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Proben für Corona-Tests werden im Diagnosticum-Labor im sächsischen Plauen für die weitere Untersuchung vorbereitet.

© Hendrik Schmidt/dpa

PCR-Tests für Infektionsnachweis: Deutschland nutzt längst nicht alle Labore für Corona-Tests

Bislang testen nur medizinische Labore auf Corona. Dass nicht alle Möglichkeiten genutzt werden, liegt an politischen Vorgaben.

Die Zahl der Sars-CoV-2-PCR-Tests steigt seit Jahresbeginn wieder stark an. Einige fachärztliche Labore sind in Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen nach Angaben des Laborverbandes ALM bereits „sehr stark belastet“. Und mit den mutierten Varianten des Coronavirus kommen weitere – aufwändige – Untersuchungen auf die medizinischen Labore zu, etwa Sequenzierungen.

Der Mangel an Laborkapazitäten führte bereits dazu, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) Corona-Tests allein bei Krankheitssymptomen empfiehlt. Dabei könnten eigentlich viel mehr Menschen getestet werden, würden die akkreditierten nicht-medizinischen Labore bei den Testungen einbezogen. Eine starke Lobby von Laboratoriumsmedizinern verhindere dies aber, beklagen private Laborbetreiber.

Ein entsprechender Vorstoß des Deutschen Verbandes Unabhängiger Prüflaboratorien e.V. (VUP) in den politischen Raum der Entscheidungsträger blieb bis heute unbeantwortet. VUP-Geschäftsführer Anton Blöth hatte sich im Frühjahr an Bundestag und Bundesregierung gewendet, als es um das zweite Pandemiegesetz ging.

„Wir haben den Finger gehoben, dass es auch noch andere, nicht-medizinische Labore gibt. Wir haben angeregt aufzuzeigen, ob, wie und vor allem auch für welche Zwecke diese Labore im Rahmen der nationalen Teststrategie unterstützen können“, sagte Blöth dem Tagesspiegel. 

„Bund und Länder hätten – bei aller Einsicht, wie schwer es ist, in einer Pandemie Verlässlichkeit zu geben – dies angehen sollen. Ich befürchte, dass der Zug dafür längst abgefahren ist.“ Zwar sei die Pandemie nicht allein durch Tests zu erledigen, „aber ohne Tests auch nicht“.

Nicht-medizinische Labore bleiben bei Teststrategie außen vor

Der Geschäftsführer des Kieler Labors „Planton“, Michael Kleine, der sich auf Dienstleistungen der Bio-, DNA- und GVO-Analytik spezialisiert hat, schrieb in der ersten Corona-Welle der Pandemie Mitte März 2020 an Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). Kleine warb dafür, die nichtmedizinischen Labore in die nationale Teststrategie einzubeziehen: „Wir haben im Land nicht nur medizinische, sondern auch andere private und universitäre Labore, die valide molekulargenetische PCR-Analysen durchführen können.“ 

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Sein Labor etwa sei bisher von keiner Kieler oder SH-Behörde angesprochen worden, Tests durchzuführen, „obwohl wir sowohl die PCR etabliert, als auch die sicherheitsrelevanten Voraussetzungen erfüllen und zudem ein akkreditiertes Qualitätsmanagementsystem besitzen“. Man solle doch die privaten und öffentlichen Laboraktivitäten koordinieren und eine Aufgabenverteilung vereinbaren. Die Antwort des Ministerpräsidenten Günther: ein Musterbrief.

Im Potsdamer Klinikum Ernst-von-Bergmann bereitet eine Mitarbeiterin Proben zur Untersuchung vor.
Im Potsdamer Klinikum Ernst-von-Bergmann bereitet eine Mitarbeiterin Proben zur Untersuchung vor.

© Ottmar Winter PNN

Offenbar hatten sich auch andere nicht-medizinische Labore im Vorfeld der Beratungen zum „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ an ihn gewandt. Günther schrieb an Kleine: „Sofern die Anforderungen an die Untersuchungen von möglicherweise erregerhaltigen Materialien auf Sars-CoV-2 und deren Bewertung erfüllt sind, können sich Labore an der Durchführung von validierten Test beteiligen.“ 

Arzt müsste Laborergebnisse testieren

Zu den Anforderungen gehöre aber auch die Bewertung durch einen Humanmediziner, gab der Politiker zu bedenken und griff damit Argumente der Medizinerlobby auf. Anders ausgedrückt: Unternehmen wie das Unternehmen Planton müssten einen Arzt anstellen, der die Laborergebnisse testiert, einordnet mit möglicherweise positiv Getesteten das weitere Vorgehen bespricht. Denn Labore dürfen nur feststellen, ob eine Probe positiv, negativ oder invalide ist.

