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POSITION: Talente der Welt gewinnen

Für ein gemeinsames Dach der „Berliner Doktoranden- Ausbildung“

Zuletzt auf der großen Festveranstaltung zur 200-Jahr-Feier der Humboldt-Universität wurde von allen Seiten ein Bekenntnis zu den beiden großen Volluniversitäten im Verbund mit der TU Berlin abgegeben und – insbesondere von den ausländischen Gästen – ein Loblied auf den Wettbewerb gesungen. Nur in Nebensätzen wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Kräfte an den geeigneten Stellen zu bündeln. Aber wo liegen die geeigneten Stellen?

Wir teilen die Skepsis gegenüber einer Zentralisierung der Berliner Wissenschaftslandschaft. Die Kraft und die bemerkenswerten Erfolge liegen in der Vielfalt begründet. Gleichzeitig halten wir die Bündelung der Kräfte und eine erhebliche zentrale Unterstützung im Bereich der Doktorandenprogramme für dringend notwendig.

Der Hochschul- und Wissenschaftsstandort Berlin zeichnet sich durch eine in Deutschland einmalige Stärke in den Sozial-, Verhaltens-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften aus, die sich aus einer Ballung von drei Universitäten, zwei Professional Schools und zig außeruniversitären Instituten ergibt. Zu nennen sind etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA), die Hertie School of Governance, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass es bereits eine beachtliche Reihe an sozial-, verhaltens- und wirtschaftswissenschaftlichen Doktorandenprogrammen in Berlin gibt. Das älteste ist das wirtschaftswissenschaftliche Programm der Humboldt- und der Freien Universität. In den Sozialwissenschaften gibt es an der Humboldt-Universität die im Rahmen der Exzellenzinitiative operierende Graduate School of Social Sciences.

Für die Analyse der internationalen Beziehungen gibt es die angesichts der Bewerberzahlen besonders erfolgreiche Berlin Graduate School for Transnational Studies (BTS), die von der FU, der Hertie School und dem WZB getragen ist. Und im Bereich der Verhaltenswissenschaften gibt es die Max-Planck-Doktorandenschule „Life“, die ausdrücklich auch die empirische Bildungsforschung und Alternsforschung einschließt. Anwendungsorientiert ist das „Graduate Center of Economic and Social Research“, das am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auch die Soziologie einschließt.

Grob gesagt folgen diese Beispiele zwei unterschiedlichen Modellen: Im einem Fall wird die Graduate School von einer Universität getragen, weist eine erhebliche fachliche Breite auf und integriert damit möglichst viele Professorinnen und Professoren aus einer Universität. Im anderen Falle ist die thematische Fokussierung enger, man versucht im Gegenzug aber alle starken Spieler in Berlin und Umgebung zu binden. „Life“ und die BTS sind dafür die besten Beispiele.

Thematisch fokussierte Graduate Schools, in der die jeweils Besten der Stadt und des Großraums Berlin unabhängig von ihrer institutionellen Herkunft eingebunden werden, würde in zahlreichen Themenfeldern Berlin mit den besten Plätzen der Welt beim Wettbewerb um Doktorandinnen konkurrenzfähig machen. Diese Stärke gilt es zu nutzen. Unter Doktoranden besitzt die Stadt international eine enorme Attraktivität. Wenn es gelingt diese Attraktivität durch fokussierte Angebote mit internationaler Strahlkraft zu unterfüttern, dann kann Berlin mit wenig Zusatzaufwand seinen Anteil an den besten Talenten der Welt gewinnen.

In keiner anderen Phase des weiteren wissenschaftlichen Lebenslaufs kann die Bindung an Berlin so preiswert und so prägend erfolgen wie in der Doktorandenausbildung. Pro Universität eine Graduate School in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften wird funktionieren und gute Doktoranden anziehen. Eine ganz andere Qualität und internationale Strahlkraft kann aber erreicht werden, wenn sich Berlin acht bis zwölf thematisch fokussierte Graduate Schools leistet, deren Lehrpersonal institutionenübergreifend rekrutiert wird. Dann wäre Berlin im weltweiten Wettbewerb um die besten jungen Leute exzellent aufgestellt.

Ein solches Projekt bedarf erheblicher zentraler Unterstützung. Es sollte durch ein gemeinsames Dach für die „Berliner Doktorandenausbildung“, die ein Markenzeichen werden sollte, international sichtbarer gemacht werden. Erfolgreiche Doktorandenausbildung erfordert heute internationales Marketing. Damit wären die einzelnen Schools überfordert.

Gleichermaßen könnten alle Graduate Schools bei der Einwerbung von Stipendien unterstützt werden, zudem ließen sich bestimmte Elemente der Methodenausbildung und auch der Zugang zu Daten(banken) zentral bereitstellen. An diesen Stellen scheint zielgerichtete Zentralisierung möglich und wünschenswert. Im Ergebnis würden mittel- und langfristig die Berliner Sozial-, Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften, einschließlich der Bildungsforschung, noch stärker werden.

Dabei geht es nicht um riesiges pandisziplinäres Super-Doktorandenprogramm, sondern in erster Linie um verbesserte internationale Sichtbarkeit durch Abstimmung (aber auch Konkurrenz) untereinander und vor allem eine gezielte Unterstützung durch den Senat beziehungsweise die Einstein-Stiftung.

Beide Autoren sind in Berlin als Hochschullehrer tätig (FU und TU Berlin). Der Volkswirt Gert G. Wagner forscht auch am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Der Politikwissenschaftler Michael Zürn ist Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB); er war von 2003 bis 2009 Gründungsdirektor der Hertie School of Governance und ist seit 2004 Mitglied des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Gert Wagner war von 2002 bis 2008 Mitglied des Wissenschaftsrates.

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