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POSITION: Das Herz der Hochschule

Deutsche Hochschulen müssen mehr Finanzierungsquellen erschließen. Unis, die aber ausschließlich auf Spenden ihrer Alumni schielen, haben etwas falsch verstanden.

Am 20. Juli hielt an dieser Stelle Arend Oetker, der Präsident des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, ein leidenschaftliches Plädoyer für bessere Alumni-Arbeit an deutschen Hochschulen. Oetker hat recht, wenn er sagt, dass sich deutsche Hochschulen mehr Finanzierungsquellen erschließen müssen. Er hat recht damit, dass die Alumni-Arbeit hierzulande ausbaufähig ist. Aus zwei Gründen muss seiner Argumentation aber widersprochen werden. Erstens, sein Vergleich mit den USA ist problematisch. Zweitens, Alumni-Spenden können nicht Ziel, sondern nur Mittel zum Zweck sein.

Mit seinem Verweis auf die Eliteuniversität Yale und die dortige Spendenbereitschaft von rund 45 Prozent der Alumni erliegt Oetker einem in Deutschland sehr häufigen Fehlschluss: Wenn wir uns nur anstrengen, können unsere Spitzenuniversitäten auch so werden wie Yale, Princeton oder Stanford. Gehen wir aber davon aus, dass es vielleicht 30 derartige Top-Hochschulen mit finanzkräftigen und spendierwilligen Absolventen in den USA gibt, so stehen sie doch an der Spitze einer Pyramide von ca. 3000 Lehranstalten. Übertragen auf Deutschland mit knapp 300 tertiären Bildungseinrichtungen kommen wir dann auf drei „Elite-Hochschulen“. Mehr nicht. Mit anderen Worten, das Yale’sche Alumni-Spenden-Modell rechnet sich vielleicht für zwei Mal München und einmal Karlsruhe, aber nicht für den Rest der Republik. Allerdings gibt es noch ein weiteres Hindernis. Die hier erwähnten US-Elitehochschulen sind allesamt private Einrichtungen. Funktioniert die Hochschulfinanzierung durch Spenden wohlgesinnter Alumni aber auch für öffentliche Hochschulen in gleichem Maße? Die Antwort lautet nein.

Daten aus dem Jahr 2006 zeigen deutlich, dass die Spendenbereitschaft an öffentlichen US-Hochschulen längst nicht so hoch ist wie an den privaten Eliteeinrichtungen. Spitzenreiter ist die University of Virginia, wo knapp 22 Prozent der Ehemaligen spendeten. Allerdings streiten sich Experten darum, ob diese Universität überhaupt „öffentlich“ ist, da ihre Finanzierung in den vergangenen Jahren nahezu vollständig auf private Quellen umgestellt worden ist.

Schauen wir stattdessen auf die Spendenbereitschaft in Berkeley, die Hochschule, die oftmals als beste öffentliche Universität der Welt beschrieben wird. Gerade einmal etwas mehr als acht Prozent der Berkeley-Ehemaligen spendeten ihrer Alma Mater Geld. Mit anderen Worten, über 90 Prozent der Absolventen taten dies nicht. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass die Absolventen wissen, dass ihre Hochschule öffentlich finanziert wird und sie daher kaum zum Geben bereit sind.

Acht Prozent wären in Deutschland kein schlechter Wert. Sollte eines Tages eine deutsche Universität ihren Studierenden ein so anregendes Studiererlebnis bieten können wie Berkeley, könnten durch die Spenden der acht Prozent auch sicherlich einige kleinere oder mittlere Investitionen getätigt werden. Mehr aber auch nicht.

Oetker beendet seinen Text mit einem poetisch-schönen Satz: „Auch an einer Universität muss der Studienerfolg der Studenten vor den Forschungsinteressen der Professoren kommen.“ Dieser Satz birgt Sprengstoff. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, den Präsidenten einer großen deutschen Hochschule zu fragen, was er als das Herz seiner Universität ansehe. Er war verblüfft, stockte und wusste nicht, was er sagen sollte. Er probierte mögliche Antworten, zum Beispiel das Präsidium, die Verwaltung, das geldgebende Ministerium. Aber er kam nicht auf die Studierenden.

Vielen deutschen Hochschulen ist in den letzten Jahrzehnten die institutionelle Mission und Motivation verloren gegangen. Wozu betreiben wir eigentlich eine Universität? Sicherlich sind das Schaffen und Halten von Stellen, das Einwerben von Drittmitteln, die Regionalförderung und das Bereitstellen von Fachkräften wichtige Ziele, aber was ist die Kernmission einer Hochschule? Oetker liefert hier eine Antwort, die bestechend klar und eindeutig ist. Der Studienerfolg der Studierenden! Hier schlägt das Herz der Universität. Allerdings wirkt seine Argumentation so, als sei dies lediglich eine Voraussetzung für Alumni-Spenden. Dies ist jedoch zu eng gedacht. Alumni-Spenden sind ein wichtiges, aber nicht entscheidendes Beiwerk. Wenn die Kernmission der Universität stimmt, dann kommen die Spenden ganz von selbst.

Der Autor hat an der FU Berlin und in Harvard studiert, wo er sich als Assistent des ehemaligen Präsidenten Derek Bok mit Hochschulfragen beschäftigt hat.

Sebastian Litta

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