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Leben aus dem Labor. Die künstliche Befruchtung ermöglicht es, schwere Erbkrankheiten bereits bei einem Embryo zu erkennen, der nur aus wenigen Zellen besteht. Nach einem entsprechenden Gentest werden nur gesunde Embyronen eingepflanzt.

© picture alliance / dpa

Präimplantationsdiagnostik: Gespaltene Moral

Der Meinungsstreit um die Präimplantationsdiagnostik (PID) geht weiter. Der Deutsche Ethikrat kann sich nicht auf eine gemeinsame Meinung zu Gentests an Embryonen einigen.

Vor einigen Wochen hatte sich die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine begrenzte Zulassung der Untersuchung von befruchteten Eizellen bei Verdacht auf genetische oder chromosomale Störungen ausgesprochen. Gestern legte der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme vor, die im Unterschied dazu alles andere als einmütig ausfällt: 13 Mitglieder des Gremiums halten die PID für „ethisch gerechtfertigt unter Einschränkungen“, elf sprechen sich für ein Verbot aus. Im Jahr 2003 hatte der Nationale Ethikrat als Vorgängergremium sich noch mit einer Zweidrittel-Mehrheit für eine begrenzte Zulassung der Diagnostik an befruchteten Eizellen ausgesprochen.

Die elf Mitglieder des Rates, die sich nun dagegen aussprechen, unter ihnen der ehemalige EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber, der Theologe Eberhard Schockenhoff und die Rechtsanwältin Ulrike Riedel, argumentieren, die PID sei unvereinbar mit dem Embryonenschutzgesetz und der besonderen Verantwortung für den Embryo in der Petrischale. „Diese Verantwortung ist neuartig, weil bei der natürlichen Empfängnis vergleichbare Eingriffsmöglichkeiten gar nicht entstehen“, erläuterte Huber vor der Presse.

Werde die Methode erlaubt, dann wachse zudem der Druck auf die Eltern, sie zu nutzen und sich gegen ein Kind mit einer Behinderung zu entscheiden. Begrenzungen seien schwer durchzuhalten. „Mit der PID verbindet sich ein selektiver Blick“, sagte Huber. „Die PID ist offensichtlich nur ganz oder gar nicht zu haben“, heißt es im Votum. Zudem sehen die Unterzeichner dieses Votums die Gefahr, dass auf dem Weg der frühen genetischen Diagnostik die embryopathische Indikation wieder eingeführt werden könnte, die seit 1995 nicht mehr gilt. Hat eine pränatale Untersuchung von Fruchtwasser oder Mutterkuchen den Hinweis auf eine schwere Erkrankung oder Behinderung des Kindes erbracht, so ist ein (gegebenenfalls auch später) Abbruch heute wegen der gesundheitlichen Belastung für die Mutter erlaubt (medizinische Indikation), nicht wegen einer zu erwartenden Krankheit des Kindes.

Am Gegenvotum der Befürworter lässt sich ablesen, dass es über diesen Punkt einigen Streit gegeben haben dürfte. Sie heben nämlich hervor, eine PID sei nur erlaubt bei Verdacht auf schwere Krankheiten oder Behinderungen, die wegen der schwierigen Situation für die Familie auch einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen würden. Außerdem sollte eine PID Paaren ermöglicht werden, die wegen ihres Risikos für Reifungsstörungen der Keimzellen vergebliche Behandlungsversuche, Tot- und Fehlgeburten hinter sich haben oder die Chromosomenstörungen befürchten müssen, die zum frühen Tod des Babys führen. Die Diagnostik vor der Einnistung in die Gebärmutter (Zeugung auf Probe) würde damit der Diagnostik während der Schwangerschaft (Schwangerschaft auf Probe) rechtlich tendenziell gleichgestellt.

Zum allgemeinen Suchen nach Webfehlern im Erbgut soll die PID nicht erlaubt werden. Zu den Unterzeichnern dieser Position, die nur eine knappe Mehrheit hat und mit der der Leopoldina weitgehend übereinstimmt, gehören der Vorsitzende des Ethikrates Edzard Schmidt-Jortzig, der Mannheimer Jurist Jochen Taupitz, der Berliner Philosoph Volker Gerhardt und der ehemalige Staatssekretär im Forschungsministerium Wolf-Michael Catenhusen als Leiter der Arbeitsgruppe.

Sie sprechen sich dafür aus, zwar die Kriterien gesetzlich zu fixieren, die für eine Erlaubnis zur PID gegeben sein müssen, aber keinen Katalog einzelner Krankheiten aufzustellen.

Die Befürworter einer eingeschränkten Erlaubnis der PID gehen auch auf die Dreierregel des Embryonenschutzgesetzes ein, nach der in jedem Behandlungszyklus der künstlichen Befruchtung nur drei Eizellen befruchtet werden dürfen. Sie setzen sich dafür ein, diese Regel bei einer künstlichen Befruchtung ausnahmsweise nicht anzuwenden, wenn eine PID geplant ist, weil die Regel die Erfolgschancen drastisch senkt. Mit der Befruchtung einer größeren Anzahl von Eizellen solle ein Kompromiss gesucht werden zwischen den Erfolgsaussichten der Behandlung und dem Ziel, möglichst wenige überzählige Embryonen zu erzeugen.

Die Befürworter der begrenzten Zulassung sind sich sicher, dass die PID auch nach einer begrenzten Zulassung nicht zum Standardverfahren der vorgeburtlichen Untersuchung werden würde. Dafür spreche einerseits das Beispiel von Ländern wie Frankreich, wo die PID schon seit 1994 möglich ist, ohne dass es zu einer starken Ausweitung gekommen wäre. Grenzen zögen hier aber auch die Strapazen, die eine künstliche Befruchtung für das Paar darstellt. Ohne wirkliche Not würde niemand auf den natürlichen Weg der Zeugung verzichten, davon ist eine knappe Mehrheit des Deutschen Ethikrates überzeugt.

Im Unterschied zu den Voten wurde der ausführliche erste Teil der Stellungnahme, der einen ausgesprochen lesenswerten Bericht zum Wissensstand in Sachen PID (nachzulesen unter: www.ethikrat.org) bietet, mit nur einer Enthaltung nahezu einstimmig verabschiedet. Dass die Mitglieder des Ethikrates nach vier ganztägigen Beratungen im Plenum und etlichen Gruppensitzungen nicht zu einer gemeinsamen Bewertung der PID oder zumindest einer deutlichen Mehrheit fanden, empfindet Arbeitsgruppenleiter Wolf-Michael Catenhusen nicht als Nachteil: „Wir stellen zwei Handlungsalternativen vor, entscheiden muss und wird das Parlament.“

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