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VUP-Geschäftsführer Blöth ist dafür, die bisher nicht genutzten, zusätzlichen Laborkapazitäten für Screenings in Unternehmen einzusetzen, um die Wirtschaft handlungsfähig zu halten. Dies kann in Kooperation mit Arztpraxen, Gesundheitsämtern oder Betriebsärzten geschehen. „Denken wir etwa an Arbeitgeber, aber auch an Privatleute, die zwischen Weihnachten und Neujahr im Hier und Dort dann doch unterwegs waren. Und genau an dieser Stelle – jenseits der etablierten und notwendigen medizindiagnostischen Verfolgung des Infektionsgeschehens – könnte man doch überlegen, die medizinischen Labore zu entlasten, nicht nur durch Antigentests. 

Ich erkenne jedenfalls nicht, dass dieser Aspekt Teil unserer Strategie ist. In der österreichischen Teststrategie sind derartige Screenings zumindest angedeutet. Ich wundere mich im Übrigen auch, dass dieses Thema nicht stärker von den Unternehmen bzw. Arbeitgebern gefahren wird.“ Diese greifen in einzelnen Verdachtsfällen derzeit auf die Angebote privater Schnelltestzentren zurück. Dem Tagesspiegel ist einer der Fälle bekannt, in dem die Belegschaft mehrfach durchgetestet wurde. Leisten kann sich das allerdings nicht jedes Unternehmen. Dass durch mehr PCR-Tests auch die Dunkelziffer erhellt werden könnte, versteht sich von selbst.

Akkreditierte Labore pochen auf medizinische und fachliche Betreuung 

Der Verband der akkreditierten Labore in der Medizin, kurz ALM, der über 200 medizinische Labore mit 900 Fachärzten und 500 Naturwissenschaftler vertritt, sagte über ihren Vorsitzenden Michael Müller zur Dunkelziffer in dieser Woche: „Am Ende wissen wir es nicht ganz genau. Es ist wichtig, dass mehr Tests in der Breite durchgeführt werden, aus bestimmten Anlässen und auch anlasslos.“ Doch der ALM möchte nicht auf die Testpotentiale der nichtmedizinischen Labore zurückgreifen. 

Eine Mitarbeiterin des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg pipettiert Coronaproben.
Eine Mitarbeiterin des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg pipettiert Coronaproben.

© Marijan Murat/dpa

„Wir hatten diese Diskussion ja schon einmal“, sagt ALM-Vorstand Evangelos Kotsopoulos auf Nachfrage. Man habe sich gegen das Einbeziehen von Veterinärlaboren und anderen Laboren ausgesprochen, und dafür stattdessen die Kapazitäten in den fachärztlichen Laboren so gut es geht auszufahren, „weil da auch eine medizinische und fachliche Betreuung der Einsender vorliegt, die Einschätzung der einzelnen Befunde, und nicht allein Ergebnisse herausgeschossen werden“. Die Lage könnte sich ändern.

Die Auslastung der Labore, vom ALM auf bundesweit derzeit 60 Prozent beziffert, könnte rasch zunehmen, wenn die derzeit kursierenden Coronavirus-Mutanten tatsächlich ansteckender sind als die Ursprungsvariante und die Symptomfallzahlen – und damit auch die Testungen – rasch steigen. Zusätzlich ist ein erheblicher Mehraufwand für Sequenzierungen von Viruserbgut zu erwarten, wenn das vom Bundesministerium für Gesundheit vorgegebene Ziel erreicht werden soll, wöchentlich bis zu fünf Prozent aller positiv getesteten Abstrichproben auch zu sequenzieren und die Ergebnisse an das RKI zu übermitteln.

„Festzuhalten ist, dass Labore nicht auf hohen Durchsatz ausgerichtet sind“, sagt ALM-Vorstand Jan Kramer. Vielleicht kommen Labore wie Planton dann doch noch zum Zuge: „Wir können auch sequenzieren“, sagt Kleine: „Aber das ist nicht so einfach wie ein PCR-Test.“ Für die Sequenzierung des Virus-Genoms werden Sequenzierautomaten benötigt. „Nicht alle, aber die meisten Universitätslabore können das in jedem Falle machen“, sagt Nina Beikert, Geschäftsführerin des „Labor Berlin“ von Charité und Vivantes. Die Kapazität, fünf Prozent der erhobenen Proben zu sequenzieren, sei in Deutschland gegeben.

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