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Physik-Nobelpreis: Die Pixel-Pioniere

Digicam und Internet nutzt fast jeder. Nun werden die Entwickler der Technik geehrt

Erinnern Sie sich noch? Wie Sie ihrem Bruder in Übersee ein Familienfoto in einem blau-rot-geränderten Luftpostumschlag geschickt haben? Das ging natürlich erst, nachdem Sie den Film zum Entwickeln geben hatten und nach zwei Tagen die Papierabzüge abholen konnten. Dann dauerte es noch mal einige Tage, bis der Schnappschuss in Brasilien oder Australien ankam. Heute ist das eine Sache von Sekunden. Mit der Digitalkamera wird ein Bild geschossen, das via E-Mail kostenlos in nahezu jeden Winkel der Welt verschickt werden kann.

Für zwei wesentliche Entwicklungen, die das ermöglichen, werden die Physiknobelpreise 2009 vergeben. Eine Hälfte des mit zehn Millionen Kronen (980 000 Euro) dotierten Preises geht an Charles Kao. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass Glasfaserkabel große Datenmengen transportieren können. Die zweite Hälfte der Auszeichnung geht an George Smith und Willard Boyle, die Väter der Digitalkamera. Sie entwickelten eine Technik, mit der optische Bilder in digitale Signale übersetzt werden können, sprich: wie Bäume, Häuser und Menschen zu Nullen und Einsen werden.

Diese bahnbrechende Neuerung hatten die beiden allerdings gar nicht vor Augen, als sie ziemlich genau vor 40 Jahren in Boyles Büro zusammenstanden und ihre Ideen auf eine Tafel kritzelten. Die Physiker tüftelten an einem elektronischen Speicher. Was die beiden im September 1969 skizzierten, war ein lichtempfindlicher Sensor. Aus der Datenspeicherung ist, wie man heute weiß, nichts geworden. Stattdessen wurde der Sensor immer weiter entwickelt und ist heute unter dem Namen CCD (Charge-coupled device) eine tragende Säule der Optoelektronik.

Die Technik nutzt den photoelektrischen Effekt, für dessen Theorie bereits 1921 ein Nobelpreis vergeben wurde, an Albert Einstein. Demnach kann Licht aus einem Halbleiter einzelne Elektronen herauslösen. Je mehr Licht in einer bestimmten Zeit eintrifft, desto mehr freie Elektronen gibt es. Diese werden in einem „Potenzialtopf“ gesammelt und nach der Belichtung gezählt. „Ausgelesen“ sagen Techniker dazu.

Würde man nur eine einzelne Zelle in den Fotoapparat bauen, würde sie die durchschnittliche Lichteinstrahlung aus dem ganzen Bild wiedergeben. Indem man viele kleine dieser Zellen neben- und übereinander anordnet, entsteht ein Raster, dessen einzelne Punkte (auch Pixel genannt), die Szene detallierter abbilden.

1972 stellte die US-Firma Fairchild einen Bildsensor mit 100 mal 100 Pixel vor. Umgerechnet auf heute übliche Einheiten entsprechen diese 10 000 Bildpunkte 0,01 Megapixel.

Solange die winzigen Sensoren nur die Menge des einfallenden Lichts messen, entstehen Schwarz-Weiß-Fotos. Erst durch entsprechende Filter in den Grundfarben Rot, Blau und Grün sind Farbfotos möglich.

Die digitalen Bildsensoren können nicht nur sichtbares Licht einfangen, sondern auch Infrarot- und Röntgenstrahlung. Und sie sind extrem sensibel. Während das menschliche Auge oder eine Fotoplatte von 100 Lichtteilchen nur etwa eines registriert, sammeln die CCDs bis zu 90 ein. So können in kurzer Zeit auch sehr leuchtschwache Objekte fotografiert werden. Das machen sich unter anderem Astronomen zunutze. Viele der atemberaubenden Aufnahmen, die etwa das Weltraumteleskop „Hubble“ lieferte, verdanken wir Boyle und Smith.

Dass die Sternennebel, ebenso wie Familienfotos oder die Videos aus der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Stockholm, wo die Preisträger gestern bekannt gegeben wurden, per Internet um die Welt gehen, ist Kaos Verdienst. Er hatte die zündende Idee, wie Glasfasern zu Datenleitern werden können.

Bereits in den 1920er Jahren gab es Versuche, Licht durch Glasfasern zu leiten, um den Magen zu untersuchen oder den Feind auszuspähen. Doch über weite Strecken versagten die Fasern. Nach 20 Metern war von der losgeschickten Lichtmenge gerade ein Prozent übrig. Der größte Teil wurde gestreut oder geschluckt. Kaos Experimente und Berechnungen Ende der 60er Jahre zeigten, dass Lichtimpulse über weite Distanzen übertragen werden können, wenn die Fasern aus sehr reinem Quarzglas bestehen. Um das herzustellen, sind Temperaturen um die 2000 Grad Celsius nötig, was technisch sehr anspruchsvoll ist. Kao war aber nicht nur ein guter Physiker, sondern konnte seine Vision auch gut verkaufen. Er schwärmte von den Anwendungsmöglichkeiten und löste damit einen Wettstreit um die besten Fasern aus.

Vierzig Jahre später sind die Lichtleiter fest etabliert. „Ohne Glasfasern gäbe es kein Internet“, sagt Susanna Orlic, Professorin für Optische Technologien an der TU Berlin. „Nur sie schaffen es, riesige Datenmengen zu übertragen.“ Die Physikerin freut es besonders, dass dieses Jahr drei Kollegen den Nobelpreis bekommen, deren Forschungsergebnisse überall im Alltag zu finden sind.

„Die Entwicklung geht natürlich weiter“, sagt Orlic. Künftig werden sich die Menschen nicht nur mit einfachen Digitalfotos zufrieden geben, sie wollen HD-Bilder oder gleich Videosequenzen verschicken. Die bestehen aus wesentlich mehr Einzelinformationen. Orlic: „Damit das Internet nicht kollabiert, werden neue Techniken gebraucht, um die Datendichte in den Glasfasern zu erhöhen.“

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