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Wer bin ich? Ob es der Selbstfindungstest im Internet, der Einstellungstest bei der Bewerbung oder die Berufsberatung im Jobcenter ist – wie sicher ein Persönlichkeitstest einen Menschen einschätzen kann, hängt von dessen Gemütszustand beim Test ab.

© picture alliance / dpa-tmn

Persönlichkeitstests: Was glaubst du eigentlich, wer du bist?

Ob Partnersuche oder Einstellungstest – Persönlichkeitstests sind weit verbreitet. Und neuerdings umstritten. Denn die Persönlichkeit eines Menschen hängt auch von seiner Tagesform ab.

„Ich bin nicht leicht zu beunruhigen“, „Ich habe in meiner Freizeit gerne viele Leute um mich“, „Ich fühle mich oft traurig oder einsam“ – Fragen wie diese sind Teil von Persönlichkeitstests, die nicht nur Grundlage von Partnervermittlungen sind, sondern auch bei Einstellungstests, Berufsberatung und sogar in der Psychotherapie eine Rolle spielen. Jetzt kritisieren Forscher, dass die momentane Situation und Gemütslage einer Testperson mitbestimmt, wie sie die Fragen auf der üblichen Skala von „Ich stimme voll zu“ bis „Ich stimme gar nicht zu“ beantworten. Eine allgemeine Einschätzung der Persönlichkeit wird damit unmöglich oder zumindest verfälscht.

Die "Big Five" der Persönlichkeit

Die wissenschaftliche Grundlage von Persönlichkeitstests basiert auf dem Abfragen von fünf Persönlichkeitseigenschaften: Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und die Offenheit für Erfahrungen; außerdem wird die Extraversion, also die Geselligkeit und Extrovertiertheit, und schließlich der Neurotizismus einer Person in dem Frage-Antwort-Spiel abgeschätzt. Dieser Faktor gibt die emotionale Stabilität an, also wie leicht ein Mensch in seinen Gefühlen zu irritieren ist, wie stark ihn das Auf und Ab des Alltags aus der Bahn wirft. Diese Eigenschaften, auch unter dem Schlagwort „The Big Five“ bekannt, bilden in der Psychologie das am meisten akzeptierte Persönlichkeitsmodell.

Die Grundannahme des Konzepts, ohne die das Testergebnis wenig über die Persönlichkeit der Testperson aussagen würde, lautet: Menschen sind in ihrer Persönlichkeit grundsätzlich stabil. Der Psychologe Jan Querengässer bezweifelt das. In einer Studie nahm er das Persönlichkeitsmodell genauer unter die Lupe. „Wenn ein Mensch gerade schlecht drauf ist, ist er eben nicht mehr der Gleiche“, erzählt der Psychologe über die Motivation für seine Studie. „Diese Erfahrung ist in der Forschung noch nicht angekommen.“ Und schon gar nicht bei den Anwendern von Persönlichkeitstests in Assessmentcentern, Berufsberatungen oder Partnervermittlungen.

Mal in guter, mal schlechter Stimmung getestet

An der Universität Konstanz überprüfte Querengässer, welchen Einfluss Traurigkeit und Freude auf das Ergebnis eines Persönlichkeitstests haben. Zusammen mit seinem Kollegen Sebastian Schindler testete er rund 100 Probanden mithilfe eines Persönlichkeitstests, der in der Psychologie etabliert ist, dem sogenannten NEO Fünf-Faktoren-Inventar (NEO FFI), bestehend aus 60 Fragen, zu jeder Persönlichkeitsdimension zwölf.

Die Studienteilnehmer wurden zwei Mal getestet. Beim ersten Mal ohne jegliche Besonderheiten. Beim zweiten Mal, ein paar Wochen später, teilten die Psychologen die Gruppe. Bei der einen Hälfte induzierten sie ein Gefühl der Freude, bei der anderen eines der Traurigkeit: Als Fröhlichmacher dienten Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“, Ausschnitte aus einer Fernsehsoap über eine Familienzusammenführung und ein Film über den Fall der Berliner Mauer.

