gerne die alleinige Versorgung des Kindes“, sagt Fthenakis. Erst wenn die Vorstellungen der beiden auseinanderklaffen, knallt es. Sprich: Wenn die Frau zurück in den Beruf will, der Mann sie aber lieber in der Rolle der 24-Stunden-Mutter sieht. Aber auch umgekehrt: Wenn der Mann sich als Vater mehr beteiligen möchte als sie erlaubt.

„Es zeigte sich jedoch auch, dass die Strukturen in Deutschland viele Paare gegen ihren Willen dazu zwingen, ihre Familie nach dem traditionellen Muster umzugestalten“, sagt Fthenakis. Die Frau werde in die Mutterrolle gedrängt, der Mann in die Brotverdienerrolle, obwohl sie vorher vielleicht anders gelebt haben.

Häufig, so das Urteil des Experten, sei es „reine Glückssache“, ob ein Paar seinen gewohnten Lebens- und Liebesstil auch mit Kind einigermaßen weiterleben kann: Sie haben zum Beispiel einen Krippenplatz für das Kind bekommen, haben Geld für eine Haushaltshilfe oder haben unterstützende Großeltern.

Wie Fthenakis in seiner Studie feststellte, tut das Kind dem Liebesglück dieser Paare oft deshalb keinen Abbruch, weil die beiden ihre Vorstellung einer gelungenen Partnerschaft auch mit Kind realisieren können. Dass das für viele Paare in Deutschland immer noch unerreichbar ist, empfindet der Familienforscher Fthenakis als Skandal: „Das sollte für alle möglich sein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false