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Peter Higgs und Francois Englert werden mit dem Nobelpreis für Physik geehrt.

© afp

Physiknobelpreis für Higgs und Englert: Stur, bescheiden, besessen

Mit ihrer Theorie über das Higgs-Boson-Teilchen lösten Peter Higgs und Francois Englert die größte Suchaktion in der Geschichte der Physik aus. Im vergangenen Jahr wurde es tatsächlich gefunden. Jetzt werden die Forscher mit dem Nobelpreis geehrt.

Als Peter Higgs und Francois Englert den Hörsaal am Genfer Kernforschungszentrum Cern betraten, erhob sich das Auditorium, um den beiden alten Herren stehend zu applaudieren. Higgs und Englert hatten die Grundlagen für die Existenz des Higgs-Bosons gelegt und damit das Standardmodell der Teilchenphysik vervollständigt. Das war 1964, und es war „nur“ eine Theorie. Sie löste die größte Suchaktion in der Geschichte der Physik aus. Am Cern wurde mit dem Large Hadron Collider eine gigantische Maschine gebaut, um nach dem ominösen „Gottesteilchen“ zu suchen. An jenem denkwürdigen 4. Juli 2012 verkündeten die Physiker des Cern, dass die Suche vorerst zum Ende gekommen war - erfolgreich. Die Prophezeiung von 1964 war in Erfüllung gegangen, Higgs am Ende der Veranstaltung zu Tränen gerührt.

Für viele Wissenschaftler war nach diesem Tag klar, dass es für den nächsten Physik-Nobelpreis einen klaren Favoriten gab: Peter Higgs. „Er ist näher am Nobelpreis als jeder andere Geehrte seit Richard Feynman, der den Preis 1964 zögerlich annahm“, orakelte der britische „Guardian“ in einem Porträt von Higgs, das letzte Woche in der Zeitung erschien. Fast schien es so, als wollten die Teilchenphysiker die Ehrung erzwingen. Und das für die Vergabe zuständige Nobelpreis-Komitee erhörte ihre Bitte. Schneller kann man nicht reagieren, selbst wenn die ersten Grundlagen der Theorie bereits vor fast einem halben Jahrhundert gelegt wurden. Es fehlte eben die Bestätigung durch das Experiment.

Peter Higgs, 84, ist emeritierter Professor für theoretische Physik an der Universität Edinburgh. „Er ist bescheiden, und das in fast krankhaftem Ausmaß“, charakterisierte der Physiker Alan Walker von der Universität Edinburgh seinen berühmten Kollegen im „Guardian“. „Man trifft viele Kollegen, die einem erzählen, wie gut sie sind. Peter macht so etwas nicht.“ Bald nach der Veranstaltung im Cern flog er nach Edinburgh zurück und gönnte sich an Bord des Easyjet-Fluges lediglich eine Büchse Bier. Als das Cern später die Dose  haben wollte, mussten sie erfahren, dass die längst im Müll gelandet war.

Higgs’ andere Seite ist seine Hartnäckigkeit. Seine Annahme, auf welche Weise Materieteilchen ihre masse annehmen, war zunächst stark umstritten. Ironischerweise war es ein Wissenschaftler am Cern, der Higgs’ erste ausführliche Veröffentlichung seiner Theorie zurückwies. Vor einem Vortrag von Higgs, den er 1966 an der Harvard-Universität hielt, erzählte der Physiker Sidney Coleman seinen Studenten, dass „irgendein Idiot“ vor ihnen auftreten werde. „Ihr werdet ihn in Stücke reißen.“ Am Ende war es Higgs, der Recht behielt.

Higgs hat sich auch politisch betätigt. Er setzte sich in der Organisation CND für nukleare Abrüstung ein. Als sich CND gegen Kernenergie aussprach, quittierte er die Mitgliedschaft. Higgs war auch Mitglied von Greenpeace – bis die Organisation gegen gentechnisch veränderte Pflanzen zu agitieren begann. 2004 erhielt Higgs den Wolf-Preis für Physik, flog aber aus Protest gegen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern nicht zur Preisverleihung nach Jerusalem. Er hat zwei Söhne, der eine ist Computerwissenschaftler, der andere Jazzmusiker.

Der Belgier Francois Englert, 80, der sich die Preissumme in Höhe von 930000 Euro mit Higgs teilt, war streng genommen sogar schneller als sein britischer Kollege. Gemeinsam mit seinem bereits verstorbenen Kollegen Robert Brout kam er zu den gleichen Schlussfolgerungen wie Higgs, ließ dabei aber das neue Teilchen unerwähnt. Englerts Studie erschien zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Briten.

Englert hat ein bewegtes Leben hinter sich. Er stammt aus einer jüdischen Familie und überlebte den Holocaust, indem er seine jüdische Identität in belgischen Kinderheimen und Waisenhäusern verbarg. Er studierte Elektrotechnik an der Freien Universität Brüssel und schloss die Ausbildung 1955 ab. 1959 erwarb er den Doktortitel in Physik, es folgte ein Gastaufenthalt an der New Yorker Cornell-Universität von 1959 bis 1961. Zurück an der Freien Universität Brüssel übernahm er eine Professur und wurde 1998 emeritiert. 2004 erhielt er ebenso wie Higgs den Wolf-Preis. Aber erst 2012 trafen sich die beiden Physiker zum ersten Mal – am 4. Juli in Genf, am Cern.

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