Stimmungskiller in der anderen Gruppe hingegen waren Samuel Barbers Adagio und der Film „Philadelphia“ über einen Aids-Kranken. „Und wir haben die Probanden gebeten, sich an den Moment zu erinnern, als sie erfuhren, dass eine nahestehende Person gestorben ist“, erzählt Querengässer. „Abschließend fragten wir die Testpersonen, ob sie sich traurig fühlten – was sie in der Regel bejahten.“

Traurige Menschen schneiden bei den Tests schlechter ab

Als die Probanden erneut getestet wurden, bestätigte sich die Annahme Querengässers: Die Persönlichkeit eines Menschen hängt auch von seiner Tagesform ab: „Menschen in einer traurigen Stimmung präsentieren sich selbst als introvertierter und als gefühlsmäßig irritierbarer.“ Freude hingegen hatte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Testergebnisse. „Ein Grund dafür könnte sein, dass wir in der Regel relativ fröhlich sind“, erklärt der Psychologe. Weshalb es keinen Unterschied macht, ob Personen in einem Zustand induzierter Freude getestet werden oder in ihrem Normalbefinden.

Zufriedene Menschen sind gewissenhafter

Wie Angst, Scham, Ekel oder andere negative Gefühle die Testergebnisse beeinflussen, weiß Querengässer noch nicht zu beantworten. Doch seine Forschung weist darauf hin, dass die Ergebnisse von Persönlichkeitstests mit Vorsicht zu genießen sind. Auch an der Freien Universität Berlin haben Forscher das etablierte Persönlichkeitskonzept auf Schwachstellen abgeklopft. Die Psychologin Jule Specht hat in einer Studie gezeigt, dass die Zufriedenheit mit dem Leben einer Person eng mit der Gewissenhaftigkeit zusammenhängt, eine der Big-Five-Eigenschaften. Demnach verhalten sich Menschen, die zufriedener mit ihrem Leben sind, gewissenhafter. „Das ist ein interaktiver Prozess“, sagt die Wissenschaftlerin, „Personen werden immer dann, wenn sie zufriedener werden, gleichzeitig auch gewissenhafter.“ Die Menschen arbeiten dann beispielsweise entschlossener und zielstrebiger auf ihre Ziele hin.

Außerdem weisen Spechts Untersuchungen darauf hin, dass die Gewissenhaftigkeit bei Menschen um die dreißig im Schnitt zunimmt und dass wir ab sechzig verträglicher werden. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Persönlichkeit nicht nur von der Stimmung abhängt, sondern darüber hinaus systematischen, realen Veränderungen ausgesetzt ist.

Big Five nicht grundsätzlich in Frage gestellt

Spechts und Querengässers Forschungen stellen die Anwendung von Persönlichkeitstests und die oftmals einschneidenden Konsequenzen, die daraus gezogen werden, zumindest infrage – etwa bei Prognosen für die Wahl der beruflichen Laufbahn, im Assessmentcenter. Dort werden überdurchschnittliche Gewissenhaftigkeit und geringe Neurotizismuswerte, also emotionale Stabilität, als wichtige Faktoren für den beruflichen Erfolg erwartet. Erzielt ein Bewerber im Einstellungstest beispielsweise hohe Neurotizismuswerte, gilt er als unsicher und emotional labil und man schreibt ihm unter Umständen ein erhöhtes Risiko für Angst- oder depressive Störungen zu. Dabei, so meinen Specht und Querengässer, könnten die hohen Werte nur damit zusammenhängen, dass die Person zum Zeitpunkt des Tests gerade traurig war.

Für Edgar Erdfelder von der Universität Mannheim sind diese Studienergebnisse ein Grund, die Persönlichkeitstests stärker zu reglementieren. „Man könnte beispielsweise verlangen, dass die Probanden in einer neutralen Stimmung sind“, sagt der Psychologe. Dennoch könne man noch immer davon ausgehen, dass Persönlichkeitseigenschaften im Wesentlichen stabil sind. „Das Persönlichkeitskonzept der ,Big Five‘ ist nicht infrage gestellt.“ Ob die Tests jedoch immer objektiv die Persönlichkeit widerspiegeln ist fraglich, denn die Persönlichkeit ist veränderlicher als bisher angenommen.

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