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Hat sie bei ihrer Dissertation geschummelt? Bildungsministerin Annette Schavan (CDU)

© dapd

Plagiatsverdacht: Wo Schavan angeblich geschummelt hat

Und wieder Ärger um eine Doktorarbeit: Bildungsministerin Schavan sieht sich mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Was genau wird an der Dissertation der CDU-Politikerin beanstandet?

Auf 56 von 325 Seiten in Annette Schavans Doktorarbeit finden sich mutmaßliche Plagiate – so lautet der Vorwurf, den die Webseite „Schavanplag“. Der anonyme Plagiatsjäger stuft sechs Fundstellen als „schwerwiegende“ Plagiate ein. Die anderen Stellen bezeichnet er als „nicht ganz so gravierend“ und als „nur unsauber oder zu geringfügig“ ein.

Bei zwei der „herausragenden“ Stellen beschäftigt sich Schavan mit Sigmund Freud. Die Autorin suggeriere dort, sie habe Schriften von Freud rezipiert, heißt es. Es geht dabei um die Inhaltsangabe und anschließende kurze Deutung zweier Passagen, aus Freuds „Das Unbehagen in der Kultur“ sowie aus „Totem und Tabu“. Tatsächlich habe Schavan aber Ausführungen von zwei anderen Wissenschaftlern über die entsprechenden Freud-Passagen paraphrasiert, ohne das entsprechend in ihrer Arbeit zu kennzeichnen. So finden sich laut „Schavanplag“ an den Stellen zwar Verweise auf Freuds Gesamtwerk, aber keine auf die Anlehnung an die verwendeten Passagen der Wissenschaftler.

Bildergalerie: Die Guttenberg-Affäre

Die Passagen stammen aus Einführungen zu Freud und der Psychoanalyse: Einmal aus Ernst Stadters „Psychoanalyse und Gewissen“, ein Urban-Taschenbuch, die andere Passage findet sich im „Handbuch der Neurosenlehre“ von Heinz Häfner. Besonders im Falle Stadters sei das Plagiat Schavans frappant, weil Stadter seinen Text völlig frei vom Duktus Freuds formuliert habe, heißt es bei „Schavanplag“.

Auch eine andere Stelle übernahm Schavan offensichtlich aus einem Überblickswerk. Dabei handelt es sich laut „Schavanplag“ um eine analytische Passage über die kognitive Theorie des amerikanischen Philosophen George Herbert Mead, die „fast vollständig“ aus einer Einführung in die Sozialisierungsforschung des österreichischen Pädagogikprofessors Helmut Fend stammt und die Schavan ebenfalls nur geringfügig umformulierte. Die Ministerin machte aber nur die Wortgruppe „kognitives System von Regeln und Normen über erwünschte Verhaltensweisen in einer Gruppe“ als Zitat von Fend kenntlich, anstatt sich im ganzen Absatz auf Fend zu beziehen.

Längere Passage samt Literaturreferenzen

An einer weiteren „herausragenden“ Stelle habe sie – mit nur leichten Umformulierungen – drei Absätze aus einer Habilitationsschrift mitsamt deren Literaturreferenzen übernommen, ohne aber den Autor der Habilitationsschrift, Antoni J. Nowak, selbst in einer Fußnote anzugeben. Bei der Passage handelt es sich um die Interpretation eines Gedankens des österreichischen Psychoanalytikers Igor Caruso, die eigentlich von Nowak stammt. Tatsächlich lehnt sich Schavan sehr stark an ihre nicht genannte Vorlage an.

Auch aus dem Buch „Gewissen und Gewissensbildung in jugendkriminologischer Sicht“ von Lutz Hupperschwiller übernahm sie demnach leicht umformuliert eine längere Passage samt Literaturreferenzen. Bei der Passage geht es um eine Deutung der Über-Ich-Theorie von Freud. Schavan verweise zwar auf Hupperschwiller in einer Fußnote – die Fußnote bezieht sich aber nur auf einen Halbsatz in der gesamten Passage. Als „herausragend“ wertet die Webseite auch eine Stelle, an der Schavan einen Satz aus zwei Quellen zusammengesetzt habe, ohne die Quellen zu nennen.

Schavans Doktorvater war der Pädagogikprofessor Gerhard Wehle, der inzwischen 87 Jahre alt ist. Er erklärte am Mittwoch gegenüber der dpa, er werde sich nicht mit der Arbeit beschäftigen, sollte er „nicht durch äußere Umstände dazu veranlasst“ werden.

Schavan geißelte einst Guttenberg

Sie schäme sich, hatte Schavan vor einem Jahr zur Plagiatsaffäre ihres Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt. Die Nachricht vom Rücktritt des Verteidigungsministers erfuhr Schavan am nächsten Tag von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihrer Parteifreundin auf der Cebit in Hannover ihr Handy mit der SMS zeigte, in der Guttenberg seinen Rücktritt bekannt gab.

Zunächst hatte Schavan Guttenberg aber in Schutz genommen: „Man wird nicht Minister, weil man promoviert ist, sondern Kompetenz hat im Politischen“, erklärte sie. Dafür hatten Professoren die Ministerin kritisiert. So hatte der Berliner Juraprofessor Alexander Blankenagel gesagt, es sei zwar parteipolitisch verständlich, dass sich Schavan hinter Guttenberg stelle. Doch müsse Schavan an ihre „spezifische Ressortverantwortung“ denken. Es stelle sich die Frage, wie Schavan künftig glaubwürdig für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zuständig sein könne, die wissenschaftliches Fehlverhalten verfolge.

Die 56-jährige Schavan ist seit 2005 Bundesbildungsministerin. Im Jahr 2008 wurde sie zur Honorarprofessorin an der Freien Universität berufen, als „ausgewiesene Expertin und Persönlichkeit für Forschung und Lehre“, wie es in einer Mitteilung hieß. Die FU wollte sich am Mittwoch zu dem Vorwurf nicht äußern, da die Faktenlage unklar sei. Die Universität Potsdam hatte unlängst angekündigt, zu überprüfen, ob die Politikerin Margarita Mathiopoulos ihre Honorarprofessur behalten darf, nachdem die Universität Bonn ihr den Doktortitel entzogen hat – eine Entscheidung, gegen die Mathiopoulos klagen wollte. Tilmann Warnecke/Anja Kühne

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