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© dpa

Pharao: Tutanchamun gibt noch immer Rätsel auf

Malaria und Knochenkrankheiten: Woran Tutanchamun litt und woran er starb, bleibt trotz der neuen Studie umstritten.

Von „Magie und Mysterium“ schwärmt Zahi Hawass gern, wenn es um die archäologischen Schätze des alten Ägyptens geht. Man kann in diesen Tagen nicht anders als ihm recht zu geben. Magisch-magnetisch angezogen richten sich die Augen der Weltöffentlichkeit wieder einmal auf Tutanchamun, den gottgleichen Herrscher der 18. Dynastie. In einer am Mittwoch veröffentlichten Studie im Mediziner-Fachblatt „Jama“ (wir berichteten) behauptet Hawass, Generaldirektor der ägyptischen Antikenverwaltung, gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam die mutmaßliche Todesursache gefunden zu haben. Ein Knochenbruch habe zusammen mit einer schweren Form der Malaria den erst 19-jährigen Pharao etwa im Jahr 1324 v. Chr. dahingerafft.

Es sei nun an der Zeit, die Gerüchte um den Tod des jungen Pharao zum Schweigen zu bringen, sagte Hawass bei einer Pressekonferenz im Ägyptischen Museum in Kairo. Jetzt, wo er und seine Mitstreiter das Rätsel gelöst hätten. Also ein Mysterium weniger? Danach sieht es jedoch nicht aus. Schon bezweifeln Wissenschaftler die Aussagen der Forscher. Die jetzigen Antworten sind nur der Beginn neuer Fragen.

Die Studie ruht vor allem auf zwei Säulen: Computertomografien und genetischen Untersuchungen. Die Mumien Tutanchamuns und zehn weiterer Mitglieder der königlichen Familie wurden ebenso „durchleuchtet“ wie Mitglieder einer älteren Herrscherfamilie, die als Vergleich diente. Ein genetischer Fingerabdruck und eine Untersuchung auf Malariaerreger vervollständigten die Analyse.

Es ist ein reichlich morbides Bild, das die Wissenschaftler von der Herrscherfamilie zeichnen. Sie fanden etliche Fehlbildungen, bei vieren, darunter Tutanchamun, zudem Spuren des Malariaerregers Plasmodium falciparum.

Bei Tutanchamun diagnostizierten sie bereits zu Lebzeiten abgestorbene Knochenbereiche im zweiten und dritten Mittelfußknochen des linken Beins aufgrund von schlechter Durchblutung, einen leichten Klumpfuß, einen Bruch des linken Oberschenkelknochens – Folge der Fußprobleme? – und eine Kieferspalte. Am zweiten linken Zeh fehlt zudem der mittlere Knochen, wohl ein angeborener Defekt. Der Pharao mag als Gott verehrt worden sein. Aber er war auch ein recht gebrechlicher Mensch, den schon in jungen Jahren viele Leiden plagten.

Ergebnis der akribischen Diagnostik: Tutanchamun war gehbehindert, wofür auch die vielen Stäbe und Krücken in seinem Grab sprechen. Es dürfte eine Kombination aus Entzündung, Immunschwäche und angeborener schlechter Konstitution gewesen sein, die im Verein mit dem Knochenbruch und der Malaria den Tod herbeiführten. Dagegen fanden die Wissenschaftler keine Bestätigung für die aus Darstellungen Tutanchamuns abgeleitete Annahme, dieser sei wegen hormoneller Störungen verweiblicht. Sein Penis habe sich erhalten und sei „gut entwickelt“, schreiben sie.

Die Ergebnisse der Studie seien vorhersehbar, die Schlussfolgerungen übertrieben, kritisiert dagegen Frank Rühli, Anatom und Mumienexperte an der Universität Zürich. „Es gibt keine Daten, die es erlauben würden, Malaria als Todesursache anzunehmen“, sagte der Genetiker Giuseppe Novelli von der Tor-Vergata-Universität in Rom dem Fachblatt „Nature“. Der Malariaparasit dürfte im alten Ägypten weit verbreitet gewesen sein. Menschen, die die Infektion als Kind überlebt hätten, seien danach zumindest zum Teil immun gewesen. Eine endgültige Malaria-Diagnose sei nicht möglich, weil die Mumien keine inneren Organe mehr hätten, um an diesen den parasitären Befall nachzuweisen.

Auch die Diagnosen rund um den kranken Fuß Tutanchamuns stoßen auf Kritik. Die Osteonekrose (abgestorbener Knochen) sei anhand der CT-Bilder nicht festzustellen, bemängelt Gino Fornaciari, Paläopathologe an der Universität von Pisa. Es könne sich auch um eine Folge der Malaria handeln. Zudem könnten Einbalsamieren und Bandagieren den Fuß erheblich beschädigt haben und die Deformation erklären. Gehstäbe waren nicht nur im alten Ägypten ein Symbol der Macht und könnten deshalb ihren Platz in der Grabkammer gefunden haben.

„Wir werden niemals beweisen können, dass er an Malaria starb“, verteidigt sich Albert Zink, Anthropologe an der Europäischen Akademie Bozen und einer der Autoren der Studie. „Aber die Möglichkeit besteht.“ Für die Osteonekrosen zu Lebzeiten des Pharao spreche, dass sich neuer Knochen als Reaktion auf das Absterben gebildet habe. Also kein Schaden durch Einbalsamieren? Dietrich Wildung, ehemaliger Direktor des Berliner Ägyptischen Museums, verteidigt die Wissenschaftler. „Man kann in der Regel gut unterscheiden, ob der Knochen vor oder nach dem Tod zerstört wurde“, sagte Wildung dem Tagesspiegel.

Als Beleg für die Fußkrankheit Tutanchamuns sieht er ein Relief aus dem Neuen Museum in Berlin, auf dem Tutanchamun in Begleitung seiner Gemahlin dargestellt ist (siehe Abbildung). Der Herrscher stütze sich auf seinen Stock, ein Bein sei kraftlos untergeschlagen – „Hinweis auf eine Beinverletzung“. Vielleicht also liefert die Computertomografie des 21. Jahrhunderts die medizinische Diagnose einer Krankheit nach, die der Künstler bereits vor mehr als 3000 Jahren diskret andeutete. Eine andere Darstellung zeigt Tutanchamun beim Bogenschießen – im Sitzen. „Versehrtensport“, sagt Wildung.

Weniger umstritten sind die technisch extrem anspruchsvollen Erbgutanalysen, die unter Leitung des Humangenetikers Carsten Pusch von der Universität Tübingen in zwei extra eingerichteten Labors in Ägypten erfolgten und die zu einem Stammbaum der königlichen Familie führten (siehe Infografik). Spektakulär daran war nicht nur, dass die Forscher Echnaton als Vater Tutanchamuns dingfest machen konnten. Es stellte sich auch heraus, dass er den Thronfolger mit einer Schwester gezeugt hatte, deren genaue Identität bis heute ungeklärt ist. Denkbar, dass die Inzucht zu den Krankheiten des Pharaos beigetragen hat.

Es ist offensichtlich, dass die von den Wissenschaftlern propagierte „molekulare Ägyptologie“ erst am Anfang steht und noch viele spektakuläre Ergebnisse zutage fördern wird. Nun gilt es zu klären, wer die Mutter Tutanchamuns war, ob es sich etwa um die berühmte Nofretete handelte. „Wir forschen weiter“, sagen die Mumienforscher Pusch und Zink. „Wir haben gerade erst ein neues Universum betreten!“ Die Magie der Pharaonen hat auch sie längst in ihren Bann geschlagen.

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